Den Soli gibt es bald nicht mehr – zumindest für die meisten von uns.picture alliance/Bildagentur-online/Ohde
Deutschland
Der Bundestag hat die größte Steuerentlastung der vergangenen Jahre beschlossen. Nur die Spitzenverdiener sollen noch Solidaritätszuschlag zahlen. Doch vielen reicht das nicht.
14.11.2019, 11:0514.11.2019, 11:13
Die meisten Bundesbürger müssen ab 2021 keinen
Solidaritätszuschlag mehr zahlen. Die Abgabe wird für rund 90 Prozent
der Zahler abgeschafft, wie der Bundestag am Donnerstag beschloss.
- Weitere 6,5 Prozent sollen ihn noch teilweise entrichten, je höher das Einkommen, desto mehr.
- Nur die reichsten 3,5 Prozent werden weiterhin voll zur Kasse gebeten.
Der Abbau sei möglich, weil die
Deutsche Einheit weit vorangekommen sei, sagte Finanzminister Olaf
Scholz (SPD) in Berlin. Die weitgehende Reduzierung sei "auch ein
Zeichen des Erfolges des Zusammenwachsens in Deutschland".
Der Soli war als Sondersteuer vor allem für den Aufbau
Ostdeutschlands nach der Wende eingeführt worden. Er beträgt 5,5
Prozent der Körperschaft- und Einkommensteuer, insgesamt brachte er
dem Staat im vergangenen Jahr 18,9 Milliarden Euro ein. Durch den
Teil-Abbau nimmt der Bund ab 2021 rund 10,9 Milliarden Euro weniger
ein.
Ab welchem Einkommen künftig noch Soli fällig wird, kann man nur
ungefähr sagen, da es bei der Einkommensteuer unterschiedliche
Freibeträge etwa für Kinder oder verheiratete Paare gibt.
"Größte Steuerentlastung seit vielen Jahren"
Laut
Finanzministerium wird eine Familie mit zwei Kindern in etwa bis zu
einem Jahresbruttolohn von 151.000 Euro voll entlastet, Singles bis
zu einem Jahresbruttolohn von rund 73.000 Euro. Besonders
Steuerzahler mit mittleren Einkommen profitieren.
Der CDU-Abgeordnete Olav Gutting sprach in der Debatte von der
"größten Steuerentlastung seit vielen, vielen Jahren". Die Streichung
erfolge ohne jegliche Gegenfinanzierung, es werde nicht versteckt an
anderer Stelle erhöht. Nach Ansicht der Union ist die
Teil-Abschaffung aber nur ein erster Schritt hin zu einer
vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags in der nächsten
Legislaturperiode.
Dies sei eine Frage der politischen
Glaubwürdigkeit. "Dieser Frage muss sich auch der Koalitionspartner
stellen", sagte Gutting.
Warum hohe Einkommen weiter zahlen müssen
Scholz verteidigte, dass die Spitzenverdiener weiter zahlen müssen.
Eine Entlastung hoher Einkommen wäre nicht gerecht, sagte er.
Steuerzahler mit hohen und sehr hohen Einkommen müssten dazu
beitragen, dass öffentliche Aufgaben finanziert werden könnten.
Eine
vollständige Abschaffung auch für die einkommensstärksten zehn
Prozent der Bevölkerung würde laut Finanzministerium zusätzlich fast
11 Milliarden Euro kosten.
Die SPD-Abgeordnete Wiebke Esdar sagte, Spitzenverdiener wie
Topmanager würden zu Recht nicht entlastet. VW-Chef Herbert Diess
verdiene 127 mal so viel wie die VW-Beschäftigten.
Dagegen
profitierten von der weitgehenden Soli-Abschaffung Berufsgruppen wie
Dachdecker, Gärtner, Kranken- und Altenpfleger, Busfahrer und
Erzieher: "Es ist ein Gesetz für die vielen, nicht für die wenigen."
Opposition unzufrieden
Der AfD-Politiker Stefan Keuter dagegen sagte, er könne jeden Bürger
nur ermuntern, dagegen zu klagen. Der Soli müsse für alle wegfallen.
Sein Fraktionskollege Kay Gottschalk sprach von einer "verdeckten
Vermögensteuer". FDP-Fraktionsvize Christian Dürr kritisierte, der
Mittelstand werde nicht entlastet - und das in einem
Konjunkturabschwung. Die Union tue stattdessen alles dafür, dass
Scholz SPD-Vorsitzender werde.
Grüne und Linke kritisierten, viele hätten gar nichts von der
weitgehenden Soli-Abschaffung, weil sie so wenig verdienten, dass sie
den Soli gar nicht zahlten. Den Garderobe-Frauen im Bundestag bringe
die Entlastung nichts.
Die Grünen-Politikerin Lisa Paus forderte, die
Teilabschaffung des Solis müsse mit einer Reform der Einkommensteuer
sowie einem höheren Spitzensteuersatz verbunden werden.
(pcl/dpa)
Rolf Mützenich ist der Fraktionschef der SPD. In zahlreichen Debatten spricht er für seine Partei im Bundestag. Mützenich ist bekannt für seine Friedenspolitik, gleichzeitig half er aber auch bei der Durchsetzung des Sondervermögens für die Bundeswehr.