Bundesinnenminister Horst Seehofer mischt sich in den Streit um eine Zeitungskolumne ein. Bild: Geisler-Fotopress / Michael Kremer/Geisler-Fotopress
Deutschland
22.06.2020, 06:2322.06.2020, 08:55
Bundesinnenminister Horst Seehofer will wegen
einer umstrittenen Kolumne über die Polizei in der "Taz" Strafanzeige
stellen.
"Ich werde morgen als Bundesinnenminister Strafanzeige gegen
die Kolumnistin wegen des unsäglichen Artikels in der "Taz" über die
Polizei stellen", sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung am
Sonntagabend. "Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer
Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen, genauso wie wir es jetzt
in Stuttgart gesehen haben. Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen."
Seehofers Anküdnigung sorgte für viel Kritik in den sozialen Netzwerken. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, schrieb auf Twitter: "Das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit, unabhängig ob man den Meinungsbeitrag gut oder schlecht findet." Mit Blick auf den ungarischen Ministerpräsidenten und den Chef der polnischen Regierungspartei, denen jeweils Illiberalismus vorgeworfen wird, fügte er hinzu: "Ein Innenminister, der eine Journalistin anzeigt, klingt nach Orban oder Kaczynski."
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz äußerte Verständnis für Kritik an der Kolumne der Zeitung "Taz". Aber Seehofer "überschreitet eine Grenze", schrieb Notz. Seine Fraktionskollegin Renate Künast nannte Seehofers Vorgehen dort "ungeheuerlich" und fragte: "Das soll eine Botschaft sein!? Gegen Pressefreiheit!? Seehofer am Ende."
Fernseh-Satiriker Jan Böhmermann nannte Seehofer "senil" und schrieb: "Wir sind hier nicht in der Türkei, in Russland oder im Jahr 1962!"
Der Chefredakteur der "Welt"-Gruppe, Ulf Poschardt, sieht das eigentliche Problem aber nicht bei Seehofer: "Wie gerne hätte der Elfenbeinturm jetzt, dass sich alle über Seehofer empören anstatt über das "Taz"-Elend oder die rechtsfreien Räume in Stuttgart. Mal sehen, ob's klappt, twitterte er.
"Taz"-Kolumnistin setzt Polizisten mit Abfall gleich
Am vergangenen Montag war der Text einer "Taz"-Mitarbeiterin in
der Tageszeitung erschienen. Es ging darum, wo Polizisten arbeiten
könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber
nicht. Es gebe nur eine geeignete Option, schrieb die Kolumnistin: die Mülldeponie, wo Polizisten dann "nur von Abfall umgeben" wären. "Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."
Aus
der Berufsgruppe heraus und von Politikern kam danach viel Kritik.
Polizeigewerkschaften kündigten an, mit Strafanzeigen dagegen
vorzugehen. Beim Deutschen Presserat – die freiwillige
Selbstkontrolle der Presse – gingen bereits bis Dienstag rund 50
Beschwerden ein.
"Taz"-Chefredakteurin Barbara Junge hatte zuletzt wegen der
Kolumne ihr Bedauern geäußert. Junge schrieb in der Zeitung an die Leserinnen und Leser über den Artikel: "Eine Kolumne, so
satirisch sie auch gemeint gewesen sein mag, die so verstanden werden
kann, als seien Polizisten nichts als Abfall, ist daneben gegangen.
Das tut mir leid."
Zudem schrieb Junge, das Ringen in der Redaktion über den Text
und darüber, was gesagt werden soll, darf und muss, lege aber auch
"einen tieferen Konflikt in der "taz" offen. "Wir streiten darum,
wie stark der subjektive Blick, wie stark Diskriminierungserfahrung
den Journalismus prägen soll oder darf." Die Chefredakteurin des
Blattes mit Sitz in Berlin kündigte zudem an, dass es
Debattenbeiträge mit unterschiedlichen Perspektiven in der Zeitung
geben werde.
(ll/pcl/dpa)
Im Bundestag sind Veränderungen zu sehen, vielleicht nicht unbedingt in Form großer realpolitischer Entscheidungen, dafür aber in Sachen Vielfalt. Der Frauenanteil ist in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen und mitunter gibt es auch ein paar Abgeordnete, die aus jüngeren Generationen stammen.