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EU-Streit mit China um kritische Rohstoffe: Konflikt, Gründe, Pläne

China's President Xi Jinping, center, leaves after his meeting with French President Emmanuel Macron, left, and European Commission President Ursula von der Leyen, at the Elysee Palace, Monday, M ...
Auf China will man sich in der EU nicht mehr blind verlassen.Bild: AP / Christophe Ena
Analyse

Kritische Rohstoffe:
EU will sich von China lösen – die Gründe sind zahlreich

Seltene Erden, Halbleiter, Handelsdruck: Warum Brüssel den Bruch mit Peking wagt – und welche Folgen das hat.
27.10.2025, 07:5527.10.2025, 07:55

Die EU will raus aus der Rohstoff-Falle mit China. Europas Wirtschaft hängt bei kritischen Rohstoffen wie Seltenen Erden, Halbleitern und Batteriemetallen stark vom Reich der Mitte ab. Doch diese Abhängigkeit wird zunehmend zum Risiko.

Peking hat mit Exportbeschränkungen bei kritischen Metallen gedroht, ausgerechnet jenen, die für Windräder, E-Autos und Smartphones unverzichtbar sind.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Samstag beim Berlin Global Dialogue eine strategische Abkehr vom bisherigen Modell an. Brüssel arbeite bereits an einem umfassenden Plan, um die Abhängigkeit von China deutlich zu verringern – nach dem Vorbild der Energiepolitik nach dem russischen Gasstopp. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Von der Leyen: EU plant Bruch mit Chinas Rohstoffdominanz

"Das Ziel ist, kurz-, mittel- und langfristig den Zugang zu alternativen Quellen von kritischen Rohstoffen für unsere europäischen Industrien sicherzustellen", erklärte Von der Leyen. Ein zentrales Element des neuen Plans sei das Recycling. "Manche Unternehmen können bis zu 95 Prozent von kritischen Rohstoffen und Batterien recyceln", erklärte sie. Parallel dazu will die EU gezielt Partnerschaften mit Ländern wie der Ukraine, Australien, Kanada, Kasachstan, Chile oder Grönland aufbauen.

HANDOUT - 08.11.2023, Nordrhein-Westfalen, Aachen: HANDOUT - Dieses von Black Semiconductor zur Verfügung gestellte Foto zeigt eine Halbleiter-Scheibe, die in einem Reinraum des Chipherstellers Black  ...
Halbleiter ist die Grundlage der gesamten modernen Elektronik.Bild: Black Semiconductor / Martin Braun

Wie tief die Abhängigkeit auch global verwoben ist, erklärt Taiwans De-facto-Botschafter in Deutschland, Klement Gu. Er sagte in der "Frankfurter Rundschau": "Im Bereich der Seltenen Erden hat China ein Monopol, fast alle Länder der Welt sind von China abhängig. Das ist natürlich ein großes Problem." Er nannte es "richtig", dass Ursula von der Leyen auf ein "De-Risking" von China setze – also auf das gezielte Verringern wirtschaftlicher Abhängigkeiten.

Taiwan selbst habe diesen Weg bereits eingeschlagen: "Viele taiwanesische Unternehmen investierten inzwischen in Südostasien, statt in China." Für Gu ist klar: Wirtschaftlicher Druck und militärische Drohgebärden seien zwei Seiten derselben Strategie – und Europa müsse daraus seine Lehren ziehen.

Chinas Druck auf Taiwan zeigt, wie verletzlich Europa wirklich ist

Auslöser für die neuen Pläne der EU sind die zunehmenden Differenzen mit China. Peking hatte Anfang Oktober die Exportkontrollen verschärft. Seither dürfen Maschinen und Technologien zur Verarbeitung dieser Metalle nur noch mit behördlicher Genehmigung ausgeführt werden. Auch Produkte, die Seltene Erden enthalten, fallen unter das neue Regime. Aus Sicht der EU ist das kein technisches Detail, sondern ein politisches Druckmittel.

Der geopolitische Hintergrund spielt in dieser Ansicht eine entscheidende Rolle. China und Russland rücken auch politisch und zunehmend militärisch zusammen. Beide Staaten demonstrieren ihre Partnerschaft regelmäßig: von gemeinsamen Marinemanövern im Japanischen Meer bis zu abgestimmten Auftritten bei BRICS-Gipfeln. Moskau liefert Energie, Peking liefert Technologie und Devisen.

FILE - Russian President Vladimir Putin, left, and Chinese President Xi Jinping greet each other in Tianjin, China, on Aug. 31, 2025. (Sergei Bobylev, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP, File)
Man schätzt sich: Wladimir Putin und Xi Jinping.Bild: Pool Sputnik Kremlin / Sergei Bobylev

In Brüssel gilt das Bündnis längst als strategische Herausforderung für Europa: Während Moskau den Kontinent militärisch unter Druck setzt, droht Peking über Handel und Rohstoffe.

EU-Diplomat:innen sprechen intern von einer "zweigleisigen Abhängigkeit", die Europas Verwundbarkeit offenlegt. Das Verhältnis zwischen Peking und Moskau wird in EU-Kreisen zunehmend als Versuch gesehen, westliche Demokratien wirtschaftlich und politisch auszubremsen: ein "Systemwettbewerb", wie ihn Ursula von der Leyen bereits 2023 beschrieben hatte.

Am Freitag wurde ein geplantes Treffen zwischen EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič und seinem chinesischen Amtskollegen kurzfristig abgesagt. Stattdessen sollen Expert:innen beider Seiten in Brüssel über Wege aus der Krise beraten. Offiziell will die EU damit "die Spannungen entschärfen". Inoffiziell steckt viel mehr dahinter: Der Streit gilt in Brüssel längst als Fall von wirtschaftlicher Nötigung.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nannte Pekings Vorgehen nach dem EU-Gipfel am Donnerstag beim Namen: "Es ist wirtschaftliche Erpressung", zitierte "Euronews" den französischen Präsidenten.

Zugleich warnte er vor einem Alleingang und sprach sich für eine koordinierte Antwort der EU aus. Dabei könnte erstmals das sogenannte Anti-Coercion Instrument zum Einsatz kommen: ein 2023 beschlossenes Maßnahmenpaket, das der EU erlaubt, auf Druckversuche aus Drittstaaten mit Zöllen, Lizenzentzug oder Beschränkungen beim öffentlichen Einkauf zu reagieren.

Doch der Hebel funktioniert nur, wenn eine qualifizierte Mehrheit der 27 Mitgliedstaaten zustimmt – und genau das ist ungewiss. "Wir haben über das Anti-Coercion-Instrument gesprochen, aber keine Entscheidung getroffen", sagte Bundeskanzler Friedrich Merz nach dem Gipfel demnach.

Uneinigkeit in der EU: Wie Brüssel mit Chinas wirtschaftlichem Druck ringt

Die wirtschaftlichen Interessen der EU-Staaten gegenüber China klaffen weit auseinander: Während Frankreich und Litauen für eine härtere Linie plädieren, warnen Länder mit engeren Handelsbeziehungen vor Eskalation.

Trotz dieser Differenzen forderten die Staats- und Regierungschefs in ihren Gipfel-Schlussfolgerungen die EU-Kommission auf, "alle wirtschaftlichen Instrumente wirksam einzusetzen, um externe Bedrohungen abzuschrecken oder zu begegnen".

Macron verwies zudem auf eine "chinesische Wirtschaft, die massiv investiert und einer Logik des Dumpings folgt". Damit könne China Produkte in Europa günstiger verkaufen als im eigenen Land. Weil Peking gleichzeitig unter US-Zöllen leidet, werden viele Exporte nun Richtung Europa umgeleitet.

"Untersuchungen müssen eingeleitet werden, und wir brauchen einen systematischeren Ansatz für wirtschaftliche Sicherheit", forderte Macron.

Die Spannungen bleiben nicht theoretisch. Als die niederländische Regierung kürzlich die Kontrolle über den Chip-Hersteller Nexperia übernahm – eine Tochter des chinesischen Wingtech-Konzerns –, reagierte Peking mit einem Exportstopp für Nexperia-Produkte aus China. Das traf besonders deutsche Autohersteller, die nun Engpässe fürchten. Auch der Maschinenbau warnt vor Produktionsstopps.

Europa ringt um seine strategische Souveränität. Zwischen globaler Konkurrenz, Lieferkettenrisiken und politischem Druck steht die EU vor einer Richtungsentscheidung: Wie viel China kann sie sich noch leisten – und wie viel Unabhängigkeit ist sie bereit, dafür zu bezahlen?

(Mit Material von afp)

Merz sortiert Migranten: Stadtbild und Arbeitsmarkt im Fokus
Friedrich Merz hat sich zu seiner umstrittenen Stadtbild-Aussage geäußert – und rudert dabei ein kleines Stück zurück. Doch was wie Einsicht klingt, zeigt vor allem eins: Wer in Deutschland als "guter" oder "schlechter" Migrant gilt, wird noch immer nach wirtschaftlichem Nutzen bewertet.
Merz ist zurückgerudert. Also ein wenig. Nicht zu viel. Nachdem seine Aussagen zu seinem Stadtbild-Problem und dem Einspannen aller Frauen (oder Töchter) in seine rassistische Rhetorik zu Protesten geführt haben, zeigt sich der Bundeskanzler bei einem Besuch in London einsichtig reumütig einordnend. Eine pompöse Entschuldigung gibt es nicht, auch kein bescheidenes Sorry.
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