In einer Telefonschalte am Mittwoch hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Verlängerung der seit Ende März geltenden Kontaktsperre geeinigt. Demnach werden die Beschränkungen in Deutschland noch mindestens bis zum 3. Mai in Kraft bleiben.
Zugleich wurden aber auch erste Lockerungen vereinbart: So dürfen Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern bereits ab Montag wieder öffnen, Schulen dürfen ab 4. Mai schrittweise wieder den Betrieb aufnehmen.
Bei "Markus Lanz" wurde auch am Donnerstagabend mit Politikern und Journalisten über die neuesten Entwicklungen rund um die Corona-Pandemie debattiert. Politiker Bodo Ramelow (Linke), "Welt"-Journalist Robin Alexander, Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim, Journalist Elmar Theveßen und Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) sprachen über die Einschränkungen und die Möglichkeiten der Eindämmung.
Bodo Ramelow zeigte sich von den wirtschaftlichen Ausmaßen, die mit der Corona-Pandemie einhergehen, sehr betroffen. Das Schicksal von Gastronomen oder Hoteliers gehe ihm sehr nahe: "Dann kriege ich Tränen in den Augen, weil ich mit denen mitleide."
Er sei allerdings froh darüber, dass in Deutschland die Sterberate noch nicht so hoch sei wie in anderen Ländern. "Die Bilder von Bergamo sind mir unter die Haut gegangen", sagte Ramelow. "Wir leben immer noch auf der Insel der Glückseligen", meinte er. Aber es gebe Menschen, die sehr unter den Beschränkungen litten.
Dann gab Ramelow auch eigene Fehler in der Corona-Krise zu.
Der 13. März habe eine große Bewegung in die Diskussion um die Eindämmung der Pandemie gebracht. An diesem Tag wurde beschlossen, dass die Schulen geschlossen werden.
Der Ministerpräsident offenbarte nun: Am Tag zuvor sei er noch fest davon überzeugt gewesen sei, dass das nicht geschehen werde. Dass eine Ferien-Verlängerung reichen würde, "und dann kämen wir schon durch". "Ich habe mich da völlig geirrt."
Auch Virologe Christian Drosten habe damals seine Meinung über Schulschließungen geändert und die Ministerpräsidenten schließlich von dieser Maßnahme überzeugt.
Später gab Ramelow zudem zu: Erst am 12. März habe er verstanden, dass Corona eben nicht wie eine Grippe sei.
Der thüringische Ministerpräsident sprach auch über Masken. Bund und Länder entschieden sich am Mittwoch gegen eine Masken-Pflicht, stattdessen wird das Tragen von Masken in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr dringend empfohlen.
Der Grund laut Ramelow: "Wir können sie (die Masken, d. Red.) nicht zur Verfügung stellen."
Für eine rege Diskussion bei "Lanz" sorgte die Reproduktionsrate, abgekürzt R. Die Zahl sagt, wie viele Menschen ein Corona-Infizierter im Durchschnitt ansteckt. R von eins bedeutet, dass ein Infizierter im Durchschnitt das Virus an einen Menschen weitergibt. Steigt die Zahl, steigen die Fallzahlen wieder schneller an, sinkt sie unter eins, wird die Ausbreitung des Virus über eine längere Zeitspanne gestoppt.
Wissenschaftlerin Mai Thi Nguyen-Kim fragte nach dem epidemiologischen Ziel der Einschränkungen. "Was möchten wir erreichen?"
Die Reproduktionszahl müsse unter eins liegen, erklärte Mai das Ziel, das sie sich wünschen würde. Erst dann wird das Ansteigen der Fallzahlen gestoppt, Infektionsketten könnten wieder nachvollzogen und Beschränkungen des öffentlichen Lebens weitestgehend aufgehoben werden. Um dieses Ziel zu verstehen, sei epidemiologisches Grundwissen bei der Bevölkerung nötig.
Ramelow antwortete prompt: "R1 war die Grundlage der Beschlüsse. Ich bin nicht die Bundeskanzlerin und Sie sind es auch nicht."
Mai gab ihm Recht und lobte auch die Kanzlerin, die am Mittwoch auf der Pressekonferenz über die Reproduktionsrate gesprochen hatte. Allerdings erst auf Nachfrage eines Journalisten. "Ich würde mir wünschen, dass das Teil der allgemeinen Pressekonferenz gewesen wäre."
Sie kritisierte außerdem, sie sehe keine "Begleitmaßnahmen" zu den Lockerungen, mit denen die Reproduktionsrate unter eins gedrückt wird.
Auch "Welt"-Journalist Robin Alexander mischte mit: "Was will die Bundesregierung eigentlich?"
Der Thüringer Ministerpräsident stellte eine Gegenfrage:
Zunächst müsse festgestellt werden, wie hoch die Infektionsrate wirklich sei. Dafür solle das Test-Management ausgebaut werden. Der Linken-Politiker stellte klar: "Die Bevölkerung hat erwartet, dass wir Wunder verkünden. Es bleibt der Kern: Der Virus ist da, wir haben kein Impfmittel."
Als Politiker bleibe ihm nichts anderes übrig, als zu sagen, dass die Menschen Abstand halten sollten, damit die Infektionswege unterbrochen werden.
Wissenschaftsjournalistin Mai gab ihm recht: "Diese Pandemie wird erst mit einem Impfstoff vorbei sein. Der muss in der entsprechenden Menge hergestellt werden."
"Wir sind erst aus dem Schneider, wenn der Impfstoff da ist", betonte Mai. Robin Alexander gab zudem zu bedenken: "Es gibt nicht die exakte Wahrheit. Das müssen wir aushalten."
Bundesministerin Julia Klöckner stellte im Hinblick der Lebensmittelversorgung klar: "Dass es Hamsterkäufe gab, ist psychologisch nachvollziehbar." Dennoch sei das Essen gesichert: "Es gibt keinen Grund einzukaufen, als sei es der letzte Tag."
Auch in der Landwirtschaft sei es wichtig, dass sich die Menschen an die Hygienevorschriften hielten und die flächendeckende, regionale Landwirtschaft weiterhin bestehe. Dafür würden auch Erntehelfer eingeflogen.
Hunger könnte hingegen bald in den USA zu einem großen Thema werden, glaubte ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen.
Er berichtete: "Amerika hat ein großes Armutsproblem. Die Reichen werden immer reicher. Diese Defizite werden durch das Virus offen gelegt. Corona war die erste große Welle und die zweite kann Hunger sein. Mittlerweile haben sich über 22 Millionen Amerikaner arbeitslos gemeldet."