
Einheiten der Polizei stehen am Sonntagabend vor einem zerstörten Geschäft in der Königstraße.Bild: dpa
Deutschland
22.06.2020, 06:3122.06.2020, 14:38
Die Glasscherben der zerstörten
Schaufenster dürften am Montag weggekehrt sein, doch damit ist der
Schaden nicht behoben: Die Aufarbeitung der Chaos-Nacht in Stuttgart
vom Wochenende fängt jetzt erst an.
24 Menschen wurden im Zuge der
Ausschreitungen in der Nacht zum Sonntag festgenommen, mindestens 19
Polizisten verletzt. Insgesamt sollen 400 bis 500 Menschen an den
Krawallen teilgenommen haben. Vielfach wurde am Sonntag die Frage
gestellt, wie es dazu kommen konnte – von Bürgern, Geschäftsinhabern,
aber auch von Politik und Polizei.
Was war der Auslöser?
Festzustehen scheint für die Polizei, dass die Randale nicht
politisch motiviert war. Es seien vielmehr Menschen aus der Party-
und Eventszene gewesen, die sich in den vergangenen Wochen immer
wieder in der Öffentlichkeit getroffen und sich in den sozialen
Medien mit ihrem Handeln inszeniert hätten. Allerdings noch nie in
diesem Ausmaß. Die Polizei hat Zeugen um Mithilfe bei den
Ermittlungen gebeten – zur Aufklärung benötige man Bilder und Videos
von den Straftaten und mutmaßlichen Tatverdächtigen.
Auslöser der Randale war offenbar eine Drogenkontrolle eines 17-Jährigen. Umgehend hätten sich 200 bis 300 Feiernde mit dem Verdächtigen solidarisiert und die Beamten mit Steinen und Flaschen angegriffen, sagte Polizeivizepräsident Thomas Berger am Sonntag in Stuttgart.
"Das muss die Stadt Stuttgart lösen"
"Wir werden mit allem, was uns der Rechtsstaat zur Verfügung
stellt, diese Randalierer verfolgen und sie zur Rechenschaft ziehen",
sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) am
Sonntagabend in den "Tagesthemen" der ARD. Er sah in den Ereignissen
eine Herausforderung für den Rechtsstaat.
Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) machte unter anderem
Geltungsbewusstsein in den sozialen Medien als Grund für die
Ausschreitungen aus – neben Alkoholkonsum. Nach den Worten von
Innenminister Strobl hat sich "die Szene im Schlossgarten" dort schon
seit Längerem festgesetzt. Er forderte ein Gesamtkonzept für die
Stadt Stuttgart und ein Maßnahmenbündel. "Das muss die Stadt
Stuttgart lösen", betonte der Minister.
Sven Hahn, Geschäftsführer der City-Initiative Stuttgart, einem
Verbund aus Händlern, Gastronomen, Hoteliers und Kulturbetrieben,
plädierte für eine umfassende Analyse. "Wir müssen genau schauen, was
passiert ist, wie es dazu kam und ob es dazu Aufrufe gab", sagte er
der Deutschen Presse-Agentur. Dann gelte es, sich mit Polizei und
Politik sinnvoll abzustimmen, um Lösungen zu finden. "Man tut nichts
Gutes, wenn man vorschnell den Finger auf jemanden richtet".
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will sich nach den Ausschreitungen in Stuttgart vor Ort ein Bild von der Lage machen. Dies teilte das baden-württembergische Innenministerium am Montag mit. Innenminister Thomas Strobl (CDU) werde Seehofer um 12 Uhr zu einem Gespräch in seinem Büro treffen. Ab 13 Uhr sei ein Termin vor Ort in der Innenstadt geplant.
Sondersitzung im Innenausschuss in Stuttgart
Gelegenheit zur Aufarbeitung soll eine Sondersitzung des
Innenausschusses am Mittwoch im Landtag geben. Dort will die
Opposition Innenminister Thomas Strobl (CDU) ausführlich zur
kriminellen Gewalt und zu Maßnahmen zum Schutz von Gesellschaft und
Polizei befragen. Die Polizei hat angekündigt, in den kommenden
Wochen mit verstärkten Kräften in Stuttgart unterwegs zu sein.
Aus der Bundespolitik kommen derweil Forderungen nach
Konsequenzen. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im
Bundestag, Mathias Middelberg, sagte der "Welt": "Das Entstehen
rechtsfreier Räume dürfen wir nicht zulassen."
Die innenpolitische
Sprecherin der grünen Bundestags-Fraktion, Irene Mihalic, sagte der
Zeitung: "Nun müssen akribisch alle Erkenntnisse zusammengetragen
werden, damit zügig geklärt werden kann, wer dahintersteckt und wie
es überhaupt dazu kommen konnte."
(ll/dpa)
Ich habe 'ne gute halbe Stunde mit ihr.