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Gaza-Gespräche: Konfliktforscher sieht Zeitpunkt reif für Kriegsende

Berlin, Deutschland, 17.04.2025: Oranienplatz: Pro-Palästina-Demo und Gegenprotest: Demonstranten haben sich versammelt, die Fahnen der Palästinenser und von Israel sind optisch nebeneinander zu sehen ...
Es ist ein weiter Weg zum nachhaltigen Frieden zwischen Israel und Palästinenser:innen.Bild: imago images / dts Nachrichtenagentur
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Konfliktforscher zu Gaza-Gesprächen: "Der Zeitpunkt scheint reif, den Krieg zu beenden"

In Kairo wird über ein mögliches Ende des Gaza-Kriegs verhandelt – diesmal mit realer Hoffnung. Die Hamas signalisiert Zugeständnisse, Israel spricht von Fortschritt. Friedensforscher Thorsten Bonacker zeigt sich vorsichtig optimistisch und erklärte gegenüber watson, was es auf dem Weg zu einem nachhaltigen Frieden jetzt braucht.
07.10.2025, 13:1807.10.2025, 13:32

Zwei Jahre nach dem verheerenden Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel ist die Welt erneut auf der Suche nach einem Ende der Gewalt. In Ägypten verhandeln Vertreter:innen Israels und der Hamas derzeit über ein Abkommen auf Basis des von Donald Trump vorgeschlagenen Plans für einen Waffenstillstand.

Während die Gespräche andauern, wächst international die Hoffnung auf eine dauerhafte Waffenruhe, auch in Berlin. Außenminister Johann Wadephul (CDU) sprach von "positiven Signalen" während der ersten Verhandlungsrunde und lobte die Vermittlungsbemühungen als "so aussichtsreich wie nie zuvor". Details sind bisher kaum bekannt geworden.

Klar ist: Hinter den diplomatischen Gesten liegt ein hochkomplexer Balanceakt. Noch immer befinden sich 48 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen laut israelischen Angaben 20 am Leben sein sollen. Mehr als 67.000 Palästinenser:innen sind seit Beginn des Krieges gestorben, die Vereinten Nationen sprechen von einer humanitären Katastrophe. Israels Regierung weist den Vorwurf des Völkermords entschieden zurück, doch der Druck wächst, den Krieg zu beenden.

07.10.2025, Ägypten, Kairo: Außenminister Johann Wadephul (l, CDU) und Badr Abdel-Atti, Außenminister von Ägypten, geben nach ihrem Gespräch eine gemeinsame Pressekonferenz. Wadephul setzt seine Vermi ...
Außenminister Johann Wadephul und sein ägyptischer Kollege Badr Abdel-Atti bei einer Pressekonferenz.Bild: dpa / Soeren Stache

Der Marburger Friedens- und Konfliktforscher Thorsten Bonacker ordnet die Lage auf Anfrage von watson als "vielversprechend, aber fragil" ein.

Konfliktforscher: Krieg bringt Hamas und Israel keine Vorteile mehr

"Die Situation scheint so zu sein, dass die Hamas keine Aussicht mehr sieht, in Kampfhandlungen etwas zu gewinnen", sagt er. "Das führt sie an den Verhandlungstisch." Auch auf israelischer Seite hat sich nach Einschätzung Bonackers ein Wendepunkt abgezeichnet: "Israel hat eigentlich alle Kriegsziele erreicht, und es ist zweifelhaft, ob ein endgültiger militärischer Sieg gegen die Hamas möglich ist. Das israelische Militär sieht das skeptisch."

Bonacker betont, dass der Zeitpunkt aus politischer und militärischer Sicht "reif" sei, den Krieg zu beenden. Gleichwohl warnt er vor zu viel Euphorie: "Der Plan von Trump ist an vielen Stellen vage, das ist auch normal für solche Pläne. Sie dienen vor allem dazu, Verhandlungen einzuleiten und beide Seiten an den Tisch zu bringen."

Vertrauen statt Triumph: Was jetzt in Sachen Gaza entscheidend ist

Die nächsten Tage könnten zeigen, ob der politische Wille ausreicht, den Kreislauf der Gewalt tatsächlich zu durchbrechen. Bonacker sieht den Kern der kommenden Verhandlungsrunden in einer Frage: Ist die Hamas bereit, sich zu entwaffnen und zu akzeptieren, künftig keine politische Rolle mehr in Gaza zu spielen?

"Wenn man sich auf grundlegende Punkte verständigt hat, wären die nächsten Schritte solche, die dieses Vertrauen verstärken – etwa die Freilassung von Geiseln."

"Ich vermute, dass man hier Formulierungen finden muss, die für die Hamas einigermaßen gesichtswahrend sind, damit sie dem zustimmt", erklärt der Friedensforscher. Ein vollständiger Machtverzicht sei unwahrscheinlich, ohne dass die Organisation eine minimale symbolische Kompensation erhalte.

Gleichzeitig müsse Vertrauen Schritt für Schritt aufgebaut werden. "Wenn man sich auf grundlegende Punkte verständigt hat, wären die nächsten Schritte solche, die dieses Vertrauen verstärken – etwa die Freilassung von Geiseln durch die Hamas und im Gegenzug die Überstellung von Gefangenen aus israelischen Gefängnissen", sagt Bonacker. Entscheidend sei, dass beide Seiten ihre Kampfhandlungen tatsächlich einstellen und die Waffenruhe nicht nur auf dem Papier existiere.

Deutschlands Rolle: Vermitteln, nicht dominieren

Während die USA die Verhandlungen in Ägypten anführen, betont auch Berlin seine vermittelnde Rolle. Außenminister Wadephul sprach davon, dass Deutschland "von beiden Seiten akzeptiert" werde. Das ist seiner Auffassung nach ein diplomatisches Kapital, das man einsetzen wolle. Geplant ist demnach eine internationale Wiederaufbaukonferenz für den Gazastreifen, an der Deutschland maßgeblich beteiligt wäre.

Für Bonacker ist die Unterstützung arabischer Staaten und internationaler Vermittler dabei zentral, aber keine Garantie für Stabilität. "Letztlich ist es bei aller Unterstützung eine fragile Situation", sagt er. "Es hängt sehr viel davon ab, wie sich die Hamas entscheidet."

Dass die Hamas laut US-Angaben in Ägypten bereits erste Zugeständnisse gemacht hat, löst international vorsichtigen Optimismus aus. Auch Trump selbst erklärte: "Alle sind einfach zusammengekommen. Ich glaube wirklich, dass wir eine Einigung erzielen werden."

Doch Bonackers Analyse bleibt nüchtern: Selbst wenn die Waffen schweigen, beginne die eigentliche Arbeit erst. Der Wiederaufbau Gazas, die politische Neuordnung und die Sicherung einer friedlichen Koexistenz seien "eine Generationenaufgabe". "Solche Abkommen sind nie der Endpunkt, sondern bestenfalls ein Anfang", sagt er.

(Mit Material der dpa)

Konfliktforscher zu Gaza-Gesprächen: "Der Zeitpunkt scheint reif, den Krieg zu beenden"
In Kairo wird über ein mögliches Ende des Gaza-Kriegs verhandelt – diesmal mit realer Hoffnung. Die Hamas signalisiert Zugeständnisse, Israel spricht von Fortschritt. Friedensforscher Thorsten Bonacker zeigt sich vorsichtig optimistisch und erklärte gegenüber watson, was es auf dem Weg zu einem nachhaltigen Frieden jetzt braucht.
Zwei Jahre nach dem verheerenden Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel ist die Welt erneut auf der Suche nach einem Ende der Gewalt. In Ägypten verhandeln Vertreter:innen Israels und der Hamas derzeit über ein Abkommen auf Basis des von Donald Trump vorgeschlagenen Plans für einen Waffenstillstand.
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