Nordrhein-Westfalen hat gewählt. Die Wähler haben mit ihrer Entscheidung vor allem zwei Parteien abgestraft: die SPD und die FDP. Die klaren Gewinner des Wahltages sind hingegen Grüne und CDU. Trotz der Wahlschlappe sagt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nach der Wahl in einem Statement: "Schwarz-gelb ist abgewählt! Rot-grün ist möglich!" Für diese Aussage erntet er neben so mancher Zustimmung auch eine Welle der Kritik – und eine scharfe Beleidigung vom Ex-Bild-Chef Reichelt. Zwischen den beiden ist ein waschechter Social-Media-Beef entfacht.
Dabei ist er nicht der einzige, der doch noch darauf hofft, den Ministerpräsidenten zu stellen. "Ich bin bereit", sagte etwa der SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty. Der Sieg der CDU und das starke Ergebnis der Grünen bedeuteten nicht automatisch, dass beide eine Regierung formten, sagt er. Es seien durchaus noch andere Optionen denkbar. SPD-Bundeschef Lars Klingbeil sieht das ähnlich, formuliert aber am späteren Abend in der ARD-Sendung "Anne Will" zurückhaltender als noch unmittelbar nach Wahlschluss: "Herr Wüst ist der Sieger (...), er führt die Gespräche (...) und dann werden wir sehen, ob er eine Regierung bilden kann."
Unterdessen bekommt Kevin Kühnert sein Fett weg. Ausgerechnet der Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt findet in gewohnt "sachlicher" Manier harte Worte. Auf Twitter retweetete er Kühnerts NRW-Wahl-Statement und bezeichnet ihn dort am Sonntagabend als "kleingeistigen, zickigen Putschisten".
Das ließ der SPD-Generalsekretär nicht auf sich sitzen und antwortete wiederum selbst auf Reichelts Beleidigung mit einem Retweet. Er kommentierte: "Aber immerhin bin ich nicht Julian Reichelt."
Die Retourkutsche vonseiten des Journalisten ließ unterdessen nicht lange auf sich warten. Er stichelte: "Wenn Sie Julian Reichelt wären, wären Sie immerhin nicht in einer Partei mit dem Völkermörder Freund Schröder." Damit spielt er auf die Russland-Verbindungen von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder an. Mit dessen fortwährender Weigerung, seine Aufsichtsratsposten in der russischen Energiewirtschaft aufzugeben und sich von Präsident Wladimir Putin zu distanzieren, hat sich der Altkanzler zunehmen isoliert – und die SPD angreifbar gemacht.
Die SPD wird die Kritik an ihrer "Russlandpolitik" jedenfalls nicht los. Nicht nur wegen Schröder. Auch die Verstrickungen von Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern in Sachen Nord Stream 2 geben der Kritik Aufwind.
Ein gefundenes Fressen für Reichelt. So legte der Ex-Bild-Chef auf Twitter – diesmal nicht direkt an Kühnert, dafür an die SPD gerichtet – nach. Er behauptet am späten Sonntagabend: "Die SPD ist korrupt und russisch unterwandert. Wer SPD wählt, wählt die Kollaborateure des Kreml. Das scheint vielen Deutschen wenig attraktiv und könnte die beiden brutalen Wahlniederlagen erklären."
Kühnert selbst reagierte bisher (Stand Montagvormittag) nicht mehr auf die Provokationen. Unter den Twitter-Kommentatoren bildeten sich hingegen zwei Lager. Die einen kritisieren Reichelt – etwa als "schlechten Journalisten" oder "niveaulos". Kühnert hingegen wird "Realitätsverlust" oder "fehlende Demut" vorgeworfen, um nur die weniger ausfallenden Kommentare zu nennen. Andere behaupten, beide würden in der selben "niedrigen Niveau-Liga" spielen.
Es zeigt sich: Die Stimmung nach der Wahlschlappe ist aufgeheizt. Wer am Ende bezüglich der NRW-Koalition Recht behält, wird sich erst zeigen.
Die Grünen als sogenannte Königsmacher wollen sich jedenfalls noch nicht auf mögliche Partner festlegen. Die Partei-Chefin Ricarda Lang stellte hingegen inhaltliche Bedingungen für eine künftige Regierungsbeteiligung in Nordrhein-Westfalen. So müsste eine Regierung mit den Grünen "gemeinsam den Weg in eine klimaneutrale und digitale Zukunft gehen, mehr soziale Gerechtigkeit schaffen und den Zusammenhalt in NRW stärken", sagte Lang.