"Mit seiner Ablehnung macht Seehofer sich mitverantwortlich an dem unmenschlichen Leid an Europas Haustür", kritisierte Claudia Roth.Bild: imago images / Christian Ditsch
Deutschland
Im Streit um die Aufnahme von Migranten aus
dem abgebrannten griechischen Lager Moria greift
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth Bundesinnenminister Horst
Seehofer (CSU) scharf an. "Die Ankündigung von Horst Seehofer, nur
zwischen 100 und 150 Minderjährige aus Moria in Deutschland
aufzunehmen, ist ein Totalversagen des Innenministers", sagte die
Grünen-Politikerin der "Augsburger Allgemeinen". Die Zusage
entspreche nur einem Bruchteil der Angebote zur Aufnahme von fast 180
Kommunen und mehrerer Bundesländer. "Mit seiner Ablehnung macht
Seehofer sich mitverantwortlich an dem unmenschlichen Leid an Europas
Haustür", kritisierte Roth.
Nun sei Regierungschefin Angela Merkel am Zug. "Ich erwarte von
der Bundeskanzlerin, dass sie von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch
macht und eine großzügige Aufnahme in Deutschland ermöglicht." Wenn
andere EU-Mitgliedsstaaten mitmachen, wäre das ein gutes Zeichen,
sagte Roth. Die Bundesrepublik müsse aber jetzt den ersten beherzten
Schritt wagen.
Seehofer spricht von "erstem Schritt"
Die Bundesregierung arbeitet nach den Worten Seehofers bereits
daran, zügig weitere Migranten aus Moria aufzunehmen. "Ich lege
persönlich sehr großen Wert darauf, dass wir eine rasche Lösung für
Familien mit Kindern finden. Die Aufnahme der 400 unbegleiteten
Minderjährigen ist nur der erste Schritt. Der zweite Schritt wird
folgen", hatte der CSU-Politiker am Freitagabend in Berlin erklärt.
Vormittags hatte Seehofer mitgeteilt, dass sich zehn europäische
Staaten an der Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen
beteiligen. Ein Großteil - je 100 bis 150 - werde von Deutschland und
Frankreich aufgenommen.
Das Lager Moria war in der Nacht zum Mittwoch bei mehreren
zeitgleichen Bränden fast vollständig zerstört worden. Statt der
vorgesehenen knapp 3000 Migranten waren dort mehr als 12 000 Menschen
untergebracht. Einige der Migranten sollen Feuer gelegt haben,
nachdem für die Bewohner des Lagers wegen Corona-Infektionen
Quarantäne verordnet worden war.
(hau/dpa)
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