Marcus Weinberg (CDU), Bundestagsabgeordneter und Spitzenkandidat in Hamburg, und Noch-CDU-Chefin AKK. Bild: Getty Images/iStockphoto
Deutschland
Das schlechte Abschneiden der CDU bei der Landtagswahl
in Hamburg war erwartet worden. Dennoch ist der Schock bei den Konservativen groß.
Nur 11,2 Prozent – so lautet das vorläufige Ergebnis. Es ist das zweitschlechteste Ergebnis der CDU in ihrer Geschichte.
An diesem Montag beraten die CDU-Spitzengremien in Berlin über den Personalstreit und den weiteren Fahrplan. Und die Krise in Thüringen ist auch noch lange nicht ausgestanden.
Die CDU droht gleich an drei
Stellen zerrissen zu werden. Ein Überblick:
Hamburg Wahl: Verlust der Großstädte
Die 11,2 Prozent sind ein historischer Tiefpunkt der Partei
in der Hansestadt, räumte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak ein.
Spitzenkandidat Marcus Weinburg erklärte dies damit, dass die
CDU in Hamburg nicht mehr punkten kann – ähnlich wie in anderen
Großstädten wie Berlin.
Weinberg hatte schon vor der Wahl darauf
verwiesen, dass man den Zugang zu städtischen Milieus zu
verlieren drohe. Das liegt auch am Klima-Thema: Ein Teil der
noch verbliebenen CDU-Stammwähler in Hamburg lebt nach
parteiinternen Analysen an den Stadträndern. Weinbergs Öffnung
zu Verkehrskonzepten mit Sperrung von Teilen der Innenstadt für
den Autoverkehr als Antwort auf den Klimawandel stößt genau bei
dieser Klientel auf Ablehnung. Die AfD, so die Befürchtung, will
mit ihren eher kritischen Positionen zum Klimaschutz diese
Enttäuschten einsammeln - auch wenn sie diesmal in Hamburg nicht
punkten konnte.
Gleichzeitig wird intern in der CDU gewarnt,
dass Positionen für einen entschiedeneren Klimaschutz schon von
Grünen und der SPD besetzt sind. Ein prominenter "Bäume-Umarmer
und Bienen-Schützer" wie CSU-Chef Markus Söder fehle in der CDU
ohnehin, wird parteiintern moniert.
Thüringer Zerissenheit
Am offensten tritt die Gefahr der Spaltung der CDU aber bei
der Frage zutage, wie sich die thüringische CDU im Umgang mit
der Linkspartei verhalten soll. Am Samstag brach ein offener
Konflikt zwischen der Bundes-CDU und den thüringischen
Unionspolitikern aus.
CDU-Generalsekretär Ziemiak wirft der
CDU-Fraktion in Erfurt Bruch von Bundesvereinbarungen vor, die
eine Zusammenarbeit sowohl mit Linkspartei als auch AfD
ausschlössen. Thüringens CDU-Fraktionschef Mike Mohring konterte
in der "Bild am Sonntag" mit dem Hinweis auf die spezielle
Notlage im Parlament, in dem kein politisches Lager eine
Mehrheit hat. Von der Bundes-CDU sei "alles hysterisch
abgelehnt" worden, was es an Optionen gegeben habe.
Und der
Landtagsabgeordnete Thomas Gottweiss wirft der Bundes-CDU
schlichte Unkenntnis vor: Um zu den geforderten Neuwahlen zu
kommen, müsse erst einmal ein Ministerpräsident gewählt werden.
Das dreifache Problem: Erstens kümmert die Bundes-CDU
weniger die Notlage ihrer Kollegen in Thüringen als vielmehr die
Anti-Linken-Haltung der meisten Christdemokraten gerade in
Westdeutschland. Die CDU-Spitze und vor allem der konservative
Flügel fürchten ein Verlust an Glaubwürdigkeit. Zweitens leidet
die Autorität von Annegret Kramp-Karrenbauer, Ziemiak, aber auch von Jens
Spahn und Friedrich Merz: Denn deren harsche Ablehnung einer
Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten
kümmert in Erfurt wenige Christdemokraten, die sich die
Einmischung aus dem Westen zunehmend deutlicher
verbitten.
Drittens gibt es Streit auch in den Ost-Verbänden. So
kritisierte die CDU Sachsen-Anhalt jede auch nur indirekte
Annäherung an die Linkspartei. Der frühere brandenburgische
CDU-Chef Ingo Senftleben hält genau dies aber für das kleinere
Übel in einer ostdeutschen Parteienlandschaft, in der AfD und
Linkspartei in Wahlen über 40 Prozent der Stimmen erhalten.
Wahl des CDU-Chefs und Kanzlerkandidaten
Am Montag wird CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer in Berlin nicht
nur vor die Presse treten, um das schlechte Hamburger
Wahlergebnis zu erklären. Sie will und muss auch ein Verfahren
für die Auswahl ihres Nachfolgers vorstellen. Eigentlich war
sich die erweiterte Parteispitze einig, dass es nicht erneut ein
offenes Rennen mit mehreren Kandidaten und eventuellen
Vorstellungsrunden in den Landesverbänden geben sollte.
Doch trotz intensiver Gespräche hinter den Kulissen konnten
sich die vier aus Nordrhein-Westfalen stammenden Aspiranten
Spahn, Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen nicht einigen,
wer zurückstecken soll. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans
drängte am Sonntagabend, dass sich die möglichen Bewerber nun
endlich einmal erklären sollten – außer Röttgen hat dies bisher
niemand getan. CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus hält
deshalb jetzt sogar eine Kampfkandidatur für möglich. Dann
werden in der CDU auch Flügelkämpfe zwischen Wirtschafts- und
Sozialpolitikern der Union erwartet.
Überraschungs-Bewerber
Röttgen hat jedenfalls bereits angekündigt, dass er eine
Mitgliederbefragung möchte und notfalls auf dem Parteitag
antritt – Absprachen der anderen hin oder her.
(reuters/om)
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