Deutschland
01.05.2019, 17:2501.05.2019, 17:39
Das kann so wohl nur Boris Palmer: Erst einen Fehler einräumen, um dann doch inhaltlich an der Kritik festzuhalten.
Denn: Nach seiner Kritik an einer Werbekampagne
der Bahn hat der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer zwar Fehler eingeräumt. "Das Ganze war ein Schnellschuss. Ich habe keine
zwei Minuten, nachdem ich die Werbung eher zufällig im Internet
entdeckt hatte, drei Sätze dazu auf Facebook gepostet", sagte Palmer
der Wochenzeitung "Die Zeit". Das Ergebnis sei "Bockmist".
"Das war fahrlässig, ich hätte mein Anliegen besser begründen müssen."
Boris Palmer
Inhaltlich hält Palmer aber an seiner Kritik an der Kampagne fest. "Die Mehrheitsgesellschaft kommt praktisch nicht vor",
sagte Palmer. Das spalte die Gesellschaft. "Bei den Menschen, die
ohnehin fürchten, dass sie übergangen werden (.), löst die Kampagne
Abwehrreflexe aus."
Mehr noch: Er wandte sich laut "Zeit" auch an den Vorstand der
Bahn. "Ich habe einen Brief an Bahnvorstand Ronald Pofalla
geschrieben. Solche Kampagnen werden in einem Großunternehmen nach
meiner Erfahrung intensiv geplant und diskutiert. Ich will wissen, ob
der Vorstand mit der Entscheidung befasst war und ob man sich ihrer
möglichen Konsequenzen bewusst ist", sagte Palmer der Wochenzeitung.
Roth für Rauswurf
Die Bundestagsvizepräsidentin und frühere Grünen-Chefin Claudia Roth legte Palmer unterdessen nahe, die Grünen zu verlassen. "Ich glaube, er hat sich Lichtjahre von den Grünen und vielen ihrer Grundüberzeugungen entfernt", sagte Roth der "Augsburger Allgemeinen" laut Vorabmeldung. "Niemand wird ihn davon abhalten, sich einen Ort zu suchen, an dem er sich politisch wohler fühlt."
Einige Grünen-Mitglieder brachten in der letzten sogar ein Parteiausschlussverfahren ins Spiel. In einem offenen Schreiben erklärten sie, dass sich Palmer "mittlerweile als rechtspopulistischer Pöbler etabliert" habe. Die Reihe seiner offen oder in ihrer Tendenz "rassistischen und hetzerischen" Postings sei lang. Palmer verbinde "gar nichts" mehr mit den Werten der Grünen.
Zum Hintergrund des Streits
Die Bahn wirbt auf ihrer Internetseite mit Bildern von Reisenden
mit unterschiedlichen Hautfarben, unter anderem mit dem
dunkelhäutigen TV-Koch Nelson Müller und der türkisch-stämmigen
Moderatorin Nazan Eckes. Palmer hatte dazu am 23. April auf Facebook
geschrieben: "Ich finde es nicht nachvollziehbar, nach welchen
Kriterien die "Deutsche Bahn" die Personen auf dieser Eingangsseite
ausgewählt hat." Er fragte: "Welche Gesellschaft soll das abbilden?"
Die Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock kritisierten
Palmer für diese Äußerungen scharf, auch die Bahn verteidigte sich.
(ts/dpa/afp)
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