Deutschland
17.09.2018, 14:0917.09.2018, 14:17
Wenn es um die Fragen nach Integration geht, dann verhalten sich die Deutschen seltsam widersprüchlich. Während es im Fernsehen, in der Politik und bei Demonstrationen nur noch um das eine große Problem zu gehen scheint, findet die breite Masse zuhause auf der Couch: In Wahrheit ist doch alles gar nicht so schlimm.
Das mag an zweierlei liegen:
- Der Optimismus ist zwar da, allerdings nicht mehr ganz so
groß wie vor drei Jahren, als die meisten Flüchtenden nach Deutschland kamen.
- Es gibt jene Gruppen, die wesentlich skeptischer sind, als andere: Spätaussiedler und Menschen, die im Osten leben zum Beispiel.
Frauen, Westdeutsche, Türkeistämmige und Zuwanderer aus anderen
Nicht-EU-Staaten nehmen das Zusammenleben von Menschen aus
verschiedenen Kulturen dagegen heute als weniger konfliktreich wahr als 2015.
Das sagt zumindest das Integrationsbarometer
2018, den der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für
Integration und Migration auf Basis einer repräsentativen Umfrage
erstellt hat.
Hier seine wichtigsten Ergebnisse:
Wie stehen die Bürger in Deutschland zur Integration?
Der Barometer fragte die Menschen nach dem "Integrationsklima" –
auf einer Skala von Null (sehr negativ) bis 100 (sehr positiv).
- Deutsche ohne Migrationshintergrund beurteilten das
Klima eher positiv (63,8). (2015: 65,4 Punkte)
- Hierzulande lebende EU-Ausländer bewerteten das Klima mit 68,9Punkten (2015: 71,4 Punkte)
Aussiedler und Menschen mit türkischen Wurzeln haben eine
leichte Verbesserung wahrgenommen.
Dass der Anteil der
Integrationsskeptiker im Osten deutlich höher ist als im Westen lässt
sich laut Untersuchung zumindest teilweise erklären.
Das Barometer sagt:
Die Menschen auf dem Gebiet der Ex-DDR haben im Schnitt
weniger direkten Kontakt zu Migranten.
Fühlen die Menschen einen Anstieg der Kriminalität?
Auch hier fällt die Antwort der Deutschen ambivalent aus.
- Sieben von zehn Befragten glauben nicht, dass die Kriminalität durch die Zuwanderung der
vergangenen Jahrzehnte gestiegen sei.
- Trotzdem stimmen 17 Prozent der
Deutschen ohne Migrationshintergrund dem Satz "Die
aufgenommenen Flüchtlinge erhöhen die Kriminalität in Deutschland"
voll und ganz zu. 30,8 Prozent "stimmen eher zu".
- Dagegen stehen 36 Prozent, die die Aussage für eher falsch halten. Rund 16 Prozent stimmen gar nicht
zu.
Gibt es eine neue Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt?
Die meisten Menschen haben das
Gefühl, dass die Kommunen die Unterbringung der Asylbewerber und
Flüchtlinge recht gut bewältigt haben.
In Ballungsgebieten, in denen
bezahlbarer Wohnraum schon vorher Mangelware war, hört man aber auch
kritische Töne. Und zwar vor allem von Menschen ohne
Migrationshintergrund, die in Berlin, Hamburg oder Bremen leben.
Dass es zu Problemen in der Integration kommt, hat einen paradoxen Grund:
GUTE BILDUNG FÜR ALLE
- Jeder Zweite ist der Meinung, dass Kinder in
Schulen mit einem hohen Migrantenanteil schlechter lernen.
- Das Thema
treibt Deutsche und Zugewanderte gleichermaßen um.
Trotzdem gibt es
für eine auch von etlichen Pädagogen angemahnte bessere Verteilung
der Kinder ausländischer Herkunft auf die Schulen bisher keinen
Rückhalt durch die Landesregierungen.
Als Gegenargument wird gerne
vorgebracht, lange Anfahrtswege seien nicht zumutbar. Wenn es
allerdings darum geht, den eigenen Nachwuchs von den Problemen der
Brennpunktschulen abzuschotten, erscheint manchen bürgerlichen Eltern
kein Weg zu weit.
Die Integration hilft unserer Kultur
Im Gegensatz zu den Neuen Rechten, die
Zuwanderung als Bedrohung für die deutsche Identität empfinden,
stimmt die Mehrheit der Menschen der Aussage zu, die aufgenommenen
Flüchtlinge "werden Deutschland kulturell langfristig bereichern".
Deutsche ohne Migrationshintergrund vertreten diese Meinung sogar
noch etwas häufiger (71,5 Prozent) als die Zuwanderer.
Der ewige Streit ums Kopftuch
Das islamische Kopftuch wird von Menschen, die
strengere Regeln für Migration und Einbürgerung wollen, gerne als
Gradmesser für Integration herangezogen. Vielleicht weil es sichtbar
und daher leichter zu quantifizieren ist als etwa die
Wertvorstellungen der Zuwanderer.
Knapp 58 Prozent der Menschen ohne
Migrationshintergrund sind dagegen, dass Lehrerinnen im Unterricht
ein Kopftuch tragen dürfen. Unter den Türkeistämmigen ist nur jeder
Vierte für ein Verbot.
Die Mehrheit der Deutschen will weiter Flüchtende aufnehmen
Von den Befragten ohne Migrationshintergrund
sind rund 60 Prozent dafür, weiterhin Flüchtende aufzunehmen, selbst
wenn Deutschland das einzige EU-Land sein sollte, dass dazu bereit
ist.
Allerdings wünscht sich etwas mehr als die Hälfte von ihnen eine "Obergrenze" für die Asylzuwanderung. Wo diese Grenze liegen sollte, fragte der Barometer nicht.
(mbi/dpa)
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