SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Gespräch mit Journalisten im Bundestag.Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka
Deutschland
Wer tritt für die SPD im nächsten Jahr in den Wahlkampf-Ring? Die beiden Parteivorsitzenden, Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, wollen nicht so recht. Vizekanzler Olaf Scholz ist zwar in der Bevölkerung beliebt, hat aber erst vor einem halben Jahr krachend die Abstimmung um den Parteivorsitz verloren. Am Dienstag machte nun ein Vierter von sich reden.
Fraktionschef Rolf Mützenich ist einem Bericht
zufolge als Kanzlerkandidat der SPD im Gespräch. Er sei der
Wunschkandidat der Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert
Walter-Borjans für die Bundestagswahl 2021, berichtete am Dienstag
das Magazin "Cicero". Über die Personalie würden derzeit Gespräche
mit führenden Köpfen der Partei geführt.
Die SPD will die
Kanzlerkandidatur allerdings nicht vor dem Spätsommer entscheiden.
Ein Sprecher von Mützenich betonte: "Daher sind alle Meldungen dazu
Spekulationen."
Greift der Stille nach der Macht?
Und was sagt der Fraktionschef selbst? Kürzlich gab er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe dieses Zitat: "Die Bürgerinnen und Bürger sehen offenbar Olaf Scholz heute als beste Wahl. Ich vertraue grundsätzlich deren Urteil, aber wir entscheiden das nicht heute." Das klingt eher nach charmanter Zurückhaltung denn nach einem Griff nach der Macht. Und passt zur Person Mützenich.
Der 60-jährige Rheinländer ist ein versierter Außenpolitiker. Doch schon in die Rolle des Fraktionschefs musste er nach dem Rücktritt von Andrea Nahles ein wenig gedrängt werden. Eigentlich steht er lieber in der zweiten Reihe – ein leiser Mann, der immer sehr höflich und viel zu nett für einen ausgebufften, eiskalten Wahlkampf wirkt. Mützenich beim TV-Duell gegen einen (möglichen) Unionskandidaten Friedrich Merz? Es ist schwer vorzustellen.
Doch Mützenich hat sich zuletzt profiliert. In wenigen Wochen sorgte er zweimal für kräftig Wirbel in der Fraktion: Mit der Forderung, alle US-Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Und mit der umstrittenen Neubesetzung auf dem Posten des Wehrbeauftragten, nach der sich der renommierte SPD-Parlamentarier Johannes Kahrs tief beleidigt aus dem Bundestag zurückzog. Fingerspitzengefühl bewies Mützenich beide Male nicht unbedingt. Doch er bewies ungekannte Durchsetzungsstärke.
(pcl/mit Material von dpa)
Anmerkung der Redaktion inklusive Richtigstellung: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir behauptet, der hier formulierte Urteilsspruch würde eine Frau betreffen, die sich gegenüber Medien als Betroffene zum MeToo-Skandal bei der Linken geäußert hatte. Das war inhaltlich falsch. Wir bedauern den Fehler und haben die entsprechenden Passagen korrigiert bzw. entfernt. Richtig ist: Verurteilt wurde eine Frau, die sich als Reaktion auf die damaligen Medienberichte auf Social Media zu dem Fall äußerte.