Finanzminister Olaf Scholz sieht durch seine frühzeitige Ausrufung zum SPD-Kanzlerkandidaten die Sacharbeit in der großen Koalition nicht gefährdet. "Es geht ja nicht morgen früh der Wahlkampf los. Sondern es ist einfach ganz normale Regierungsarbeit angesagt", sagte er am Montagabend in der ARD. Scholz verteidigte den überraschenden Zeitpunkt seiner Nominierung damit auch gegen Kritik aus der Union. Die Bürger könnten jetzt erkennen, woran sie mit der SPD seien.
Vorstand und Präsidium der SPD hatten Scholz am Montag einstimmig als Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2021 nominiert. Eine Bestätigung auf einem Parteitag ist danach nicht mehr nötig. Die SPD ist damit die erste im Bundestag vertretene Partei mit einem Kanzlerkandidaten für die Wahl im Herbst 2021. Während die CDU zurückhaltend reagierte, stieß die Entscheidung in der CSU auf scharfe Kritik.
"Jetzt ist nicht die Zeit für Wahlkampf und Kandidatenkür. Unser Land steht vor großen Herausforderungen und riesigen Aufgaben in der Corona-Pandemie", sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag). Als Überraschungscoup nun einen Kandidaten aus dem Hut zu zaubern, sei "geradezu abenteuerlich". Scholz sei ein respektabler Minister – "aber die Ausrufung des Bundestagswahlkampfs in dieser schwierigen Phase kann schon zu einer Belastung für die Arbeit der großen Koalition werden".
Am Montag hatte bereits CSU-Chef Markus Söder deutlich gemacht, dass die SPD ihren Kanzlerkandidaten aus seiner Sicht zu früh bekannt gegeben hat. Auch er warnte davor, angesichts der schwelenden Corona-Pandemie zu früh in den Bundestagswahlkampf zu starten.
Wer die Union als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl führt, ist noch offen. Für den CDU-Vorsitz bewerben sich Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Sie liegen in Umfragen zur Kanzlerkandidatur jedoch deutlich hinter Söder zurück – der allerdings stets betont, sein Platz sei in Bayern. Er plädiert dafür, den Spitzenkandidaten der Union erst im nächsten Jahr zu benennen.
Merz hatte Scholz am Montag ein Scheitern vorhergesagt: "Olaf Scholz wird es so ergehen wie Peer Steinbrück 2013: Der Kandidat passt nicht zur Partei", sagte der frühere Unionsfraktionschef der "Rheinischen Post".
Scholz wies diesen Eindruck zurück: "Wir haben uns in einem nicht unkomplizierten Prozess zusammengerauft", sagte er in der ARD. "SPD und Kanzlerkandidat passen zusammen." Der Finanzminister machte deutlich, dass er mit der Rückendeckung aller Kräfte in der SPD rechne. "Das ist wichtig, dass die SPD geschlossen handelt, alle auch mit ihrer Geschlossenheit und Einigkeit überrascht und sich hinter dem Kandidaten versammelt – und so wird es jetzt sein", sagte er im ZDF.
FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg bezeichnete die Nominierung dagegen als "Inkonsequenz mit Wumms". Es sei ein bekanntes Modell der SPD, mit einem in der Bevölkerung angesehenen, aber in der Partei nicht unterstützten Minister anzutreten, sagte Teuteberg der "Rheinischen Post" (Dienstag). Spätestens im Wahlkampf werde der Widerspruch zwischen pragmatischem Kandidaten und linkem Programm klar.
(om/dpa)