Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen waren für viele Menschen in Deutschland schockierend. Der Grund: In beiden Flächenländern schnitt die AfD extrem gut ab. In Hessen erreichte sie mit 18,4 Prozent der Stimmen sogar Platz zwei. In Bayern verlor sie diese Position mit 14,6 Prozent knapp an die Freien Wähler (15,8 Prozent). Kurz um: In beiden Bundesländern konnte die AfD stark zulegen.
Das zeigt: Auch Westdeutschland – obwohl dort natürlich gerne auf den Osten geschielt wird, wenn es um die Rechtsaußenpartei geht – ist nach rechts gerutscht. Und zwar nicht nur die Alten oder die Boomer, gerade bei Erstwähler:innen ist die Partei beliebt.
In Hessen gaben zwar 22 Prozent der Erstwähler:innen ihre Stimme der CDU – 15 Prozent entschieden sich allerdings für die AfD. SPD und Grüne teilen sich währenddessen mit jeweils 14 Prozent Platz drei. Die FDP konnte zehn Prozent der Erstwähler:innen von sich überzeugen.
In Bayern sieht die Situation ähnlich aus: Auch hier gingen 22 Prozent der Erstwähler:innen-Stimmen an die Union – und 16 Prozent an die AfD. Die Grünen konnten der Rechtsaußenpartei im Freistaat allerdings Platz zwei mit 17 Prozent der Erstwähler:innen-Stimmen streitig machen. 14 Prozent gingen an die Freien Wähler und gerade einmal acht Prozent an die SPD.
watson hat bei den Jugendorganisationen der demokratischen Parteien nachgefragt, wie sie auf diesen Trend blicken.
Zuallererst möchte Sebastian Sommer, Chef der Jungen Union Hessen, klarstellen: Sein Jugendverband freut sich. "Endlich sind wir wieder bei den Erstwählern auf Platz eins", sagt er im Gespräch mit watson zufrieden. Aus seiner Sicht liegt das an den Personalien, die die CDU Hessen bei dieser Wahl aufgestellt hat – und an den Themen. Er nennt in diesem Zusammenhang die Schuldenbremse und die Abschaffung der Grunderwerbsteuer auf das erste Eigenheim. Mit Blick auf das Ergebnis der AfD bei den Erstwähler:innen vergeht Sommer allerdings die Feierstimmung.
"Ich glaube, dass auch bei den jungen Menschen viel aus Protest gewählt wurde – und dass viele der einfachen Botschaften der AfD, die in den meisten Fällen nichts mit der Landespolitik zu tun gehabt haben, verfangen haben", sagt Sommer. Damit meint er etwa Wahlplakate, die auf das Heizungsgesetz der Bundesregierung abzielen – obwohl das mit der Landespolitik nichts zu tun hat. Insgesamt hätte die Bundespolitik eine große Rolle im hessischen Landtagswahlkampf gespielt.
Er und sein Landesverband wären bereit, meint er, in Sachen klare Kante gegen Rechts eng mit den anderen Jugendorganisationen zusammenzuarbeiten. Sommer fügt aber auch an: "Wir ziehen mit zwölf jungen Abgeordneten in den Landtag ein und wollen deshalb natürlich die Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und gute Arbeit für unsere Generation machen." Die drängendsten Themen aus Sommers Sicht: Bildung, Digitalisierung und Wohnraum. Das müsse nun im Sinne junger Menschen angegangen werden.
Die Sprecherin der Grünen Jugend in Hessen, Lily Sondermann, schlägt vor, dass sich die demokratischen Jugendorganisationen nun Seite an Seite stellen, um gemeinsam eine Antwort auf den Rechtsruck zu finden. "Wir müssen überparteilich eine Lösung finden", macht sie deutlich. Man sei auch jetzt schon telefonisch im Austausch, mit anderen Akteur:innen.
Das starke Ergebnis der AfD bei den Jung- und Erstwähler:innen sei "beunruhigend und angsteinflößend". Aber:
Aus Sicht von Sondermann liegt das auch an den vielen Krisen, mit denen die junge Generation aktuell konfrontiert sei. "Die Antwort auf die Fragen der jungen Menschen wird aktuell nicht gegeben, nicht von der Bundes- oder Landesregierung – und offensichtlich auch nicht von uns Jugendorganisationen", stellt die Sprecherin der Grünen Jugend fest. Für sie ist klar: Das Alarmsignal muss dazu führen, dass sich etwas ändert.
Und sie macht deutlich, dass nicht alle jungen Menschen, die sich bei dieser Wahl für die AfD entschieden haben, als Nazis beschimpft werden dürfen. Das sei nicht nur falsch, sondern könne diese Menschen noch weiter von den demokratischen Parteien wegtreiben. "Stattdessen müssen wir auf die Leute zugehen und an den eigentlichen Problemen ansetzen", stellt sie klar.
Ähnlich sieht auch Sophie Frühwald von den hessischen Jusos die Lage. Für sie ist klar: "Was es unbedingt braucht, ist mehr politische Bildung." Nur so könne man es schaffen, dass vereinfachte populistische Botschaften weniger verfangen. Auch die Jugendorganisationen seien nun gefordert, dem diffusen Gefühl von Angst entgegenzutreten und aufzuklären. "Wir müssen vermitteln, warum Demokratie so wichtig ist", meint Frühwald.
Auch sie fordert eine engere Zusammenarbeit der demokratischen Jugendorganisationen. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass unser Engagement aus parteitaktischen Gründen erfolgt", meint sie. Es müsse auch nach außen klar zu erkennen sein: Worum es den Jugendorganisationen geht, ist, die Demokratie zu stärken.
Frühwald spricht eine weitere problematische Entwicklung an, die seit einiger Zeit beobachtet: Hass im Netz. Auch sie als junge Frau an der Spitze eines Landesverbandes sei schon Opfer von rechten Trollen geworden. Eine Lösung für das Problem hat Frühwald nicht. Was sie aber fordert: "Solidarität unter den demokratischen Parteien."
"Politik muss schneller in der Umsetzung werden und darf nicht vor unangenehmen Themen zurückschrecken. Erst wenn Menschen Veränderung spüren, können wir das Vertrauen in die Politik zurückgewinnen", heißt es außerdem von den hessischen Jungen Liberalen. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene müsse man schneller in der Umsetzung werden. Denn die Ergebnisse seien besorgniserregend – diese jungen Menschen dürften die demokratischen Parteien nun nicht verlieren.
Die Grüne Jugend in Bayern ist offensichtlich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite, erklären die Sprecherinnen Eva Konen und Katharina Sparrer, freue sich der Verband über das starke Erstwähler:innen-Ergebnis ihrer Partei. "Gleichzeitig betrachten wir das Ergebnis von über 50 Prozent für konservative und rechte, sowie populistische Parteien bei Erstwähler:innen mit großer Sorge", erklärt das Sprecherinnen-Duo. Bei den U-30-Wähler:innen sehe der Trend ähnlich aus. Konen und Sparrer nennen das "besorgniserregend".
Für die beiden jungen Grünen ist klar: Rechtspopulistische Positionen bieten keine Lösungen – auch wenn sie in den vergangenen Monaten mehr und mehr salonfähig geworden seien. Das Duo sagt: "Der Kampf gegen Rechts bedeutet deshalb für uns eine starke soziale Politik, die die Menschen nicht im Stich lässt. Das fordern wir von der Regierung ein!"
Für Reka Molnar von den bayrischen Jusos steht fest: Wenn die SPD erfolgreich sein möchte bei Jungwähler:innen, muss sie ein junges Angebot machen.