Lange wurde öffentlich darüber gestritten, jetzt ist das Gesetz durch den Bundestag gegangen: Am Freitag verabschiedete das Parlament das Gesetz, mit dem Asylverfahren beschleunigt werden sollen. Auch das sogenannte Chancenaufenthaltsrecht hat der Bundestag beschlossen.
Am Ende stimmten für die jeweiligen Entwürfe SPD, Grüne und FDP. Die Union, die Linksfraktion und die AfD lehnten die Vorhaben am Freitag ab.
Und das, obwohl auch im Plenum noch einmal heftig gestritten wurde.
Das Chancenaufenthaltsrecht soll gut integrierten Ausländer:innen, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland leben, eine Perspektive in Deutschland bieten. Wer zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, soll 18 Monate Zeit bekommen, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen. Dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.
Den Auftakt der Diskussion machte der SPD-Abgeordnete Helge Lindh, der den Gesetzentwurf des Chancenaufenthaltrechts als "Gesetz der Vernunft" und "Gesetz der Mitte" bezeichnete. Er machte noch einmal deutlich, dass dieses Chancenaufenthaltgesetz weder ein sozialdemokratisches noch ein grünes oder liberales Gesetz sei. Es sei genauso ein konservatives Gesetz. Er sagte:
Die größte Oppositionspartei CDU hatte in den vergangenen Tagen viel Wind um das Gesetzesvorhaben der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gemacht. Vor allem CDU-Chef und Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz.
Doch nicht alle CDU-Politiker:innen waren auf Merz' Seite. Das brachten sie auch zum Ausdruck, und SPD-Politiker Lindh würdigte deren Einsatz in seiner Rede vor den Abgeordneten.
Andrea Lindholz (CSU), stellvertretende Fraktionschefin der Union, warf der Ampelkoalition vor, mit dem Gesetzesvorhaben Fehlanreize zu schaffen. Deutschland gehöre zu den Ländern der Welt, die am meisten Geflüchtete aufnähmen, sagt die Unionspolitikerin, deswegen solle man sich auf die "wirklich Schutzberechtigten" kümmern.
Die Grünenpolitikerin Filiz Polat bezeichnete das Vorhaben hingegen als "Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik", für die die Grünen lange gekämpft hätten.
Die AfD bezeichnete das Chancenaufenthaltsgesetz als "Verhöhnung des Rechtsstaats", weil "aus Illegalen Legale werden sollen", wie es der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann ausdrückte.
Der Gesetzentwurf hält im Grundsatz daran fest, dass nur dann ein Aufenthaltstitel erteilt werden soll, wenn die Identität geklärt ist. Er bietet diese Möglichkeit jedoch auch dann, wenn ein Ausländer "die erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen" hat.
Auch die Beschleunigung der Asylverfahren hat der Bundestag beschlossen.
Mit der Neuregelung wird die sogenannte Regelüberprüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgeschafft. Bei dieser Prüfung wird bisher nach einer bestimmten Frist automatisch geschaut, ob es Gründe für einen Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung der Asylberechtigung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gibt. Die Überprüfung soll künftig – auch um das Bamf zu entlasten – nur noch "anlassbezogen" erfolgen.
Außerdem sollen Asylbewerber:innen eine behördenunabhängige Beratung in Anspruch nehmen können. Mit der Asylverfahrensberatung sollen zivilgesellschaftliche Akteur:innen betraut werden, die dafür Geld vom Bund erhalten. Die Anhörung im Asylverfahren kann künftig in Ausnahmefällen im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.
Kürzer werden sollen auch die Asylklageverfahren bei den Verwaltungsgerichten, die laut Bundesregierung aktuell im Schnitt 26,6 Monate dauern. Hier soll unter anderem eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung Abhilfe schaffen. Ziel dabei ist, dass häufig vorkommende gleich gelagerte Fälle – zum Beispiel zu Kriegsdienstverweigerern aus Syrien oder in Griechenland bereits anerkannten Geflüchteten – künftig nicht mehr von verschiedenen Oberverwaltungsgerichten unterschiedlich bewertet werden.
Stattdessen sollen diese die Verfahren direkt an das Bundesverwaltungsgericht abgegeben werden können, das dann eine Entscheidung mit richtungsweisendem Charakter trifft. Ob das tatsächlich einen beschleunigenden Effekt haben wird, bezweifeln allerdings etliche Expert:innen und Fachpolitiker:innen der Opposition. Zum 31. Juli dieses Jahres waren laut Bundesinnenministerium bundesweit 135.603 erstinstanzliche Verfahren anhängig.
(jor/dpa)