Bürgergeld-Pläne von Merz und Bas: Opposition platzt der Kragen
"Das Bürgergeld ist jetzt Geschichte." Natürlich war es mal wieder CSU-Chef Markus Söder, der die Entscheidung der Bundesregierung am griffigsten ausdrückte. Am Donnerstag stellte er mit Kanzler Friedrich Merz, SPD-Chefin und Arbeitsministerin Bärbel Bas und SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil die neue Grundsicherung vor, auf die sich die Regierung in der Nacht zuvor geeinigt hatte.
Die Reform sieht unter anderem die Streichung aller Bezüge für Arbeitslose vor, die wiederholt Jobangebote ablehnen. Kern der neuen Regelungen ist eine härtere Gangart gegenüber sogenannten Totalverweigerern. Timon Dzienus, Bundestagsabgeordneter der Grünen, nennt dieses Vorgehen gar "Mobbing gegen Arme" und spricht gegenüber watson von einem "Sanktionsfetisch der Union".
Während die Union ein zentrales Wahlversprechen umsetzt, stimmt die SPD einer teilweisen Rücknahme ihrer eigenen Bürgergeldreform von 2022 zu. Dzienus empfindet diese Rolle der SPD als "bitter". Cansin Köktürk, sozialpolitische Sprecherin der Linken, findet ebenfalls, dass die Maßnahmen alles andere als sozial sind:
Bürgergeld: Trifft die Reform die Falschen? Das ist geplant
Dzienus adressiert seine Kritik vor allem an den Kanzler. Er spricht von einer "Methode Merz": "Angst verbreiten, statt Mut machen." Merz hatte zuvor erklärt, wer arbeiten könne, "aber nicht will", dürfe nicht "auf Kosten der Allgemeinheit" leben. Er meinte jedoch, die Maßnahmen stärkten die soziale Gerechtigkeit.
Arbeitsministerin Bas verteidigte die Einigung ebenfalls und betonte, dass die Unterstützung für Bedürftige weiterhin im Fokus stehe: "Wir wollen die unterstützen, die Hilfe brauchen."
Genau das bezweifelt Köktürk. In einem Statement, das watson vorliegt, weist sie auf ihre Erfahrung als Sozialarbeiterin hin und prognostiziert: "Diese Politik wird genau jene treffen, die ohnehin schon jeden Tag ums Überleben kämpfen und viele von ihnen endgültig brechen."
Das neue Gesetz soll Arbeitsverweigerern das Bürgergeld vollständig streichen. Auch sieht es schwere Sanktionen für Personen vor, die ohne triftigen Grund Termine im Jobcenter versäumen. Nach dem zweiten verpassten Termin sollen die Leistungen um 30 Prozent gekürzt werden, bereits beim dritten Fernbleiben sollen die Leistungen komplett gestrichen werden.
Köktürk zufolge könne das in der Realität dazu führen, dass "eine alleinerziehende Mutter, die keinen Kitaplatz findet und zweimal den Bus verpasst auf dem Weg zum Jobcenter" massiv bestraft wird und "ohne finanzielle Perspektive bis zum Monatsende" dasteht.
Kommt man auch im Monat darauf nicht, soll laut den neuen Regeln auch die Unterstützung zur Unterkunft gestrichen werden. Schwerwiegende Gründe wie Krankheit sollen der Bundesregierung zufolge mildernd berücksichtigt werden.
Bürgergeld-Reform laut Linke verfassungswidrig
Köktürk und Dzienus geht es aber auch um ein rechtliches Problem. Das Bundesverfassungsgericht hatte in früheren Urteilen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum betont. Die Linken-Abgeordnete wirft der Bundesregierung daher "einen blanken Verfassungsbruch" vor, auch der Grünen-Politiker hält die Maßnahmen für "möglicherweise verfassungswidrig".
In jedem Fall finden beide, dass die Reform an der Realität vorbeigeht, Dzienus attestiert einen "völlig falschen Weg":
Die zwei Sozialpolitiker:innen befürchten obendrein, dass mit den Totalsanktionen auch Menschen in die Wohnungs- und Obdachlosigkeit gedrängt werden – auch "die 1,8 Millionen Kinder im Bürgergeld", wie Dzienus deutlich macht.
Neben besserer Qualifizierung hat Köktürk einen weiteren Alternativvorschlag: "Wenn die Bundesregierung wirklich echte Sicherheit schaffen will, dann probieren Sie doch mal etwas radikal Neues: Reden Sie mit den Menschen, die es wirklich betrifft."
(mit Material von afp und dpa)