In diesem Jahr wird es keine Regenbogenfahne auf dem Bundestag beim CSD geben – anders als in den vergangenen Jahren. Ein Sinnbild dafür, wie sich das Klima gegenüber queeren Menschen nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Bundestag verändert hat.
Dazu gehören nicht nur Anfeindungen der AfD im Parlament, sondern auch abschätzige Blicke und beleidigende Kommentare im Aufzug, berichtet die Abgeordnete Marlene Schönberger.
Schönberger sitzt seit 2021 für die Grünen im Bundestag. Sie erlebt, dass die Arbeit für queere Abgeordnete im Bundestag härter geworden ist. Inzwischen stellt die AfD die zweitgrößte Fraktion im Parlament – aus deren Reihen erfahre sie mehr Anfeindungen denn je, berichtet sie dem "Tagesspiegel".
Sie ist sich sicher: Für die AfD ist sie ein Feindbild. Nicht nur, weil sie mit ihren 34 Jahren zu den jüngeren Mitgliedern im Parlament gehört, sondern auch, weil sie queer ist.
"Wenn junge Frauen sprechen, eskaliert es oft", sagt sie. Die Zwischenrufe und Beleidigungen auszublenden, falle ihr nicht immer leicht.
Dafür, dass sich der Ton in den Bundestagsdebatten so verändert hat, macht Schönberger auch die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) verantwortlich. Die Entscheidung von Klöckner, zum diesjährigen CSD auf dem Parlamentsgebäude keine Regenbogenfahne zu hissen, habe eine fatale Signalwirkung gesendet.
Durch solche Debatten würde sich die Situation von queeren Menschen verschärfen. Als Beispiel nennt sie den CSD in Straubing, der nur noch unter massivem Polizeischutz und hinter Pollern aus Beton habe stattfinden können; wie in einem "Hochsicherheitstrakt", sagt sie.
So nimmt es auch der Abgeordnete Matthias Mieves von der SPD wahr: Viele queere Menschen würden sich unsicherer fühlen. Man müsse deren Alltagsängste "klar benennen und abbauen", sagt er dem "Tagesspiegel". "Dafür müssen wir als Politik entschieden gegen Diskriminierung positionieren – auch mit Symbolen wie der Regenbogenfahne."
Auf die Legislaturperiode blickt Mieves ernüchtert; er glaubt nicht, dass sich queerpolitisch etwas erreichen lassen wird: "Ich wäre schon fast zufrieden, wenn es mit dieser Union zu keinen Rückschritten kommt."
Lisa Schubert, genannt "Lizzy", bezeichnet das Vorgehen von Klöckner beim Berliner CSD und der Regenbogenfahne als "queerfeindlich". Schubert, 22 Jahre alt und non-binär, wird ab August nachrücken und dann für die Linken im Parlament sitzen.
Der Bundesrat zeigt nun, wie es auch anders geht: Am CSD in Berlin will er die Regenbogenfahne als "Zeichen für Vielfalt, Respekt und Toleranz" hissen, hieß es in einer Mitteilung der Länderkammer. Die BVG wird ebenfalls U-Bahnhöfe in Regenbogenfarben schmücken, auch den am Bundestag. Ein klarer Seitenhieb gegen Klöckners Entscheidung.