Friedrich Merz (CDU) hält nichts von der beschlossenen Wahlrechtsreform.Bild: imago images / Metodi Popow
Deutschland
31.01.2024, 11:0131.01.2024, 11:09
CDU-Chef Friedrich Merz geht in seinem Job als Oppositionsführer sichtlich auf. Kaum ein Tag vergeht, an dem er die Ampel nicht kritisiert. In Oppositionsmanier schauen er und seine Partei den Regierenden auf die Finger. Eine Klage beim Verfassungsgericht in Karlsruhe gegen den Haushalts-Trick der Ampel war bereits erfolgreich. Die Koalitionäre mussten danach alle Hebel in Bewegung setzen, um die verfassungswidrig eingeplanten Milliarden abzupuffern.
Doch Merz schießt in seiner Kritik auch immer wieder über das Ziel hinaus und sorgt so dafür, dass ihm reichlich Gegenwind entgegenbläst. Sein aktueller Vergleich der Ampel-Wahlrechtsreform mit einer angeblichen Wahlrechtsmanipulation in den USA sorgt für besonders viel Trubel.
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Merz wirft Ampel Manipulation vor
Auf X, früher Twitter, schreibt Merz: "Wahlrechtsmanipulation hat dazu geführt, dass die Demokratie in Amerika nicht mehr richtig funktioniert." Die Ampel mache in Deutschland genau dasselbe. "Damit wird unserer Demokratie großer Schaden zugefügt. Ich bedauere das sehr", ergänzt er.
Im Juni hatte der Bundestag gegen den Widerstand von Union und Linkspartei das neue Wahlrecht beschlossen. Die Reform zielt auf eine Verkleinerung des Bundestags ab. Mit derzeit 736 Abgeordneten ist der Bundestag das größte frei gewählte Parlament der Welt. Das neue Wahlrecht deckelt die Sitzzahl nun bei 630. Gewählt wird weiter mit Erst- und Zweitstimme. Es gibt aber keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Im Januar hat die Union Klage in Karlsruhe eingereicht. Der Vorwurf: Die Reform ist aus Sicht der Christdemokrat:innen verfassungswidrig.
Für die Zahl der Sitze einer Partei ist künftig allein ihr Zweitstimmenergebnis entscheidend. Das kann zur Folge haben, dass erfolgreiche Wahlkreisbewerber:innen ihr Direktmandat nicht bekommen. Auch die Grundmandatsklausel fällt weg. Nach ihr zogen Parteien bisher auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate holten.
Für die nur in Bayern wählbare CSU würde diese Regelung bedeuten, dass sie bei einem bundesweiten Ergebnis von unter fünf Prozent nicht mehr im Bundestag vertreten ist. Bei der Bundestagswahl 2021 lag ihr Zweitstimmenanteil bei 5,2 Prozent.
Gerade für die Abgeordneten von Markus Söders CSU dürfte es eng werden.Bild: imago images / Passion2Press
USA-Vergleich sorgt für Empörung
Dass Merz in seinem Statement ausgerechnet die USA als Vergleich heranzieht, wo doch dort der frühere Präsident Donald Trump mit seiner Erzählung der gestohlenen Wahl polarisiert, stößt vielen sauer auf. 2021 hatte ein gewaltbereiter Mob nach einer Rede Trumps das Kapitol gestürmt, dabei sind Menschen gestorben und zahlreiche verletzt worden.
So wirft ihm die USA-Expertin und Autorin Annika Brockschmidt etwa vor, die Ampel als Äquivalent zu den Republikanern zu framen. Gleichzeitig würde Merz aber das Gleiche tun, das die Republikaner in den USA auch machen: "Das Märchen von der angeblichen Wahlmanipulation schüren, um Grundvertrauen in die Demokratie zu untergraben. Absolut bizarr."
Auch FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigt sich von den Aussagen Merz' irritiert. Sie schreibt auf X: "Friedrich Merz ist keine Alternative, sondern ein gefährlicher Demagoge, der unverantwortliche Vergleiche zieht und das Bundesverfassungsgericht ignoriert. Dieser Mann darf nicht in Verantwortung kommen. Indiskutabel." Und ihr Parteifreund Johannes Vogel zeigt sich besorgt. Das Vertrauen in Wahlen zu beschädigen, sei Gift für die Demokratie, schreibt er auf X. Vogel stellt klar:
"Was passiert, ist 1:1 Vorschlag der Bundeswahlleiterin, bestehende gesetzliche Pflicht & demokratische Normalität – damit Wahlkreise immer vergleichbar groß sind."
Und auch aus der eigenen Partei regt sich Widerstand. So schreibt CDU-Politiker Ruprecht Polenz auf X, er halte Merz' Aussagen für "brandgefährlich". Bei der Reform gehe es um "Wahlkreisanpassungen aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und einen Vorschlag der vom Bundespräsidenten eingesetzten unabhängigen Wahlkreiskommision". Bisher seien solche Reformen einvernehmlich abgelaufen, fügt Polenz an.
Bundespräsident Steinmeier hatte bereits im Herbst deutlich gemacht, dass er das Gesetz sehr wohl für verfassungskonform halte und keine verfassungsrechtlichen Bedenken habe. Es verwies darauf, dass der Gesetzgeber nach dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts frei in der Ausgestaltung des Wahlrechts sei.
(Mit Material der dpa)
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