Gerold Otten beim "Trauermarsch" in Chemnitz.Bild: imago/bearbeitung: watson
Deutschland
11.04.2019, 16:0211.04.2019, 16:15
Die AfD hat am Donnerstag erneut einen Politiker aus ihren Reihen für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten ins Rennen geschickt: Gerold Otten. Die Partei scheiterte aber auch mit ihrem neuen Kandidaten. Auf Otten entfielen bei der Abstimmung am Donnerstag im Bundestag 210 Ja-Stimmen, 393 Nein-Stimmen und 31 Enthaltungen.
Erst in der vergangenen Woche hatte die AfD-Politikerin Mariana Harder-Kühnel keine Mehrheit bekommen.
Otten steht unter anderem in der Kritik, weil er im September 2018 gemeinsam mit Neonazis in Chemnitz auf die Straße ging.
In der Regel ist die Wahl zum Bundestags-Vize eine Formsache. Jede im Parlament vertretene Fraktion stellt einen Stellvertreter des Bundestagspräsidenten. So sieht es die Geschäftsordnung des Bundestags vor. Dieser Stellvertreter muss jedoch gewählt werden. Hält die Mehrheit der Abgeordneten einen Kandidaten nicht für geeignet, bleibt der Fraktion nur, einen neuen Kandidaten aufzustellen.
Die AfD-Kandidaten fielen bisher durch.
- Otten ist bereits der dritte AfD-Kandidat, der durchfällt. Die Partei hatte zunächst den Abgeordneten Albrecht Glaser ins Rennen geschickt. Er scheiterte in drei Wahlgängen.
- Auch Alternativkandidatin Harder-Kühnel scheiterte in der vergangenen Woche bereits zum dritten Mal.
Die Parlamentsgeschäftsführer der Fraktionen hatten sich dann am Dienstag darauf geeinigt, für Donnerstag einen neuen Wahlgang anzusetzen.
Wer ist AfD-Mann Gerold Otten?
Der neue Kandidat Otten ist seit März 2013 Mitglied der AfD, seit 2017 sitzt er für sie im Bundestag. Dort ist er Mitglied im Verteidigungsausschuss und stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss. Vor seiner politischen Laufbahn war er 22 Jahre bei der Bundeswehr, zuletzt als Berufsoffizier. Er gehört dem Landesverband Bayern an.
Seit der Verkündung Ottens als Bundestagsvize-Kandidat blicken Kritiker vor allem auf den 1. September 2018 zurück. Nachdem der 35-jährige Daniel Hillig in Chemnitz erstochen wurde, hielten rechtsextreme Proteste und Ausschreitungen die Stadt tagelang in Atem.
Chemnitz: watson-Reporter Felix Huesmann berichtete damals vor Ort
Video: watson/Felix Huesmann, Lia Haubner
Nachdem es bereits am Tag nach der Tat zu Hetzjagden auf Migranten in der Chemnitzer Innenstadt kam, fanden in den darauffolgenden Tagen mehrere Demonstrationen statt. Eine dieser Demonstrationen wurde von der AfD veranstaltet – als sogenannter Trauermarsch.
In der ersten Reihe der Demonstration liefen AfD-Politiker und Pegida-Organisatoren, dahinter unter anderem gewaltbereite Rechtsextremisten und Hooligans. Journalisten wurden aus der Demonstration heraus angegriffen.
Auch Gerold Otten lief an der Spitze der Demo, neben den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und Andreas Kalbitz und dem Pegida-Vizechef Siegfried Däbritz. Der "Trauermarsch" wurde im Nachhinein als Schulterschluss der AfD mit gewalttätigen Rechtsextremen bewertet. Recherchen des WDR-Magazins Monitor zeigten: Das "Who's Who der Neonazi-Szene war dort versammelt.
Heute distanziert sich Gerold Otten nur halbherzig von der rechtsextremen Demo. Der Bayerische Rundfunk zitiert ihn mit den Worten:
"In der Rückschau hätte ich das anders organisiert. Da hätte man sicherlich anders vorgehen können, ganz klar."
Gerold OttenBR
Auch vom völksichen Flügel der Partei distanziere sich Otten nicht, schreibt der BR.
Die AfD hat auch Kandidaten für Bundesstiftungen aufgestellt
Am Donnerstag geht es nicht nur um die Wahl eines Bundestagsvizepräsidenten aus der AfD-Fraktion. Die Partei hat außerdem Kandidaten zur Wahl in die Kuratorien der "Bundesstiftung Magnus Hirschfeld" und der "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas". Beides hat einer Mehrheit des Bundestages bislang ebenfalls blockiert. Die Hirschfeld-Stiftung setzt sich für die Erinnerung an den Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld und gegen LGBTI-Feindlichkeit in Deutschland ein. Als Kandidaten hat die AfD die Abgeordneten Nicole Höchst und Petr Bystron vorgeschlagen. Höchst war in der Vergangenheit mehrfach durch homophobe Äußerungen aufgefallen. Als Kuratoriumsmitglied für die Stiftung des Holocaustmahnmals in Berlin schlägt die AfD nun Uwe Witt vor.
(fh/dpa/afp)
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Video: watson
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