Die SPD will in eine neue Zeit.Bild: picture alliance/Michael Kappeler/dpa
Deutschland
Die SPD rückt nach links und riskiert eine
Zerreißrobe in der großen Koalition. Auf ihrem Parteitag forderten
die Sozialdemokraten in Berlin die perspektivische Überwindung der
Schuldenbremse und die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Außerdem
beschlossen sie eine Abkehr von der Sozialagenda 2010 ihres früheren
Kanzlers Gerhard Schröder und von Hartz IV.
"Wir sind Aufbruch, wir
gehen in Richtung der neuen Zeit", sagte die neue Parteichefin Saskia
Esken am Sonntag vor den Delegierten. Die Union lehnte zentrale
Forderungen der SPD unmittelbar ab.
In den kommenden Tagen wollen Esken und Norbert Walter-Borjans,
die frisch gewählte SPD-Spitze, den Koalitionspartner zum
Kennenlernen treffen. Auch die Verhandlungen über Nachbesserungen am
Kurs der großen Koalition sollen rasch beginnen.
"Bei der SPD ist
neu, dass wir uns klar zu den Positionen der Sozialdemokratie bekannt
haben, über eine Denkweise aus einer Koalition hinaus", sagte
Walter-Borjans. Notfalls wollen die neuen SPD-Chefs die Koalition
mittelfristig verlassen.
Die wichtigsten Ergebnisse des SPD-Parteitags
- Walter-Borjans warb dafür, "dass wir die Schuldenbremse überwinden müssen". Staatliche Investitionen müssten möglich sein. "Das muss man auch mit Krediten machen können." Die Delegierten beschlossen die Forderung einer "perspektivischen" Überwindung.
- Außerdem sollen alle, die mehr als zwei Millionen Euro Nettovermögen haben, eine Vermögensteuer von ein bis zwei Prozent zahlen.
- Nach monatelangen Vorbereitungen gab sich die SPD auf ihrem dreitägigen Parteitag zudem einmütig ein Konzept für einen "neuen Sozialstaat". (Mehr dazu lest ihr hier)"Wir wollen Hartz IV hinter uns lassen", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
- Arbeitslosengeld soll länger gewährt werden – statt höchstens 24 künftig bis zu 36 Monate.
- Statt Hartz IV soll es ein Bürgergeld mit weniger Sanktionsmöglichkeiten geben. Die Jobcenter sollen die monatlichen Leistungen nicht stärker als um 30 Prozent kürzen dürfen, das Existenzminium soll dabei gewahrt bleiben.
Arbeitsminister Hubertus Heil kündigte für Anfang 2020 ein Gesetz
zur Abmilderung der Hartz-Sanktionen an. Er erinnerte daran, dass die
SPD unter ihrer früheren Chefin Andrea Nahles die Arbeit am neuen
Sozialkurs begonnen habe: "Das ist ihr Vermächtnis."
Die SPD fordert
zudem eine Kindergrundsicherung von mindestens 250 Euro für jedes
Kind pro Monat, eine Bürgerversicherung in der Pflege und die
Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro.
Und jetzt der wahre Star des Wochenendes:
Ob die Union da mitgeht?
Heftige Auseinandersetzungen in der Koalition sind programmiert.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer lehnte mehrere Forderungen der
SPD sogleich ab. An der Schuldenbremse im Grundgesetz solle nicht
gerüttelt werden, sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung" ("F.A.S."). "Es hat keinen Sinn, neue Schulden zu
machen." Vorhandene Gelder flössen zu langsam ab. Der SPD-Forderung
nach einem Mindestlohn von 12 Euro setzte sie entgegen, dass weiter
eine unabhängige Expertenkommission zuständig sein solle.
Zu geforderten Nachbesserungen am Klimapaket verwies die
CDU-Chefin in der "Bild am Sonntag" auf die Einigung in der
Koalition. "Jetzt läuft das Vermittlungsverfahren mit dem Bundesrat.
Wir können nicht wieder bei Null anfangen." Kramp-Karrenbauer
betonte: "Ich hätte mir ein wirklich klares Signal des SPD-Parteitags
zur Fortsetzung der großen Koalition gewünscht."
Esken rechnet mit ersten Gesprächen mit der Union noch vor
Weihnachten. Der neue SPD-Vize und Juso-Bundeschef Kevin Kühnert
forderte einen klar definierten Anfang und ein Ende der Verhandlungen – sie dürften nicht länger dauern als die ursprünglichen
Koalitionsgespräche. Die eigentlichen Verhandlungsgespräche von Union
und SPD Anfang 2018 hatten nicht einmal zwei Wochen gedauert.
Walter-Borjans sagte:
"Wir werden natürlich möglicherweise auch vor die Bevölkerung treten müssen und sagen müssen: (...) Das ist mit diesem Koalitionspartner nicht zu machen."
Der CDU-Vizevorsitzende Armin Laschet sagte der "Welt am Sonntag"
dennoch: "Nach dem Parteitag der SPD bin ich zuversichtlicher als
zuvor, dass die Koalition hält." Der nordrhein-westfälische
Ministerpräsident zeigte sich bereit, über einen höheren CO2-Preis zu
sprechen. "Darüber reden wir sowieso mit den Grünen", sagte er.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte in der "F.A.S.":
"Dass die SPD sich für ein Signal der Vernunft entschieden hat und
damit für den Verbleib in der Regierungsverantwortung, halte ich für
eine kluge Entscheidung." Die Linksbewegungen könnten aber zu
Belastungen in der Koalition führen. Der frühere Unionsfraktionschef
Friedrich Merz attestierte der SPD, "in der letzten suizidalen Phase
ihrer Existenz als Volkspartei" zu sein.
Das sagen die Oppositionsparteien
Die Grünen zeigten sich enttäuscht. Er sehe bei der SPD nur ein
"Weiter so", sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck der "F.A.S".
"Ich hätte mir gewünscht, dass vom SPD-Parteitag eine klare
Entscheidung ausgeht: Regieren mit voller Energie oder eben nicht.
Diese Klarheit braucht das Land."
Der Linken-Vorsitzende Bernd
Riexinger lobte die SPD auf Twitter für ihren Linksschwenk: "Besser
spät als nie! (...) Wir sind gespannt, wie sie das jetzt umsetzen
wollen!"
(pcl/dpa)
Politiker, die aus Tassen trinken
1 / 10
Politiker, die aus Tassen trinken
Die Symboldichte in diesem Bild ist so hoch, wir müssen sie unkommentiert lassen. Gesagt sei lediglich: Das ist Wladimir Putin.
quelle: epa / epa/alexey druzhinyn
Es ist eigentlich nicht überraschend. Denn schon kurz, nachdem Elon Musk im Oktober 2022 Twitter übernahm und es zur heutigen Plattform X umgebaut hatte, löschten Reihen von linken, liberalen, demokratischen User:innen ihre Accounts.