Michel Friedman kritisiert die AfD für Rassismus und Antisemitismus.Bild: imago/Sven Simon/Ralph Peters/twitter screenshot/watson-montage
Deutschland
"Wäre die AfD in einer Bundesregierung, würde ich gehen." Gesagt hat diesen Satz der Publizist Michel Friedman in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". In dem Gespräch ging es um Hass in der Politik und den Umgang mit Antisemitismus. Und um die AfD, die es in ungesunder Regelmäßigkeit eben genau damit in die Schlagzeilen schafft: mit Hass und Antisemitismus.
Friedman, der heute vor allem als streitbarer Publizist und Fernsehmoderator in Erscheinung tritt, war Anfang der 2000er stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden, Herausgeber der "Jüdischen Allgemeinen" und Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses.
Dass Friedman heute vor bestimmten Entwicklungen warnt und offen darüber spricht, bei einer Regierungsbeteiligung der AfD das Land zu verlassen, sollte in erster Linie vor allem zum Nachdenken anregen. Von Seiten der AfD aber folgte vor allem Spott und die Aufforderung, es dann tatsächlich auch zu tun.
Der gerade erst in den Bundesvorstand der AfD gewählte Stephan Brandner etwa nahm die Aussage Friedmans zum Anlass, seine Follower mit dem entsprechenden Tweed aufzustacheln.
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Das AfD-Publikum war aktiviert. Der Tenor im AfD-Milieu: 'Reisende soll man nicht aufhalten. Wer gegen uns ist, hat hier keinen Platz.'
Ein anderer Bundestagsabgeordneter der AfD, Andreas Bleck, fühlte sich durch die Aussage Friedmans dann offenbar zusätzlich motiviert:
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Jörg Schneider, ebenfalls für die AfD im Bundestag, schien es auch nicht zu beunruhigen, dass sich Michel Friedman aufgrund eines offen in Erscheinung tretenden Antisemitismus grundsätzliche Gedanken über eine Zukunft in Deutschland macht. Er reagierte mit Spott und Diffamierung:
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Prinzip unter AfD-Anhängern: Wer gegen uns ist, soll das Land verlassen
Auch für die AfD Politikerin Leyla Bilge aus Brandenburg schien die Ankündigung Friedmans offenbar ein Grund zur Freude:
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Der brandenburgischen AfD-Frau war der Applaus ihrer Community sicher. Unter dem Post folgten Schmähungen und Beleidigungen. Auch eine antisemitische Karikatur wurde dort gepostet – und nicht gelöscht.
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Bilges Follower waren sich einig: Wer die AfD kritisiert, soll das Land verlassen. Ähnliches wurde auf Bilges Facebookseite ein paar Tage zuvor auch der deutschen Publizistin Lamya Kaddor angeraten.
Lamya Kaddor durfte sich, nach dem sie in ihrer "T-Online"-Kolumne völkische Herkunftsfantasien kritisiert hatte, von Bilge und ihren Anhängern auf Übelste beleidigen lassen. Bilge bezeichnete Kaddor in ihrem Post als "Terroristenausbilder", beschimpfte sie als "fette Kuh" und empfahl, Kaddor nach Syrien zu schicken.
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Das kam bei Bilges Anhängern entsprechend gut an. "Wann fangen wir endlich an, sowas aus unserem Land zu schmeißen?", war dort etwa zu lesen.
Es sind diese Reaktionen unter AfDlern und -Anhängern, die zeigen, warum Michel Friedmans Äußerung, das Land zu verlassen, sollte die AfD in Regierungsverantwortung kommen, besonders nachdenklich machen müsste.
(ts)
Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Innenministeriums zeigt: Jede:r dritte:r Polizeibeamt:in hat bei Kolleg:innen rassistisches Verhalten bemerkt. Autor und Journalist Mohamed Amjahid forscht seit Jahren zum strukturellen Rassismusproblem der Polizei und hat darüber ein Buch geschrieben. Im Gespräch mit watson erläutert er die vielschichtige Problematik.