Als Angela Merkel inmitten der Corona-Krise intern vor "Lockerungsdiskussionsorgien" warnte, war vor allem er gemeint: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Der CDU-Mann hatte in den vergangenen Wochen immer wieder für eine schrittweise Rückkehr zum normalen öffentlichen Leben plädiert. Bei "Markus Lanz" sprach Laschet am Donnerstagabend über die am Vortag verabschiedeten Lockerungen der Corona-Maßnahmen.
So sagte er über seinen persönlichen Eindruck zu der Videokonferenz von Bund und Ländern, in der der neue Fahrplan beschlossen wurde, dass sie "sehr intensiv und lang" gewesen sei. "Gab es Stress?", bohrte Gastgeber Lanz direkt nach. Laschet verneinte, gab aber direkt zu: "Viereinhalb Stunden auf einen Bildschirm schauen, sich konzentrieren, bei den Themen mitdiskutieren, das ist anstrengend. Aber es gab ein gutes Ergebnis."
Zudem wollte er gleich mit einer Fehleinschätzung aufräumen: "Es ist oft geschrieben worden: Der Bund hat die Macht verloren und hat sie den Ländern gegeben. Da fängt der Fehler ja schon an. Für die Dinge [die Lockerungsmaßnahmen in einzelnen Bereichen, Anm. d. red.] sind erstmal die Länder zuständig." Er und seine Kollegen seien die letzten Wochen sehr dankbar gewesen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel alles koordiniert habe, die Ministerpräsidenten aller Bundesländer zu gemeinsamen Positionen gekommen seien und sie in der Ausführung ähnlich seien.
Aber, so Laschet: "Für die einzelnen Positionen – für Kitas, Schulen, Gesundheitsämter – sind im Wesentlichen die Länder verantwortlich und das wird seit gestern wieder etwas mehr in der Realität widergespiegelt."
Markus Lanz wollte dem von Laschet beworbenem Konsens innerhalb der Ministerpräsidentenkonferenz aber nicht so recht Glauben schenken. "Der Eindruck, der entstanden ist, ist ein Eindruck großer Uneinigkeit. Der Eindruck, der entstanden ist, ist: Jetzt übernehmen die 16 Länderchefs und die Kanzlerin ist raus", urteilte der Moderator.
Eine These, bei der Laschet Lanz vehement widersprach:
Direkt fiel ihm der ZDF-Mann ins Wort, bohrte nach: "War sie gar nicht so wichtig?" Eine Frage, bei der der NRW-Minister ungehalten wurde und die er sich offensichtlich nicht gefallen lassen wollte. Sie schien ihn so zu bewegen, dass er sogar kurzzeitig ins Du wechselte: "Entschuldige mal! Koordinieren in einer solchen Krise ist fast das Wichtigste. Dass alle ähnlich reagieren, ähnlich handeln."
Und Lanz? Bohrte in gewohnter Manier weiter. Ob denn bei den Länderchefs jetzt jeder mache, was er wolle? "Nein, wir haben gemeinsame Rahmenbedingungen und die basiert auf den Papieren der Fachleute", wiegelte Armin Laschet ab. Und weiter: "Die Kultusminister haben für 16 Schulsysteme gesagt, was ist unser Weg ist. Die Wirtschaftsminister haben sich darauf verständigt, wie es mit Gastronomie und Hotels weitergeht."
Jetzt ginge es nur noch um Zeitpläne, nicht aber um die Substanz. Manche Länder würden Montag mit den Corona-Lockerungen anfangen, manche eine Woche später. So ganz wollte Markus Lanz dann aber nicht verstehen, warum in Nordrhein-Westfalen beispielsweise Fitnessstudios bereits kommende Woche öffnen dürften, bei Laschets Kollegen Michael Kretschmer in Sachsen aber erst die Woche darauf. Fitness sei gerade jetzt wichtig, versuchte sich der Politiker zu erklären. Und weiter: "Die Meinung, dass Fitnessstudios geöffnet werden, ist die Meinung aller 16 Sportminister. Warum Michael Kretschmer das eine Woche später macht, weiß ich nicht."
Nachdem ausgiebig über die Aufgaben und Pflichten der Bundesländer diskutiert worden war, kam Lanz noch einmal auf Angela Merkel zu sprechen, fragte: "Welche Rolle hat jetzt noch die Kanzlerin?" Und wieder erwischte er sein Gegenüber auf dem falschen Fuß.
"Die Kanzlerin... was ist das denn für eine Frage?", versuchte der CDU-Mann sich zu fangen. "Eine gute, finde ich", bemerkte Lanz trocken. Nach dieser Bemerkung fiel Laschets Antwort knapp (und leicht patzig) aus:
Zum Abschluss kreidete der Moderator dem CDU-Mann noch seine eigene Widersprüchlichkeit an. "Sie haben Ende Februar gesagt, Sie haben alles im Griff. Vier Wochen später haben Sie gesagt, es geht um Leben und Tod." Außerdem hätte Laschet erst Länderchefs kritisiert, die für Lockerungen plädierten, dann sei er für NRW aber selbst nach vorne geprescht.
Während Laschet Lanz bei seiner ersten Kursänderung noch zustimmte, fühlte er sich bei dessen zweitem Kritikpunkt allerdings missverstanden. "Sie müssen doch lesen, was ich gesagt habe", ging er den Moderator an. Seine Grundidee: Virologen seien wichtige Wissenschaftler. Aber Psychologen, Ethiker, Ökonomen eben auch. Laschet: "Die Politik muss die Dinge immer im Gleichgewicht halten." Darauf ließ es Gastgeber Lanz dann tatsächlich beruhen. Bis zum nächsten Aufeinandertreffen.
(ab)