Eine große Razzia gegen Anhänger:innen der Terrormiliz Islamischer Staat, Haftstrafen gegen die Aktivistin Lina E. und drei weitere Personen sowie Ermittlungen gegen 34 Personen aus dem radikalen Fußballmilieu im Erzgebirge: Der Verfassungsschutz blickte am Dienstag auf die besonders großen Fälle aus dem vergangenen Jahr zurück.
Fälle, in denen sowohl die freiheitlich demokratische Grundordnung in Deutschland als auch die innere Sicherheit in Gefahr geraten sind.
Diese Gefährdung sieht der Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium vor allem im Extremismus – sowohl aus dem rechten als auch aus dem linken Milieu.
Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2022 durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang wurde deutlich: Die Zahl der Menschen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden, stieg im Vergleich zum Vorjahr um rund 14,5 Prozent auf 38.800 an.
Die Einschätzung zum Linksextremismus überraschte allerdings.
Einer der Gründe für die starke Zunahme im Rechtsextremismus ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz erstmals Angehörige der AfD hinzurechnet: Die Partei wird inzwischen als Verdachtsfall beobachtet. Die Einstufung als Verdachtsfall hatte das Kölner Verwaltungsgericht im März 2022 bestätigt. Die AfD legte Berufung ein. Das Verfahren ist nicht abgeschlossen.
Zwar würden bei weitem nicht alle Mitglieder der AfD zu dieser Strömung gerechnet, der Verfassungsschutz schätzt die Zahl innerhalb der AfD und ihrer Parteijugend (Junge Alternative) allerdings auf etwa 10.200.
Die Grenzen würden laut Haldenwang innerhalb von Phänomenbereichen verschwimmen, es entstünden "Mischszenen". Die größte Gefahr für die Demokratie sei aber weiterhin der Rechtsextremismus.
"Wir dürfen die mörderische Gefahr von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus nicht unterschätzen", betonte Nancy Faeser. Die Szene müsse entwaffnet werden. "Wir gehen dabei mit voller Härte gegen Menschen vor, die unsere Demokratie gefährden", sagte Faeser weiter, auch mit Blick auf die Reichsbürger-Szene.
Ein weiterer Bereich, der sehr im Fokus stehe, sei der Linksextremismus, erklärten Faeser und Haldenwang. Laut Verfassungsschutz ist das linksextremistische Potenzial im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent auf 36.500 Menschen angestiegen. Mehr als jede:r vierte Linksextremist:in wird als gewaltorientiert angesehen.
Zum Vergleich: Unter den rund 40.000 Rechtsextremisten ist der Anteil der Gewaltorientierten – mit 14.000 – noch etwas höher.
Was überrascht: Während die tatsächliche Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten 2022 um rund 37,4 Prozent zurückging, steigt das Gefahrenpotenzial dennoch an.
Denn einzelne besonders schwere Angriffe würden laut Haldenwang nach wie vor das hohe Gefahrenpotenzial im gewaltorientierten Linksextremismus zeigen. Die direkte körperliche Gewalt gegen tatsächliche oder als solche ausgemachte Rechtsextremisten habe zudem ebenfalls zugenommen.
(Mit Material der dpa)