Norbert Walter-Borjans, Bundesvorsitzender der SPD, und Saskia Esken, Bundesvorsitzende der SPD, geben vor dem Koalitionsausschuss am Bundeskanzleramt ein Pressestatement.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Deutschland
Die Spitzen der großen Koalition von CDU/CSU
und SPD haben sich nach langen Differenzen überraschend auf eine
Wahlrechtsreform verständigt und zugleich auf ein Gesamtpaket zur
Verlängerung von Corona-Maßnahmen. Zentraler Punkt des Paketes, das
am Dienstag in gut achtstündigen Beratungen im Berliner Kanzleramt
geschnürt wurde, ist die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes. Zudem
soll der Mittelstand längere Hilfen bekommen und Eltern mehr bezahlte
Tage, wenn ihre Kinder erkrankt sind. Nach den Worten der
CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zeigte die Koalition mit
dem Paket, dass sie ein gutes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl im
Herbst 2021 handlungsfähig ist.
Wahlrechtsreform
Die Wahlrechtsreform sieht vor, dass ein weiteres Anwachsen des
Bundestags schon bei der Wahl 2021 durch eine Dämpfungsmaßnahme
verhindert werden soll. Die richtige Reform soll dann erst 2025
greifen. Dazu soll noch in dieser Wahlperiode eine Reformkommission
eingesetzt werden, teilten Kramp-Karrenbauer und SPD-Chef Norbert
Walter-Borjans mit. Die Zahl der Wahlkreise soll für die
Bundestagswahl 2021 bei 299 belassen und dann 2025 auf 280 verringert
werden. Mit 709 Abgeordneten hat der Bundestag schon jetzt ein
Rekordausmaß erreicht. Die Normgröße sind 598 Abgeordnete.
Die Koalitionsspitzen standen unter hohem Einigungsdruck
angesichts des nächsten Wahltermins im kommenden Jahr. Die Koalition
muss nun aber erst einmal auf die Opposition zugehen und versuchen,
auch diese einzubinden. Üblicherweise werden Fragen des Wahlrechts
mit breiter Mehrheit im Bundestag beschlossen.
Kurzarbeit/Betreuung kranker Kinder
Unternehmen in Deutschland können Jobs in der Corona-Krise
weiter durch erleichterte Kurzarbeit absichern. Diese soll von
regulär 12 auf bis zu 24 Monate erweitert werden. Die verlängerte
Bezugsdauer soll für Betriebe gelten, die bis zum 31. Dezember 2020
Kurzarbeit eingeführt haben. Längstens soll das Kurzarbeitergeld bis
zum 31.12.2021 verlängert werden. Damit die Bundesagentur für Arbeit
(BA) die Milliardenkosten für Kurzarbeit schultern kann, will die
Koalition Steuergeld locker machen – und zwar als Zuschuss und nicht
als Darlehen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Pläne
bereits an diesem Mittwoch ins Bundeskabinett bringen.
Die Sozialversicherungsbeiträge sollen bis 30. Juni 2021
vollständig erstattet werden. Vom 1. Juli 2021 bis höchstens 31.
Dezember 2021 sollen für alle Betriebe, die bis zum 30. Juni 2021
Kurzarbeit eingeführt haben, die Sozialversicherungsbeiträge zur
Hälfte erstattet werden. Diese hälftige Erstattung kann auf 100
Prozent erhöht werden – aber nur wenn eine Qualifizierung während der
Kurzarbeit erfolgt.
Das Kurzarbeitergeld wird weiter auf 70 beziehungsweise 77
Prozent ab dem vierten Monat und auf 80 beziehungsweise 87 Prozent ab
dem siebten Monat erhöht. Diese Regeln soll bis 31. Dezember 2021 für
alle verlängert werden, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum
31. März 2021 entstanden ist. Regulär beträgt das Kurzarbeitergeld 60
Prozent des ausgefallenen Nettolohns, für Berufstätige mit Kindern 67
Prozent.
Gesetzlich Versicherten stehen in diesem Jahr wegen der
Corona-Krise mehr Krankentage zur Betreuung ihrer Kinder zur
Verfügung. Für Elternpaare soll das Kinderkrankengeld für jeweils
fünf weitere Tage und für Alleinerziehende für zusätzliche zehn Tage
gewährt werden. Zur Pflege eines erkrankten Kindes stehen Eltern in
der Regel pro Jahr zehn freie Arbeitstage zu. Bei Alleinerziehenden
sind es bis zu 20 Tage. Das gilt für alle Kinder unter zwölf Jahren.
Kostenloses Mittagessen
Auch bei Schul- und Kitaschließungen wegen Corona sollen Kinder ärmerer Eltern weiter kostenloses Mittagessen erhalten können. Die
Kinder sollen bis 31. Dezember 2020 mit Mittagessen im Rahmen des
Bildungspakets versorgt werden. Wie viele Kinder von der
Sonderregelung zuletzt Gebrauch gemacht hatten, geht aus dem
Beschlusspapier nicht hervor. Kritiker hatten im Frühjahr bemängelt,
dass Lieferungen nach Hause durch einen kommunal anerkannten Anbieter
nur schwer umsetzbar seien.
Pflege
Wer coronabedingt Angehörige pflegt oder Pflege neu
organisieren muss, kann in diesem Jahr bis zu 20 Arbeitstage frei
machen. Das Pflegeunterstützungsgeld kann ebenfalls bis zu 20
Arbeitstage in Anspruch genommen werden.
Überbrückungshilfen
Die Überbrückungshilfen für besonders belastete Unternehmen
sollen bis Ende des Jahres laufen. Das Programm ist bisher bis Ende
August befristet. Erstattet werden nach derzeitigem Stand für die
Monate Juni bis August fixe Betriebskosten von insgesamt bis zu 150
000 Euro. Für die Zuschüsse hatte der Bund 25 Milliarden Euro
eingeplant. Die Auszahlung der Gelder über die Länder aber läuft
schleppend, auch weil das Verfahren komplex ist – die Politik will
Betrugsfälle wie bei Corona-Soforthilfen verhindern. Die
Überbrückungshilfen waren ein wichtiger Baustein des im Juni
vereinbarten Konjunkturpakets der Koalition.
Insolvenzrecht
Die Lockerungen im Insolvenzrecht werden ebenfalls verlängert,
um in der Corona-Krise eine Pleitewelle zu verhindern. Demnach wird
die Regelung über die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den
Antragsgrund der Überschuldung bis Ende des Jahres weiterhin
ausgesetzt. Die Insolvenzantragspflicht war im März bis Ende
September ausgesetzt worden für Fälle, in denen eine
Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung von Firmen auf den Folgen der
Corona-Pandemie beruht.
Bildungsoffensive
Aus den EU-Corona-Hilfsgeldern soll eine digitale
Bildungsoffensive finanziert werden, die zum einen aus 500 Millionen
Euro für die Ausstattung von Lehrern mit digitalen Endgeräten
besteht. Zum anderen soll der Aufbau einer bundesweiten
Bildungsplattform vorangetrieben werden, die etwa einen geschützten
und qualitätsgesicherten Raum für hochwertige digitale Lehrinhalte
ermöglichen soll.
Künstler, Kleinselbstständige und Kleinunternehmer sollen
erleichterten Zugang zur Grundsicherung erhalten. Dazu will die
Koalition beim Schonvermögen großzügigere Regelungen treffen. Auch
der wegen der Corona-Krise erleichterte Zugang zur Grundsicherung
insgesamt soll verlängert werden – bis 31. Dezember 2021.
Eine Arbeitsgruppe soll ausloten, wie Bürokratie weiter
abgebaut werden kann. Konkret heißt es in einem Papier, die Koalition
werde eine hochrangige Arbeitsgruppe einsetzen, die Regelungsinhalte
für ein "Bürokratien-Entlastungsgesetz IV" identifiziere. Ziel des
Gesetzes solle es sein, die Wirtschaft zu stärken, von Bürokratie zu
entlasten und die hohen geltenden Standards zu
erhalten.
(lin/dpa)
Sie ist in der Modebranche gefragt und setzt regelmäßig Akzente in Sachen Schönheitsideale: Ella Emhoff, ihres Zeichens Influencerin und Stieftochter von Kamala Harris. Sie legte einen nahezu kometenhaften Aufstieg als Model und Designerin hin.