Die Website Wahlbeobachtung.de macht auf den ersten, schnellen Blick einen seriösen, beinahe offiziellen Eindruck. Ganz oben heißt es dort: "Jeder Bürger kann helfen, die Demokratie in Deutschland zu stärken und Betrug am Wähler unmöglich zu machen." Daneben werden die demnächst anstehenden Wahltermine angekündigt: Europa, Bremer Bürgerschaft und die Kommunalwahlen in Sachsen. Die Seite gehört jedoch nicht zu einer politisch neutralen Institution, sondern zu dem rechtsextremen Verein "Ein Prozent".
Vor allem zur Europawahl rufen die rechtsextremen Aktivisten gemeinsam mit Teilen der AfD zur Wahlbeobachtung auf. Angeblich sollen dadurch Wahlmanipulationen verhindert werden. Tatsächlich geht es jedoch um etwas anderes: Das Vertrauen in demokratische Prozesse soll untergraben werden.
Der Verein wolle eine Art "Greenpeace für Deutsche" sein, sagte einer seiner Gründer, der neurechte Verleger Götz Kubitschek, einst. Mittlerweile gehört "Ein Prozent" zu den wichtigsten Akteuren der neurechten Szene in Deutschland. Er ist ein Bindeglied zwischen der AfD, der Identitären Bewegung und rechtsextremen Straßenprotesten.
Der Verein sei "gleichzeitig PR-Agentur rechter Kampagnen, Plattform zur Vernetzung fremdenfeindlicher Proteste sowie Crowdfunding-Portal für Aktionen der Identitären", schreiben die Journalisten Christian Fuchs und Paul Middelhoff in ihrem Buch "Das Netzwerk der Neuen Rechten". Gestartet ist "Ein Prozent" mit einer (schnell gescheiterten) Verfassungsbeschwerde über die Migrationspolitik der Bundesregierung. Später kündigten die Aktivisten die Gründung einer "patriotischen Gewerkschaft" an. Bei Betriebsratswahlen im vergangenen Jahr scheiterte auch dieses Projekt. Trotzdem hatte der Verein es geschafft, für Wirbel zu sorgen. Die Gewerkschaften machten sich Sorgen über die rechtsextreme vermeintliche Konkurrenz.
Ähnlich wie den Identitären, mit denen "Ein Prozent" eng verbandelt ist, gelang es dem Verein bereits mehrfach, mit einem kleinen Haufen an rechten Aktivisten große Aufmerksamkeit zu erheischen und eine breite Bewegung vorzutäuschen.
Bei der Wahlbeobachtung konzentriert sich der Verein auf die Städte Cottbus und Dresden. Auf einer Online-Karte können sich Interessenten dort für die Beobachtung in einzelnen Wahllokalen eintragen. In 20 von über 200 Wahllokalen in den beiden Städten sind die "Beobachtungsposten" laut Angaben von "Ein Prozent" bislang voll besetzt. Überprüfen lässt sich das nicht.
Wenn man den rechtsextremen Aktivisten Glauben schenkt, dann wollen sie dort Wahlbetrug entgegen wirken und eine faire Wahl sicherstellen. Auch zwei AfD-Politiker werben für die Aktion. In einem Video erklärt der brandenburgische AfD-Vorsitzende Andreas Kalbitz:
In einem weiteren Video zieht der AfD-Europakandidat Maximilian Krah einen direkten Vergleich zu den Wahlen in der späten DDR: "Mit Filzstift und Lineal gehen wir zur Wahl", sei 1989 das Motto gewesen um eine Verfälschung der Stimmen zu verhindern. Heute gebe es dafür die Kampagne von "Ein Prozent".
Die AfD-Politiker zeichnen ein Bild von Deutschland, das an autoritäre Regime und Scheindemokratien erinnert. Mit der Realität hat das jedoch nichts zu tun, wie Experten erklären.
Der oberste Wächter über Bundestags- und Europawahlen in Deutschland ist der Bundeswahlleiter. Dessen Mitarbeiter Bastian Stemmer sagt:
Dafür gebe es zu viele Vorkehrungen, die sicherstellen, dass die Wahl ordnungsgemäß abläuft:
Der Politikwissenschaftsprofessor Kai Arzheimer von der Universität Mainz hält die Vorstellung, dass es in Deutschland Wahlmanipulationen gebe, gar für unsinnig. "Das an den Universitäten Harvard und Sydney angesiedelte internationale Election Integrity Project hat die Bundestagswahl 2017 mit einem Score von 81 (auf einer Skala von 0-100) bewertet", erklärt er. Das sei der fünfthöchste Wert weltweit.
Es spreche natürlich nichts dagegen, bei der Stimmauszählung dabei zu sein. "Diese ist in Deutschland grundsätzlich öffentlich." Für rechtsextreme Initiativen wie "Ein Prozent" und die AfD gehe es jedoch um etwas anderes, als den Schutz der demokratischen Prozesse, wie Kai Arzheimer erklärt.
Ganz nebenbei könne auf diese Weise hinterher auch noch das vielleicht enttäuschende Ergebnis der eigenen Kandidaten schöngeredet werden.