Bald könnten neue Corona-Maßnahmen dazukommen. Bild: imago images / Florian Gaertner/photothek.net
Deutschland
Gut jeder zweite Deutsche hält einer Umfrage zufolge die geltenden Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für ausreichend. 51 Prozent der Befragten sind im "Deutschlandtrend im ARD-Morgenmagazin" dieser Ansicht. Das sind acht Prozentpunkte weniger als zu Monatsbeginn. Für 32 Prozent gehen die aktuell geltenden Einschränkungen nicht weit genug, ein Plus von 5 Prozentpunkten. 15 Prozent halten die derzeitigen Auflagen hingegen für zu weitgehend, das sind vier Prozentpunkte mehr als Anfang Oktober.
Die Kontrollen der Auflagen bewerten 50 Prozent als unzureichend. 34 Prozent empfinden sie als ausreichend, 10 Prozent gehen sie zu weit.Eine deutliche Mehrheit von 74 Prozent der Befragten ist der Ansicht, dass sie selbst einen sehr starken (29 Prozent) oder starken Beitrag (45 Prozent) zur Eindämmung der Pandemie leisten können. 19 Prozent nehmen ihren möglichen Beitrag als weniger stark wahr. 6 Prozent finden dagegen, dass sie durch ihr Alltagsverhalten gar nichts zur Eindämmung der Pandemie beitragen können.
Weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens geplant
Angesichts rasant zunehmender
Corona-Infektionen will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ländern
dringend über eine stärkere Eindämmung beraten. Bereits an diesem
Mittwoch soll es dazu eine Videokonferenz mit den Ministerpräsidenten
geben – noch vor deren regelmäßiger Konferenz am Freitag. Es gehe
darum, was Bund und Länder gemeinsam tun könnten, um möglichst
schnell den Trend zu brechen, sagte Regierungssprecher Steffen
Seibert am Montag. Allen sei bewusst, "dass dabei jeder Tag zählt".
Auch unter den Ländern rückt ein bundesweit enger abgestimmtes
Vorgehen in den Blick. Die CDU verschiebt ihren für Dezember
geplanten Parteitag ins neue Jahr.
Nach "Bild"-Informationen will das Kanzleramt bei den Ländern für
mögliche weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens werben. Im
Gegensatz zum Lockdown im Frühjahr sollten Schulen und Kitas dann
jedoch weiter geöffnet bleiben, außer in Regionen mit katastrophal
hohen Infektionszahlen, berichtete die Zeitung am Montagabend. Auch
der Einzelhandel solle mit neuen Einschränkungen offen bleiben. Laut
"Bild" will das Kanzleramt vor allem bei Gastronomie und
Veranstaltungen hart vorgehen.
Seibert sprach von einem "drastischen Anstieg" der Neuinfektionen
und einer "sich zuspitzenden ernsthaften Lage". In zahlreichen
Kommunen sei ein Nachverfolgen der Kontaktpersonen jedes einzelnen
Infizierten nicht mehr möglich, da die Zahlen einfach zu hoch seien.
Wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Montagmorgen mitteilte,
meldeten die Gesundheitsämter 8685 Neuinfektionen binnen eines Tages – etwa doppelt so viele wie am Montag vor einer Woche mit 4325. Dabei
sind die Zahlen sonntags und montags niedriger, auch weil an
Wochenenden weniger getestet wird. Am Samstag war mit 14.714
Neuinfektionen ein Höchstwert seit Beginn der Pandemie in Deutschland
erreicht worden.
Merkel hatte am Wochenende nochmals eindringlich an alle Bürger
appelliert, Kontakte generell zu reduzieren. Am Montag mahnte sie
nach Informationen der "Bild" auch in den CDU-Gremien, der Anstieg
der Infektionen müsse dringend gestoppt werden. Die Situation sei
"hochdynamisch" und "dramatisch". Deutschland könne bald in eine
"schwierige Lage" bei Intensivbetten in den Kliniken kommen. Auch
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) äußerte sich nach Informationen der
Deutschen Presse-Agentur in den CDU-Beratungen sehr skeptisch. Die
Zahlen stiegen zu schnell, machte er laut Teilnehmerkreisen deutlich.
Merkel und die Ministerpräsidenten hatten zuletzt am 14. Oktober
gemeinsam beraten und einige zusätzliche Maßnahmen vor allem für
regionale Corona-Hochburgen vereinbart. Die Kanzlerin hatte damals
bereits deutlich gemacht, dass nach etwa zehn Tagen zu sehen sei, "ob
neue weitere Schritte notwendig sind oder ob die beschlossenen
Schritte bereits ausgereicht haben". Zu denkbaren zusätzlichen
Maßnahmen äußerte sich die Bundesregierung vorab zunächst nicht.
"Das ist die Entscheidungswoche"
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte in
der ARD, bisher habe man regional Maßnahmen bestimmt, wie es zum
Infektionsgeschehen passe. "Aber jetzt sind wir in der Tat in einer
Lage, in der in ganz Deutschland die Zahlen steigen. Und deswegen ist
es gut, dass wir auch noch mal bundesweit auf die Regeln gucken und
überlegen, ob es noch weitere Maßnahmen geben muss." Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte in München: "Ich glaube
schon, dass es ziemlich ernst jetzt ist, und dass sich alle nochmal
klarmachen müssen, um was es geht." Er sagte mit Blick auf die
Ministerpräsidentenkonferenz: "Das ist die Entscheidungswoche."
Die Kanzlerin sieht die Corona-Krise auch als Bewährungsprobe für
den Zusammenhalt in der Gesellschaft. "Die Pandemie mit ihren
vielfältigen Folgen trifft uns alle, einige aber besonders hart – vor
allem jene, die ohnehin nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens
stehen, die im Alltag Aufmerksamkeit und Unterstützung brauchen, die
sie nun aber coronabedingt noch schwerer als sonst bekommen können.
Und so gewinnt die soziale Frage an Schärfe", sagte Merkel in einer
Videobotschaft bei der Verleihung des Sozialpreises 2020 der
Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege.
CDU verschiebt Parteitag – Lauterbach für "sehr kurzen, zeitlich eng begrenzten Teil-Lockdown"
Angesichts der zugespitzten Lage verschiebt die CDU ihren für den
4. Dezember in Stuttgart geplanten Parteitag mit 1001 Delegierten zur
Wahl eines neuen Vorsitzenden ins nächste Jahr. Der Parteitag solle
dann idealerweise in Präsenz stattfinden, teilte Generalsekretär Paul
Ziemiak mit. Sei dies nicht möglich, solle ein digitaler Parteitag
abgehalten werden. Die Linke wollte am Dienstagabend entscheiden, ob
ihr am Freitag in Erfurt geplanter Parteitag abgesagt werden muss.
In acht Ländern begann nach den Herbstferien am Montag die
Schule. Corona-Auflagen gelten vielerorts weiter oder wurden
verschärft. So müssen in Berlin Schüler der Oberstufe sowie aller
Berufsschulen und Oberstufenzentren auch im Unterricht Maske tragen.
Grünen-Chef Robert Habeck forderte ein besonderes Augenmerk darauf,
Schulschließungen zu verhindern. Dazu beitragen könnten
Luftreinigungsanlagen in den Schulen. "Das hätte schon längst
passieren müssen."
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach sich in der
"Passauer Neuen Presse" (Montag) für einen "sehr kurzen, zeitlich eng
begrenzten Teil-Lockdown" aus. "Weniger Freunde treffen, weniger
Restaurantbesuche, weniger ins Kino und zu Sportveranstaltungen
gehen." In Nordrhein-Westfalen bestätigte das Oberverwaltungsgericht
Münster am Montag Sperrstunden für Gaststätten in Risikogebieten mit
hohen Infektionszahlen. Das Verbot des Alkoholverkaufs zwischen 23.00
und 6.00 Uhr diene dem legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des
Coronavirus zu verlangsamen.
In einigen deutschen Städten gilt nun auch eine Teil-Maskenpflicht im Freien.Bild: dpa / Andreas Arnold
Wegen stark gestiegener Corona-Zahlen gelten nun auch im
bayerischen Landkreis Rottal-Inn ab Dienstag strikte
Ausgangsbeschränkungen. Schulen und Kindergärten werden geschlossen
und Veranstaltungen abgesagt, wie es in einer Mitteilung heißt.
Vergangene Woche wurden im Landkreis Berchtesgadener Land ähnliche
Beschränkungen verhängt.
(lau/dpa)
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