Am Freitagnachmittag wurde Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey Opfer einer sogenannten Deep-Fake-Attacke. Die SPD-Politikerin hatte eine Videoschalte nach einer halben Stunde abgebrochen, nachdem Zweifel aufgekommen waren, dass sie tatsächlich mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko verbunden war.
"Die erste Viertelstunde war völlig unauffällig", zitierte die Deutsche Presse-Agentur Senatssprecherin Lisa Frerichs. "Der vermeintliche Herr Klitschko hat gefragt, wie es uns mit den vielen ukrainischen Flüchtlingen geht, wie wir damit umgehen, wie die Zahlen sind, ein ganz normales Gespräch, wie wir es erwartet hatten." Die Videokonferenz zum Thema Zusammenarbeit der beiden Städte Berlin und Kiew sei bereits lange vorher verabredet worden.
Der Verlauf des Gesprächs und die Themensetzung hätten jedoch "auf Berliner Seite ein Misstrauen hervorgerufen", teilte die Berliner Senatskanzlei am Freitagabend auf Twitter mit. "Es ging einmal darum, dass er sich auf ein angebliches Gespräch mit Botschafter Melnyk bezogen und gefragt hat, wie wir das sehen, dass so viele Ukrainerinnen und Ukrainer sich Sozialleistungen in Berlin erschleichen wollten", sagte Frerichs weiter.
"Und es gab die Bitte, dass wir durch unsere Behörden unterstützen mögen, dass gerade junge Männer in die Ukraine zurückgehen, um dort zu kämpfen." Das letzte Thema sei dann noch auffälliger gewesen: "Er hat gefragt, ob wir Kiew beratend unterstützen könnten, eine Art CSD (Christopher Street Day) auszurichten. Das war angesichts des Krieges schon mehr als seltsam." Die Verbindung sei dann beendet worden oder abgebrochen.
Ein Gespräch mit Melnyk, dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, habe bestätigt, dass es sich bei dem vermeidlichen Vitali Klitschko um einen Deepfake gehandelt habe. Bei dieser technischen Manipulation werden mithilfe von Künstlicher Intelligenz Video-, Audio- und Bildmaterialien verändert. So können beispielsweise Gesichter in fremden Videosequenzen authentisch ausgetauscht werden. Der polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamt sie bereits eingeschalten, wie ein Sprecher der Berliner Polizei gegenüber dem "Spiegel" bestätigte.
"Es gehört leider zur Realität, dass der Krieg mit allen Mitteln geführt wird", wird Giffey von der Berliner Senatskanzelei auf Twitter zitiert. "Auch im Netz, um mit digitalen Methoden das Vertrauen zu untergraben und Partner und Verbündete der Ukraine zu diskreditieren." Madrids Bürgermeister José Luis Martinez-Almeida soll ebenfalls mit dem Deepfake-Klitschko ein Videotelefonat geführt haben, welches wegen Misstrauen jedoch ebenfalls vorzeitig abgebrochen wurde. Das bestätigte das Bürgermeisteramt der Deutschen Presse-Agentur.
Und auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig fiel laut "Bild"-Zeitung auf ein Fake-Telefonat mit Vitali Klitschko hinein. Der Politiker soll sogar eine Pressemitteilung herausgegeben haben, die zudem ein Foto von ihm und dem angeblichen Klitschko während der Schalte zeigt.
"Liebe Franziska Giffey, ich habe gerade erfahren, dass es bei Ihnen und dem Bürgermeister von Madrid einen Fake-Anruf gab. Jemand hat sich als Vitali Klitschko ausgegeben – ich war es aber nicht", beteuerte Klitschko am Freitagabend gegenüber der "Bild"-Zeitung. Und weiter: "Ich hoffe, dass wir bald über meine offiziellen Kanäle telefonieren können. Ich brauche dann auch keinen Übersetzer."
Giffey reagierte kurze Zeit später auf das Gesprächsangebot des Kiewer Bürgermeisters und twitterte: "Danke für das Angebot, sehr gern! Wir haben schließlich viel zu besprechen."
Auch andere Politiker und Politikerinnen äußerten sich im Netz zu dem Vorfall. Darunter auch FDP-Bundestagsabgeordneter Konstantin Kuhle: "Dieser Vorgang ist extrem verstörend und muss lückenlos aufgeklärt werden", forderte er auf Twitter. "Der Einsatz von Deep Fake zur Beeinflussung politischer Prozesse wird in den kommenden Jahren ein riesen Thema. Wir müssen vorbereitet sein!"
Auch Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger, Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei Brandenburg, sprach sich auf Twitter für mehr Aufklärung und Vorbereitung aus. "Krasse Sache, die zeigt, warum Deepfakes eine Gefahr sein können, und wir frühzeitig darüber auch in Schulen mit Medienkompetenz über diese Möglichkeiten aufklären müssen."
(fw/dpa)