Bundeswehrsoldaten vor einem Panzer. Bis 2011 bestand in Deutschland eine allgemeine Wehrpflicht für junge Männer.Bild: ap / Jens Meyer
Deutschland
2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Sie wieder in Kraft zu setzen, wird immer wieder mal diskutiert. Jetzt kommt ein Diskussionsanstoß von prominenter Seite.
Die neue Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) hat vor dem
Hintergrund rechtsextremistischer Vorfälle in der Bundeswehr eine
Debatte über die Wiedereinführung Wehrpflicht angestoßen. "Ich halte
es für einen Riesenfehler, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde",
sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wir müssen diese
Entscheidung sehr kritisch analysieren."
Auf die Nachfrage, ob sie für die Wiedereinführung sei, antwortete
die Sozialdemokratin: "Natürlich müssen wir das Problem der
Wehrgerechtigkeit im Auge behalten. Es tut der Bundeswehr jedenfalls
sehr gut, wenn ein großer Teil der Gesellschaft eine Zeit lang seinen
Dienst leistet. Das erschwert es auch, dass sich Rechtsextremismus in
der Truppe breit macht. Ich möchte darüber im nächsten Jahr intensiv
diskutieren." Dann ist die Aussetzung der Wehrpflicht zehn Jahre her.
Ob es für die Rücknahme der Entscheidung eine politische Mehrheit
gibt, "das wird sich am Ende der Debatte zeigen", sagte Högl.
Zuletzt waren immer wieder Fälle von Rechtsextremismusverdacht bei
aktiven und ehemaligen Soldaten aufgetaucht, darunter bei der
Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK). Auf dem Grundstück eines
KSK-Soldaten in Sachsen war ein Waffenlager ausgehoben worden.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte als
Konsequenz angekündigt, das KSK umzustrukturieren und eine Kompanie
aufzulösen.
Linke, Grüne und FDP sind dagegen
In der Linksfraktion stieß Högl mit ihrem Vorstoß auf energischen
Widerspruch. "Rechtsextremistisches Gedankengut und
rechtsterroristische Gewaltfantasien in der Bundeswehr stehen nicht
kausal mit dem Ende der Wehrpflicht in Zusammenhang, sondern mit
einer Kultur in der Bundeswehr, die dies über Jahrzehnte zugelassen
und toleriert hat", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch am Samstag
der Deutschen Presse-Agentur.
Eine Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht sei "ein
gefährlicher Pappkamerad", der die offensichtlichen Probleme in der
Truppe nicht lösen werde.
"Statt jungen Leuten mit der Wehrpflicht selbstbestimmte Zeit zu nehmen, brauchen wir auf allen Ebenen der Bundeswehr eine Nulltoleranz gegenüber geschichtsvergessenen Faschisten, die glauben, in Uniform ihr krankes Gedankengut ausleben zu können."
Dietmar Bartsch, Linke
Ähnlich äußerten sich die Grünen. Der Grünen-Sicherheitsexperte Tobias Lindner sprach von einer Debatte
im "Sommerloch". "Die Wehrpflicht würde der Bundeswehr
sicherheitspolitisch keinen Vorteil bringen, sondern
lediglich massive personelle und finanzielle Ressourcen
verschlingen", sagte Lindner in Berlin.
"Wer will, dass die Truppe auch weiterhin möglichst die Breite der Gesellschaft abbildet, muss nicht nur eine angemessene Bezahlung und Ausrüstung sicherstellen."
Tobias Lindner, FDP
Und auch die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hält nichts davon, über die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu diskutieren. Das sei "vollkommen überflüssig", sagte Strack-Zimmermann am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Bundeswehr brauche für ihre hochkomplexen Aufgaben Spezialisten. "Schlichtweg falsch" sei es, die Wehrpflicht als Antwort gegen Rechtsextreme in der Truppe zu nennen.
"Rechte Tendenzen in der Truppe bekämpft man nicht durch die Zwangsverpflichtung aller jungen Menschen."
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Wehrpflicht bestand bis 2011
2011 war die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland und damit auch der
Zivildienst ausgesetzt worden. Die Bundeswehr wurde so zu einer
Freiwilligenarmee. Quasi als Ersatz für den Zivildienst wurde der
Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Die grundsätzliche Idee hinter
einem Dienstjahr ist der Wunsch nach mehr gesellschaftlichem
Engagement der Jugend.
Über die Wehrpflicht wurde seit 2011 immer wieder diskutiert. Sowohl
Kanzlerin Angela Merkel als auch Kramp-Karrenbauer haben sich bisher
gegen eine Wiedereinführung ausgesprochen – unter anderem, weil die
Anforderungen an die Soldaten heute andere seien.
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer hatte vor der Corona-Pandemie immer
wieder für die Einführung eines allgemeinen Dienstjahrs für junge
Männer und Frauen geworben. Dieses "Deutschlandjahr" könnte nicht nur
bei der Bundeswehr, sondern auch in der Pflege, der Umwelthilfe oder
bei der Feuerwehr geleistet werden, erklärte Kramp-Karrenbauer noch
im Januar. Sie sprach damals von zwei möglichen Modellen – ein
Pflichtjahr und eine freiwillige Dienstzeit.
(om/dpa/afp)
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