Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht bei ihrer Regierungserklärung zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Bundestag.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Deutschland
18.06.2020, 11:1518.06.2020, 11:18
Einen Tag vor dem EU-Gipfel hat
Bundeskanzlerin Angela Merkel mehr Zusammenhalt in Europa
angesichts der Corona-Pandemie angemahnt. Die EU befinde sich in
der größten Krise ihrer Geschichte, sagte Merkel am Donnerstag
in einer Regierungserklärung im Bundestag. Die Pandemie vertiefe
die sozialen Ungleichgewichte in Europa. Man müsse aufpassen,
dass bei der Bewältigung nun nicht die wirtschaftlichen
Unterschiede zementiert werden, weil dies den EU-Binnenmarkt
gefährde.
"Noch nie waren Zusammenhalt und Solidarität in Europa so wichtig wie heute."
Beim EU-Gipfel an diesem Freitag werde es aber noch keine
Entscheidung über den diskutierten europäischen
Wiederaufbaufonds geben, sondern nur den Austausch von
Positionen, sagte Merkel. Sie hatte bereits in der
Unions-Fraktionssitzung am Dienstag gesagt, dass sie mit einer
Einigung erst bei einem Treffen der 27 EU-Staats- und
Regierungschefs im Juli rechne. Merkel verteidigte den
deutsch-französischen Vorschlag für ein
500-Milliarden-Euro-Programm zum Wiederaufbau, mit dem Zuschüsse
an besonders von der Coronakrise betroffenen Staaten gezahlt
werden sollen. "Denn Europa braucht uns, so wie wir Europa
brauchen." Die Krise treffe alle Länder "unverschuldet und
unvorbereitet".
Merkel äußerte auch Selbstkritik zum Vorgehen Deutschlands
in der Pandemie. "Die ersten Reflexe, auch unser eigenen, waren
eher national, nicht durchgehend europäisch. Das war (...) vor
allem unvernünftig", sagte sie in Anspielung etwa auf
vorübergehende Exportbeschränkungen für medizinische
Schutzausrüstung. "Denn eine globale Pandemie verlangt
gemeinsames internationales Handel."
Merkel will Europa wieder stark machen
Die EU müsse bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise darauf
achten, sich gleichzeitig für die Zukunft aufzustellen. Andere
Staaten außerhalb Europas reagierten "entschlossen und robust".
Die EU müsse dies ebenfalls tun und vor allem in
Zukunftsbereiche wie Klima und Digitalisierung investieren. "Wir
müssen Europa gleichzeitig widerstandsfähiger und
zukunftsfähiger machen", sagte Merkel.
Ausdrücklich sprach sie sich zudem für einen stärkere Rolle
der EU in der internationalen Politik aus und nannte China einen
"strategischen Partner". Der abgesagte EU-China-Gipfel in
Leipzig müsse nachgeholt werden. "Europa wird nur
wachsen und gedeihen, wenn wir die ganze Kraft darauf richten,
was noch aus Europa werden kann", ergänzte die Kanzlerin mit
Blick auf angestrebte Reformen wie einen EU-Sicherheitsrat, die
Reform des Wettbewerbsrechts und die Weiterentwicklung des
Schengen-Raums.
Die Opposition äußerte Kritik. AfD-Fraktionschefin Alice
Weidel lehnte die geplanten höheren deutschen Überweisungen an
den EU-Haushalt in Brüssel ab. "Wir haben in dieser Situation
keine Milliarden zu verschenken", sagte sie. FDP-Chef Christian
Lindner forderte, dass neue Hilfsprogramme an konkrete Vorhaben
geknüpft werden. Man dürfe Strukturdefizite nicht erneut mit
Geld zuzuschütten. "Sonst wird aus einer Bazooka mit Wumms nur
eine Gießkanne", sagte er in Anspielung auf eine Äußerung von
Finanzminister Olaf Scholz. "Wir müssen die EU umbauen zu einer
echten Solidarunion", forderte dagegen der SPD-Europapolitiker
Martin Schulz.
(lin/rtr)
Anmerkung der Redaktion inklusive Richtigstellung: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir behauptet, der hier formulierte Urteilsspruch würde eine Frau betreffen, die sich gegenüber Medien als Betroffene zum MeToo-Skandal bei der Linken geäußert hatte. Das war inhaltlich falsch. Wir bedauern den Fehler und haben die entsprechenden Passagen korrigiert bzw. entfernt. Richtig ist: Verurteilt wurde eine Frau, die sich als Reaktion auf die damaligen Medienberichte auf Social Media zu dem Fall äußerte.