Israel und Hamas einig bei Geisel-Freilassung: Alles Wichtige zum Friedens-Deal
Im Ringen um eine Beilegung des Gaza-Kriegs haben sich Israel und die islamistische Hamas in indirekten Verhandlungen auf erste wichtige Punkte geeinigt. Demnach werden die in den Gazastreifen verschleppten Geiseln freigelassen und Israel wird seine Truppen auf eine vereinbarte Linie zurückziehen, wie US-Präsident Donald Trump für die Vereinigten Staaten als Vermittlerland bekannt gab.
"Alle Parteien werden fair behandelt", schrieb er auf seiner Plattform Truth Social. Die Hamas bestätigte die Einigung. Die Vereinbarung sehe ein Ende der Kampfhandlungen im Gazastreifen, einen Rückzug des israelischen Militärs, Zugang für Hilfsgüter in das Küstengebiet und einen Austausch von Geiseln und Häftlingen vor, hieß es in einer Mitteilung der Terrororganisation.
Trump verkündet Durchbruch nach zwei Jahren Krieg in Gaza und Israel
Damit ist zwei Jahre nach dem Beginn des Gaza-Kriegs ein Durchbruch gelungen. Auslöser des Gaza-Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terrorgruppen auf Israel am 7. Oktober 2023.
Rund 1200 Menschen wurden dabei getötet und mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte seinerseits mit Angriffen. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 67.000 Palästinenser:innen getötet.
Man sei sich über die erste Phase des US-Friedensplans einig geworden, schrieb Trump. Im ägyptischen Scharm El-Scheich hatten Verhandler um Details gerungen. Trump brachte bereits einen Besuch in Israel am Wochenende ins Spiel. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lud Trump ein, vor der Knesset zu sprechen.
Geiseln sollen freikommen – doch es gibt einen Haken
Alle Geiseln sollen freikommen, und zwar sehr bald, schrieb Trump. Israel soll im Gegenzug rund 250 zu lebenslanger Haft verurteilte palästinensische Häftlinge sowie etwa 1700 nach dem 7. Oktober 2023 Inhaftierte freilassen.
Außerdem werde Israel seine Truppen hinter eine vereinbarte Linie zurückziehen. Das seien die ersten Schritte hin zu einem "starken, dauerhaften und ewigen Frieden".
Im Gazastreifen befinden sich noch 48 Geiseln, von denen nach israelischen Informationen noch 20 am Leben sind. "Das ist ein wichtiger und bedeutender Schritt auf dem Weg, alle nach Hause zu bringen, aber unser Kampf ist noch nicht vorbei und wird erst enden, wenn die letzte Geisel zurückgekehrt ist", hieß es in einer Mitteilung des Forums der Geisel-Familien.
Weiter sagen sie: "Es ist unsere moralische und nationale Pflicht, sie alle nach Hause zu holen – sowohl die Lebenden als auch die Toten. Ihre Rückkehr ist für die Heilung und Genesung der gesamten israelischen Gesellschaft von entscheidender Bedeutung."
Jedoch könnte es dabei zu einem Problem kommen: Alle Geiseln – lebendig wie tot – sollen freikommen. Wie der TV-Sender CNN nun berichtet, weiß die Hamas jedoch bei mehreren der toten Geiseln nicht, wo sich diese befinden. Demnach würde der Aufenthaltsort von sieben bis 15 Leichen unklar sein.
Diese Informationen basieren einer der CNN-Quellen zufolge auf israelischen Geheimdienstberichten sowie auf Mitteilungen der Hamas und Vermittlern in Verhandlungsrunden. Der Grund: neben der Hamas haben auch andere islamistische Gruppen Menschen in den Gazastreifen entführt. Die Hamas verfügt wohl nicht über die Kontrolle über alle Splittergruppen. Sollte das stimmen, könnte eine der israelischen Forderungen für den Friedens-Deal womöglich nicht erfüllt werden.
Jedoch teilten die drei israelischen Quellen gegenüber CNN auch mit, dass Israels Ministerpräsident Netanjahu und sein Kabinett bereits seit Monaten wissen, dass die Hamas den Aufenthaltsort einiger der verstorbenen Geiseln nicht kennt.
CNN berichtete zudem unter Berufung auf eine israelische Quelle, dass die Geiseln voraussichtlich am Samstag oder Sonntag freigelassen werden könnten. Trump hingegen sprach in einem Audio-Interview des Senders Fox News von voraussichtlich Montag. Der Friedensplan sieht eine Frist von 72 Stunden nach Inkrafttreten der Vereinbarung vor – es hängt also auch davon ab, wann sie unterzeichnet wird.
Gibt die Hamas ihre Waffen ab?
Trotz der angekündigten Geisel-Freilassung bleiben viele Fragen offen. Nicht erwähnt wird bisher ein wichtiger Knackpunkt des Friedensplans: die Entwaffnung von Terroristen im Gazastreifen. Trumps Friedensplan sieht vor, dass (sobald alle Geiseln freigelassen sind), Hamas-Mitglieder, die sich zu friedlicher Koexistenz und zur Niederlegung ihrer Waffen verpflichten, Amnestie erhalten.
Die USA sind überzeugt, dass der Terror wiederkommen wird, wenn es keine Entwaffnung gibt. US-Außenminister Marco Rubio sagte am Sonntag zu den längerfristigen Zielen: "Man mag die Geiseln zurückbekommen, man mag eine Einstellung der Feindseligkeiten erreichen, aber langfristig wird sich alles wiederholen."
Die USA hatten betont, dass es zwei Phasen der Verhandlungen gäbe. Zum einen, die über die Geiselfreilassung, die absolute Priorität habe. Zum anderen eine zweite Phase, in der der langfristige Frieden gesichert werden sollte. Darunter zählten die USA auch die Entwaffnung.
Gaza: Wer wird eine Übergangsregierung bilden?
Wird es wirklich so kommen, wie im Friedensplan formuliert? Die Hamas hatte jüngst zwar gesagt, sie sei damit einverstanden, dass das Gebiet nach Kriegsende zunächst von einer Übergangsregierung palästinensischer Technokraten unter Aufsicht eines internationalen Gremiums regiert werde. Es blieb aber unklar, ob sie damit auch der Forderung von Trumps Friedensplan zustimmte, dass sie selbst dabei keine Rolle spielen darf.
UN-Generalsekretär António Guterres rief nach der Einigung in Ägypten alle Beteiligten auf, "diese einmalige Gelegenheit" für den Weg hin zu einer Zweistaatenlösung zu nutzen, die es Israelis und Palästinenser:innen ermöglichen würde, in Frieden zu leben. "Noch nie stand so viel auf dem Spiel", betonte er.
Mit der Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung bislang ebenso ab wie die Hamas.
Worauf kommt es nun an? Friedensforscher betont Vertrauen
Unklar bleibt, auf welche Linie sich das israelische Militär nun genau zurückziehen soll. Netanjahu sagte zuletzt, das israelische Militär solle weiterhin strategisch wichtige Gebiete "tief im Gazastreifen" kontrollieren. Der vollständige Rückzug ist laut Trumps Plan erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, wenn eine internationale Stabilisierungstruppe (ISF) für Sicherheit vor Ort sorgt.
Thorsten Bonacker, Friedens- und Konfliktforscher an der Universität Marburg, erklärte gegenüber watson noch vor der Einigung zwischen Israel und der Hamas, worauf es bei einem möglichen Friedensprozess ankommen wird. Ein zentraler Punkt für den Erfolg sei "das Aufbauen von Vertrauen" zwischen den Konfliktparteien.
Bonacker zufolge würden die Freilassung der Geiseln durch die Hamas sowie die Überstellung von Gefangenen aus israelischen Gefängnissen ein solcher Schritt sein, um "Vertrauen zu verstärken". Ebenso entscheidend sei die nachhaltige Einstellung der Kämpfe durch beide Seiten.
Der von Donald Trump vorgelegte Plan für den Friedensprozess sei zwar an vielen Stellen vage, dies sei jedoch typisch für derartige Initiativen. "Solche Pläne dienen vor allem dazu, Verhandlungen einzuleiten und beide Seiten an den Tisch zu bringen", erklärte Bonacker.
(mit Material der dpa)