Bild: reuters / HANNIBAL HANSCHKE
Deutschland
Mit einem zutiefst emotionalen Appell hat
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bevölkerung zum Durchhalten
in der Corona-Krise aufgefordert. "Liebe Mitbürger, wir müssen miteinander reden", sagte die Kanzlerin am Mittwoch im Bundestag. "Geben wir alle als Bürgerinnen und
Bürger dieser Gesellschaft wieder mehr aufeinander acht", bat Merkel. Sie erlebe derzeit, dass die
Vorsicht der Menschen nachlasse. "Wir riskieren gerade alles, was wir
in den letzten Monaten erreicht haben", warnte Merkel.
Die steigenden Infektionszahlen seien ein Zeichen dafür, dass die
Pandemie noch lange nicht vorbei sei. "Ich bin sicher: Das Leben, wie
wir es kannten, wird zurückkehren. Die Familien werden wieder feiern,
die Clubs und Theater und Fußballstadien wieder voll sein. Was für
eine Freude wird das sein", betonte Merkel.
"Aber jetzt müssen wir zeigen, dass wir weiter geduldig und vernünftig handeln und so Leben retten können."
Dabei komme es auf jeden Einzelnen an.
Merkel machen die Corona-Zahlen Sorge
Merkel sprach in der Generaldebatte des Bundestags zum Haushalt
für das Jahr 2021 - doch die Kanzlerin betonte, sie könne in dieser
Situation keine Routine-Rede halten. Alle sehnten sich wieder nach
Nähe, Berührungen und Gemeinsamkeit. "Das spüre ich selbst. Da geht
es mir nicht anders als anderen". Doch klar sei: "Wir brauchen immer
noch Abstand als Ausdruck von Fürsorge."
Merkel zeigte sich angesichts der zuletzt deutlich steigenden
Corona-Zahlen ernsthaft besorgt. Sich jetzt an die Regeln zu halten,
schütze nicht nur Ältere, sondern die offene und freie Gesellschaft
als Ganze, betonte sie. Deutschland könne durch diese historische
Herausforderung als Gemeinschaft wachsen. Merkel appellierte, die
Menschen müssten miteinander reden, erklären, vermitteln.
Mit Herbst und Winter stehe eine schwierige Zeit bevor. Merkel
verwies auch auf die von Bund und Ländern beschlossenen strengeren
Vorgaben wie ein Bußgeld von mindestens 50 Euro, wenn Gäste falsche
Angaben in Restaurant-Listen machen. Die Pandemie stelle die Welt,
Europa und Deutschland vor eine "beispiellose Bewährungsprobe", sagte
sie. Deutschland sei verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen,
auch dank außerordentlichen Verantwortungsbewusstseins der Bürger.
AfD spricht von "überzogenen Maßnahmen"
Merkel verteidigte die im Haushalt vorgesehene Neuverschuldung
von 96 Milliarden Euro angesichts einer außergewöhnlichen
Notsituation. Man könne nun "schnell und kraftvoll" auf die Krise
reagieren, da es über Jahre Etats ohne Neuverschuldung gegeben habe.
Um auch in künftigen Krisen handlungsfähig zu sein, gelte es so
schnell wie möglich zu einer "verfassungsgerechten Haushaltsführung"
zurückzukommen. Jetzt seien aber richtige Entscheidungen getroffen
worden, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und zu
investieren.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel warf der Bundesregierung
Versagen vor. "Ihre überzogenen Maßnahmen machen aus der Corona-Krise
die schwerste Rezession in der Geschichte Deutschlands", sagte sie
und verlangte: "Hören Sie auf, Panik zu schüren." Weidel kritisierte
auch die Migrationspolitik und sprach von einer Regierung, "die in
ihrer hypermoralischen Selbstgerechtigkeit blind die Fehler von 2015
wiederholt". Sie verwies unter anderem auf Straftaten durch
Zuwanderer.
Kanzlerin Merkel dagegen warb dringlich für die vorgeschlagene
Reform der europäischen Asylpolitik. Sie sei dankbar für die
Vorschläge der Brüsseler EU-Kommission. "Die Frage, wie wir das
umsetzten, ist ein Prüfstein auch für den Zusammenhalt Europas",
betonte sie. "Wenn wir auf Dauer in der Frage der Migration keine
gemeinsame Grundlage zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union finden, ist das eine schwere Bürde für die Handlungsfähigkeit
Europas." Die nationalen Regierungen können sich seit Jahren nicht
auf eine gemeinsame Linie einigen.
(hau/dpa)
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