Angela Merkel und Jens Spahn gehen die aktuellen Maßnahmen angesichts der Infektionszahlen nicht weit genug.Bild: imago images / Christian Thiel
Deutschland
Wegen der anhaltend hohen
Corona-Infektionszahlen mehren sich die Forderungen, das öffentliche
Leben deutlich stärker als bisher einzuschränken. Auch
Ladenschließungen nach Weihnachten sind dabei im Gespräch. Ob sich
Bundesregierung und Ministerpräsidenten vor Weihnachten dazu noch
einmal zusammensetzen, ist unklar. Nicht alle Länder-Regierungschefs
halten das für notwendig. Bislang ist eine neue
Ministerpräsidentenkonferenz für den 4. Januar geplant.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Montag in einer
Video-Sitzung der Unionsfraktion nach Angaben von Teilnehmern betont,
mit den bisherigen Maßnahmen komme man von den auf einem viel zu
hohen Niveau stagnierenden Infektionszahlen nicht herunter. Das
heiße, man werde den Winter nicht ohne zusätzliche Maßnahmen
durchstehen können. Was wo zu tun sei, müsse noch vor Weihnachten
entschieden werden.
Spahn plädiert für schärfere Maßnahmen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält schärfere
Kontaktbeschränkungen für notwendig, sollten die hohen
Infektionszahlen nicht zeitnah zurückgehen. "Der Ansatz, kurz und
umfassender, um wirklich einen Unterschied zu machen, ist
wahrscheinlich der erfolgreichere. Wenn wir nicht hinkommen mit der
Entwicklung der nächsten ein, zwei Wochen bis Weihnachten, dann
müssen wir das diskutieren", sagte Spahn dem Fernsehsender Phoenix.
Der Minister schloss nicht aus, dass es auch einen erneuten Lockdown
im Einzelhandel geben könnte. "Wir müssen das abhängig machen von den
nächsten Tagen, ob es uns gelingt, die Zahlen runterzubringen."
Spahn machen die Corona-Zahlen Sorgen.Bild: dpa / Michael Kappeler
Die Politik ist besorgt, weil nach fünf Wochen Teil-Lockdown kein
Absinken der Zahl der Neuinfektionen in Sicht ist. Vom Ziel, die Zahl
auf unter 50 pro 100.000 Einwohnern über sieben Tage zu bringen, ist
Deutschland weit entfernt. Aktuell unterschreitet kein Bundesland die
Marke. Im niederbayerischen Landkreis Regen, der am Montag einen
Inzidenzwert von fast 570 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen
sieben Tagen aufwies, bekommen Schüler aller Jahrgangsstufen ab
Mittwoch Distanzunterricht.
Harter Lockdown ab 27. Dezember?
Die "Bild"-Zeitung berichtete, es solle nach den Feiertagen bis
zum Jahresbeginn harte Maßnahmen geben. Im Gespräch sei, zwischen 27.
Dezember und 3. oder 10. Januar nur Supermärkte geöffnet zu lassen.
Nach dpa-Informationen gibt es noch keine konkreten Maßnahmen, die
ausdiskutiert sind.
Bund und Länder hatten eigentlich vereinbart, bei Familientreffen
vom 23. Dezember bis längstens 1. Januar zehn Personen plus Kinder
zuzulassen. Ansonsten dürfen maximal fünf Leute aus zwei Hausständen
zusammen sein. Bayern und Baden-Württemberg haben die Lockerung
bereits auf 23. bis 26. beziehungsweise 27. Dezember beschränkt. In
Berlin sind über die gesamten Feiertage maximal fünf Leute erlaubt.
Länder haben unterschiedliche Positionen – harter Lockdown in Sachsen?
Die Regierungen in Bayern, im Saarland und in Baden-Württemberg
drangen wie Merkel auf eine rasche zusätzliche Besprechung der
Ministerpräsidenten. Die Regierungschefs aus Berlin, Bremen,
Niedersachsen und Thüringen äußerten Zweifel, ob das nötig ist.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte der
"Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Wir haben in der
Ministerpräsidentenkonferenz Regelungen bis zum 10. Januar 2021
festgelegt". Jeder wisse, was zu tun sei.
Verkündet Ministerpräsident Michael Kretschmer den harten Lockdown?Bild: dpa / Sebastian Kahnert
Mehrere Landeskabinette, darunter auch jene in Erfurt und
Dresden, tagen am Dienstag. Für Sachsen berichtete die "Bild"-Zeitung
am Montagabend unter Berufung auf Regierungskreise, es werde
diskutiert, Geschäfte vom kommenden Montag an (14. Dezember) zu
schließen. Nur lebensnotwendige Läden sollen - wie im Frühjahr -
offen bleiben. Welche das neben Lebensmittel-Geschäften genau sind,
sei noch unklar.
Auch die in Chemnitz erscheinende "Freie Presse" berichtete am
Montagabend online, dass die verschärften Maßnahmen kommende Woche
beginnen und bis zum 10. Januar dauern sollen. Der genaue Start sei
unklar, schreibt das Blatt, der 14. Dezember gelte als möglicher
Termin. Sachsens Regierungssprecher Ralph Schreiber äußerte sich am
Abend dazu nicht und verwies auf Kabinettssitzungen am Dienstag und
Freitag.
Weitere Maßnahmen seien erforderlich, deswegen werde sie es auch geben, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Montag.
Auch Ärzte fordern weitere Schritte
Forderungen nach härteren Maßnahmen kommen auch aus der
Ärzteschaft und von Kommunen. Der Vorsitzende des Weltärztebundes,
Frank Ulrich Montgomery, sagte der "Rheinischen Post" (Dienstag):
"Wir brauchen überall in Deutschland, wo die Infektionszahlen hoch
sind, bis Weihnachten harte Ausgangsbeschränkungen, bei denen die
Menschen nur noch aus triftigem Grund das Haus verlassen dürfen." Man
müsse von dem hohen Plateau extrem hoher Infektionszahlen
herunterkommen, sonst drohe den Intensivstationen kurz nach dem
Jahreswechsel der Kollaps.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds,
Gerd Landsberg, plädierte für die Zeit nach Weihnachten für schärfere
Corona-Regeln. Die angestrebten Lockerungen über Silvester nannte er
in der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag) "illusorisch".
FDP-Vize Wolfgang Kubicki zweifelt hingegen an der Wirksamkeit
eines zweiwöchigen Lockdowns. Zugleich warnte er in der "Passauer
Neuen Presse", ein drei- oder vierwöchiger Lockdown "würde das
Vertrauen der Bevölkerung weiter erschüttern".
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach mahnte Bund und
Länder, sich schnell zu beraten. "Je früher die Kanzlerin mit den
Ministerpräsidenten Beschlüsse trifft, um ernsthaft wieder die
Kontrolle über die Lage zu bekommen, desto besser", sagte Lauterbach
der "Passauer Neuen Presse". "Wir müssen für die Zeit nach
Weihnachten einen härteren Shutdown verhängen", forderte der
SPD-Politiker.
Karl Lauterbach mahnte Bund und Länder, sich schnell zu beraten.Bild: imago images / Christian Spicker
Das bayerische Kabinett hatte bereits am Sonntag schärfere
Maßnahmen beschlossen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte
der "Bild" (Montag): "Bayern hat hier bereits wichtige Entscheidungen
getroffen, denen die anderen Bundesländer folgen sollten".
Bundesfinanzminister Olaf Scholz verteidigte grundsätzlich die
Bund-Länder-Runden. Die Diskussionen würden helfen, "ziemlich wohl
abgewogene Entscheidungen" zu treffen, sagte der SPD-Politiker am
Montagabend in der ARD-Sendung "hart aber fair". "Ich kenne Länder um
uns herum, da macht das einer mit sich ab. Und das geht mal gut und
mal schlecht", machte der Vizekanzler deutlich.
(dpa-afxp)
Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) muss letzte Woche im Bundestag wohl eine große Enttäuschung gewesen sein. Er hatte sich auf eine Debatte mit seinem Erzfeind und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingestellt. Dieser fehlte aber spontan aufgrund eines Defekts an einem Regierungsflugzeug und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) musste für ihn einspringen.