Er fordert, sie delegiert. Auch nach dem Parteitag bleibt die Wahl zwischen CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrem unterlegenen Herausforderer Friedrich Merz angespannt.Bild: getty-montage
Deutschland
Nach 18 Jahren Merkel findet die erste CDU-Jahresauftakt-Klausur
mit der neuen Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer statt. Es soll ein Arbeitstreffen werden –
und ein weiteres Signal der Einigkeit mit der CSU.
Von einer Mini-Merkel ist längst keine Rede mehr.
Fünf Wochen sind es erst her, dass der Hamburger Parteitag Annegret
Kramp-Karrenbauer knapp zur neuen Vorsitzenden und damit nach 18
Jahren Angela Merkel zur neuen mächtigen Frau der CDU gewählt hat.
Doch seither hat sich in der Union schon einiges geändert.
Die
künftigen Aufgaben ihres unterlegenen Widersachers Friedrich Merz
sind geregelt – mehr oder minder jedenfalls. Und auch der quälende
Dauerstreit zwischen CDU und CSU scheint beendet, vorerst zumindest.
Nun startet die CDU-Spitze erstmals unter Führung Kramp-Karrenbauers
ins neue Jahr. Zwar sind die internen Kritiker, die lieber den
Sauerländer Merz an der Spitze gesehen hätten, leiser geworden. Doch
AKK, wie Kramp-Karrenbauer sich auch selbst gerne nennt, wird sich
kaum täuschen lassen. 2019 wird ein knallhartes Jahr für sie. Es wird
das Jahr, in dem sie ihre Meisterstücke abliefern muss.
Kramp-Karrenbauer wird nicht nur daran gemessen werden, wie sie die
Einbindung der enttäuschten Fans des Kanzlerinnen-Kritikers Merz
schafft.
Die großen Herausforderungen kommen mit den Wahlen
Die Europawahl ist am 26. Mai. Im Herbst sind wichtige Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg am 1. September sowie in Thüringen am 27. Oktober.
Kann AKK der angesichts von Wahlpleiten und miesen Umfragen
verunsicherten Partei soviel Kampfesmut einimpfen, dass die Wahlen
nicht wieder zum Desaster werden? Viel wird davon abhängen, ob die
CDU mit Kramp-Karrenbauer das vollbringt, was auch Merz versprochen
hatte: Der AfD eine große Zahl der aus Enttäuschung zu den
Rechtspopulisten übergelaufenen Wähler wieder abzujagen.
Bild: imago stock&people
Die CDU-Vorstandsklausur in Potsdam soll dazu bis diesen Montag den
Startschuss geben – mehr nicht. Umfangreiche theoretische Manifeste
seien nicht geplant, soviel war schon vorher zu hören. Es gehe um
eine Arbeitsklausur. Nach einem eher kurzen Rückblick auf die
verkorksten eineinhalb Jahre nach der Bundestagswahl 2017 soll vor
allem die Planung für die nächsten Monate festgezurrt werden.
"Werkstattgespräch" zur Migrationspolitik
Auch über das Wann, Wie und mit Wem des "Werkstattgesprächs" zur
Migrationspolitik, das Kramp-Karrenbauer schon im vergangenen Jahr
angekündigt hatte und das im Februar stattfinden soll, will die
CDU-Spitze sprechen. Gerade der Umgang mit der so umstrittenen
Migrationspolitik Merkels dürfte eine Art Reifeprüfung für die neue
Chefin werden: Sie muss den Spagat hinbekommen, sich nicht zu stark
von ihrer Fördererin Merkel zu distanzieren – aber doch deutlich
genug, um den Dauerstreit mit der CSU zu befrieden und das Gemurre in
den eigenen Reihen endlich zu beenden.
Andrea Nahles (l.) mit Annegret Kramp-Karrenbauer beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten am 10. Januar in Berlin.Bild: imago stock&people
Im Fokus der Klausur steht die Europawahl. Schon lange ist klar, dass
sie für alle Parteien der Knackpunkt in diesem Jahr sein wird, dem
sich fast alles unterzuordnen hat. Ein dramatisch schlechtes Ergebnis
für die SPD etwa könnte erneut die Koalition ins Schleudern bringen –
Regierungswechsel oder vorgezogene Neuwahl nicht ausgeschlossen. Auch
hier steht Kramp-Karrenbauer vor einem Spagat: Gemeinsam mit der
angeschlagenen SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles muss sie
dafür sorgen, dass die Koalition nicht vorschnell kippt.
Europawahl schweißt Union zusammen
Die Europawahl ist aber auch das Thema, das CDU und CSU derzeit
zusammenschweißt wie lange nichts mehr. Gemeinsam wollen die
schwarzen Schwestern aus dem Tief - auch deswegen ist der Streit
gerade vorbei, der die Unionsgemeinschaft vergangenen Sommer in der
Migrationspolitik beinahe gesprengt hätte.
Die CSU hat sich schon bei ihrer Jahresauftaktklausur im bayerischen
Kloster Seeon vor einer Woche ungewohnt konziliant gezeigt. Selbst
der als harter Hund und gelegentlicher Scharfmacher bekannte
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte einen fast schon
beängstigenden Schmusekurs gegenüber Kramp-Karrenbauer eingeschlagen.
EVP-Vize nach Potsdam eingeladen
Die CDU-Chefin hat nun für diesen Montag CSU-Vize Manfred Weber nach
Potsdam eingeladen, den Spitzenkandidaten der konservativen
Europäischen Volkspartei (EVP). In einem am Samstag ins Internet
gestellten Video zeigen beide traute Eintracht. Weber beteuert:
"Kämpfen werden wir!"
CSU-Vize und Spitzenkandidat der EVP: Manfred Weber.Bild: imago stock&people
Dafür, dass sie sich in CDU und CSU nicht mehr vor allem selbst
bekämpfen, wird in der Union auch der Personalwechsel an den Spitzen
verantwortlich gemacht. Während das Tischtuch zwischen Merkel und dem
nur noch bis nächsten Samstag amtierenden CSU-Chef Horst Seehofer
wegen der Migrationspolitik der Kanzlerin zerschnitten war, hat vom
19. Januar an auch bei der CSU ein neuer Chef das Sagen.
So viel Einigkeit wie lange nicht mehr
Anders als Seehofer sei der bayerische Ministerpräsident und
designierte CSU-Chef Markus Söder kein Rechthaber – er schaue vor
allem darauf, was bei den Bürgern und seinen Wählern ankomme, heißt
es in der CDU. Und dazu gehöre mit Sicherheit kein Dauerstreit in den
eigenen Reihen. Auch deshalb werden Kramp-Karrenbauer und der neue
Generalsekretär Paul Ziemiak zum CSU-Parteitag in München am Samstag
reisen, wo Söder zum Seehofer-Nachfolger gewählt werden soll. Soviel
Einigkeit in der Union war lange nicht mehr.
Neuer Generalsekretär: Paul Ziemiak.Bild: imago stock&people
Da halten sich vorerst selbst jene in der CDU zurück, die lieber Merz
als AKK an der Parteispitze gesehen hätten. Zumal Kramp-Karrenbauer –
Timing ist in der Politik oft die halbe Miete – kurz vor der Klausur
zumindest offiziell den Zwist über dessen Verwendung beenden konnte.
Merz, der sich das Kanzleramt zutraut und sich als Minister ins
Gespräch gebracht hatte, soll einem Beraterkreis der CDU zur sozialen
Marktwirtschaft angehören, am neuen Grundsatzprogramm mitwirken und
die "Zukunft der transatlantischen Beziehungen" begleiten.
AKK: Debatten über Kanzlerkandidatur "überflüssig"
In der CDU wird in Richtung von Merz und dessen Anhängern hinter
vorgehaltener Hand schon gewarnt, er solle den Bogen nicht
überspannen. In der Unionsfraktion seien manche ziemlich genervt,
dass man sich immer noch mit den Befindlichkeiten von Merz
auseinandersetzen müsse, heißt es.
Dass Kramp-Karrenbauer ziemlich genau weiß, wie die Mechanismen der
Macht funktionieren, zeigt sie nur ein paar Stunden vor dem Treffen
in Potsdam. Da warnt sie in der "Welt am Sonntag", Debatten über die
Kanzlerkandidatur der CDU seien "völlig überflüssig. Wir haben eine
Kanzlerin." Um dann hinterherzuschieben, es sei ja traditionell das
Recht des Parteichefs, den Kanzlerkandidaten vorzuschlagen: "Das galt
für alle Vorsitzende der CDU und das wird auch für mich gelten."
(as/dpa)
In der SPD tobt derzeit die K-Frage, die Diskussion über den nächsten Kanzlerkandidaten. Kanzler Olaf Scholz zeigt sich entschlossen, erneut anzutreten. Doch die Umfragen sprechen eine andere Sprache, zumindest zum aktuellen Zeitpunkt.