Berlin könnte eine Große Koalition (GroKo) aus CDU und SPD erhalten. Eine Vorstellung, bei der offenbar viele schwarz sehen – darunter auch Sozialdemokrat:innen.
Die Groko-Pläne, die sowohl die Berliner SPD-Chefin Franziska Giffey als auch die offenbar nun CDU anregen, stoßen auch innerhalb der Berliner SPD auf Widerstand. Auch die frühere Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) äußert sich kritisch. Die Berliner CDU ist ihr zufolge nicht die CDU von Angela Merkel oder von Daniel Günther (Ministerpräsident von Schleswig-Holstein), schreibt sie auf Twitter.
Chebli wirft der CDU vor, dass sie nach den Silvester-Krawallen zwischen echten und nicht-echten Deutschen unterschieden habe. Sie frage sich, "wie es in der Migrationsfrage einen gemeinsamen Nenner zwischen SPD und CDU geben kann."
Das fragen sich wohl auch die Jungsozialist:innen (Jusos). Denn der Parteinachwuchs zeigt sich besonders kritisch.
"Die CDU passt nicht zu Berlin und nicht zur SPD", sagt die Berliner Juso-Chefin Sinem Taşan-Funke gegenüber dem "Spiegel". Die Jusos werden sich jeder Bestrebung, eine Koalition mit der CDU zu bilden, entgegenstellen.
Die SPD-Landesspitze tendiert zu Koalitionsverhandlungen mit dem Wahlsieger CDU. Die Regierende Bürgermeisterin und Landesparteivorsitzende Giffey favorisiert laut Medienberichten diese Junior-Rolle und würde dafür ihr Amt an der Regierungsspitze aufgeben. Kein Akt der Selbstlosigkeit, meint die Grünen-Politikerin Renate Künast.
"Clou: Giffey bastelt mit ihrem Wandel zur Juniorpartnerin zwar an ihrer persönlichen politischen Karriere, es wirkt aber so, als stelle sie ihre persönlichen Wünsche zurück, als klebe sie nicht am Amt, verzichte großzügig auf den Posten der Regierenden“, schreibt Künast auf Twitter. Denkbar ist, dass Giffey in einer schwarz-roten Koalition einen Senatsposten übernimmt. Spekuliert wird über eine Art "Super-Ministerium" mit besonderer Machtfülle.
Laut dem Politikberater Johannes Hillje geht Giffey in Berlin ein hohes Risiko ein. "Über den Umweg Große Koalition, will sie vermutlich in drei Jahren den dann nahezu unmöglichen Versuch wagen, wieder Bürgermeisterin zu werden", sagt er im Gespräch mit watson. Er geht davon aus, dass die Große Koalition die SPD in Berlin schwächen statt stärken werde.
Dennoch biete wohl die CDU der SPD mehr. Der Journalist Moritz Rödler geht davon aus, dass die Sozialdemokrat:innen glauben, "mit der CDU mehr rote Inhalte durchsetzen" zu können. So seien die Sondierungen mit der Union viel konstruktiver ausgefallen als mit den Grünen. "Die Entfremdung ist so groß, dass die SPD bereit ist, den hohen Preis zu zahlen und auf den Regierungschef-Posten zu verzichten", schreibt Rödle auf Twitter.
Aber auch der Zustand der Linken wird immer wieder als Grund für die GroKo-Präferenz genannt. Rödle schreibt dazu: "Man befürchtet, dass die Partei sich noch vor der nächsten Bundestagswahl spaltet." Die Argumentation sei hier, dass sich Berlin nicht noch eine vorgezogene Wahl leisten könne. Dennoch steht die Frage im Raum: Ist die CDU der richtige Partner? Schließlich stand Spitzenkandidat Kai Wegner 2021 etwa unter Verdacht, mit einer rechten Vernetzungsgruppe zu verkehren.
Journalist und Juso-Mitglied Maxi Reimers stellte dazu 2021 eine Screenshot-Sammlung als Beweis ins Netz. Diese zeigen, dass sich Wegner wohl in fragwürdigen Kreisen aus Impfgegner:innen und rechten Schwurbler:innen bewegt hat. Er war laut Reimers fünf Jahre lang Administrator der öffentlichen Gruppe namens "Politik und Polizei" im sozialen Netz. Dort wurden rechtspopulistische Inhalte gepostet, etwa auch Parolen wie "Impfen macht frei" und "Freiheit statt Angst".
Ein weiterer Administrator der Gruppe soll Hartmut Hahn sein. Laut Reimers ist er ebenfalls ein Vertrauter Wegners, der nun Aussichten auf den Posten des Berliner Bürgermeisters hat. Für den Landesvorsitzenden der Jusos Berlin steht fest: Die CDU passt nicht zu Berlin und nicht zur SPD.
"Die Erfahrungen der GroKo im Bund zeigen, dass es mit dieser Partei nur Stillstand gibt", schreibt er auf Twitter. Berlin habe das nicht verdient. Der Grünen-Politiker Julian Joswig wünscht sich eine bessere Lösung, und zwar eine schwarz-grüne.
Joswig zufolge habe Berlin eine Koalition verdient, die junge sowie alte Menschen, das Zentrum und die Randbezirke vertritt. Denn die großen Verlierer einer GroKo wären wohl die jungen Menschen.
Dem Journalisten Jan Schipmann zufolge kamen in der Altersgruppe 18-34 Jahre die Koalitionsparteien CDU und SPD "nicht einmal auf 25 Prozent". In der Gruppe über 70 Jahre auf "absurde 69 Prozent".
(Mit Material der dpa)