Angela Merkel steht erneut vor schweren Entscheidungen in der Corona-Krise.Bild: imago images / bildgehege
Deutschland
12.12.2020, 08:5812.12.2020, 11:30
Vor den geplanten Beratungen von Bund und
Ländern an diesem Sonntag gibt es immer mehr Forderungen nach einem
schnellen Lockdown. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
warnte vor Kontrollverlust in der Corona-Pandemie und drängte zu
schnellem Handeln noch vor Weihnachten. "Das Infektionsgeschehen hat
sich in den letzten drei Tagen dramatisch beschleunigt. Wir sind
wieder in einer Phase exponentiellen Wachstums und sehen, dass die
ersten Intensivstationen an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen", sagte
er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Man könne auf
gar keinen Fall bis nach Weihnachten warten, ehe man reagiere. "Wir
müssen jetzt klären, wie es weitergeht. Sonst gerät der
Pandemie-Verlauf vollständig außer Kontrolle", sagte Altmaier.
Die Länderchefs wollen an diesem Sonntag (ab 10.00 Uhr) mit
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über schärfere Corona-Regeln beraten.
Einige Länder haben bereits weitreichende Beschränkungen erlassen. In
Sachsen zum Beispiel soll am Montag ein Lockdown beginnen. In
Baden-Württemberg gilt bereits ab Samstag eine Ausgangsbeschränkung.
Merkel will angeblich Läden und Schulen ab Mittwoch schließen
Es gilt als relativ sicher, dass die Ministerpräsidenten einen
Lockdown beschließen. Unklar ist jedoch noch, wann dieser starten
soll und was er genau umfasst. Laut "Bild"-Zeitung plädiert das
Kanzleramt für Laden-, Schul- und Kitaschließungen ab dem kommenden
Mittwoch.
Nur Lebensmittelläden und eventuell Drogeriemärkte sollen demnach geöffnet bleiben, wenn Merkel mit ihrem Vorschlag bei den Ministerpräsidenten durchkommt.
Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer plädierte zudem
für eine gemeinsame Entscheidung gegen die Öffnung der deutschen
Skigebiete. "Alles andere wäre angesichts der Zahlen inkonsequent",
sagte er dem "Spiegel".
Auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus bekräftigte seine
Forderung nach scharfen Kontaktregeln für die Feiertage. "Ich war
immer skeptisch gegenüber gelockerten Kontaktbeschränkungen an
Weihnachten und Silvester. Die Lockerung auf zehn Personen ohne
Kinder unter 14 Jahren sollte verworfen und die Treffen auf zwei
Haushalte beschränkt werden - auch an den Feiertagen. Wir brauchen
eine Kombination aus strengen Regeln und Eigenverantwortung."
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus fordert ein strenges Durchgreifen.Bild: imago images / Florian Gaertner/photothek.de
Zum derzeit angepeilten Ende eines möglichen harten Lockdowns
sagte Brinkhaus: "Am Wochenende nach dem Dreikönigstag ist die
Ferienzeit überall zu Ende und alle Betriebe fangen spätestens dann
wieder im vollen Umfang an zu arbeiten. Ich glaube aber nicht, dass
ab dem 10. Januar alles wieder so ist wie im September."
Gleichzeitig appellierte Brinkhaus an die Kirchen, sich
Alternativen zu Gottesdiensten zu überlegen. "Ich appelliere an die
Einsicht der christlichen Kirchen, die kirchlichen Veranstaltungen so
weit wie möglich zurückzufahren und nach Alternativen zu suchen, um
die Gläubigen keinem Risiko auszusetzen. Gegebenenfalls muss da aber
auch noch auf dem Verordnungsweg nachgesteuert werden", sagte der
CDU-Politiker der "Rheinischen Post" (Samstag).
Lindner warnt vor Unverhältnismäßigkeit
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner pocht auf die Wahrung der
Verhältnismäßigkeit bei den geplanten neuen Maßnahmen. "Es wird nun
zu einer Corona-Notbremse kommen, weil eine dauerhaft durchhaltbare
Strategie noch fehlt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in
Berlin. "Dabei darf aber nicht unverhältnismäßig scharf in
Grundrechte eingegriffen werden." Lindner lehnte insbesondere
Ausgangsbeschränkungen ab. "Pauschale und flächendeckende
Ausgangssperren wie in Bayern sind unnötig und schießen über das Ziel
hinaus. Vom Spaziergang der Mitglieder eines Hausstands oder vom
Sport unter freiem Himmel geht kein Infektionsrisiko aus." Lindner
betonte: "Bund und Länder müssen in der Gefahrensituation Maß
halten." Davon hänge auch die Akzeptanz in der Bevölkerung ab.
Christian Lindner lehnt Ausgangsbeschränkungen ab.Bild: imago images / Christian Spicker
Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt,
forderte ein schnelles Ende des Präsenzunterrichts. "Wo es noch nicht
geschehen ist, muss jetzt zügig auf Digital- und Distanzunterricht
umgeschaltet werden", sagte er der "Augsburger Allgemeinen"
(Samstag). Zudem müssten die Ferien früher beginnen, außerdem brauche
es schnell einen harten Lockdown mit strenger Einschränkung von
Kontakten. "In den Schulen müssen wir sofort handeln, und der harte
Lockdown sollte noch vor Weihnachten beginnen", sagte Dobrindt.
Intensivmediziner für sofortigen Lockdown
Auch Städtetagspräsident Burkhard Jung (SPD) sprach sich für
einen bundesweiten, einheitlichen und harten Lockdown vor Weihnachten
aus. "Ein vollständiger Lockdown muss bundesweit gelten", sagte der
Leipziger Oberbürgermeister der "Rheinischen Post" (Samstag). "Es
darf nicht passieren, dass der Einzelhandel im Land A geschlossen und
im Land B geöffnet ist", sagte Jung. "Und die Regeln müssen klar,
verständlich und so einheitlich wie möglich sein. Denn die Menschen
müssen sie gut nachvollziehen können."
Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis forderte einen
harten Lockdown bereits ab Montag: Ein vollständiger Lockdown ab dem
14. Dezember könnte zu einer baldigen Trendumkehr bei den
Intensivkapazitäten führen, sagte der wissenschaftliche Leiter des
Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für
Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) den Zeitungen der Funke
Mediengruppe. Neue Modellrechnungen der DIVI zeigten, "dass
ein strenger Lockdown am Montag dazu führt, dass die Intensivbelegung
bis kurz vor Weihnachten noch ansteigt, und dann kurz vor Heiligabend
bereits erheblich abfällt", so der Karagiannidis. "Jetzt runterfahren
und im Januar wieder lockern."
Patientenschützer dringen angesichts der steigenden
Corona-Infektionszahlen auch auf bessere Sicherheitsgarantien für
Pflegebedürftige. Für die Altenpflege sei ein Lockdown "kein Ersatz
für bundesweit verbindliche Schutzvorkehrungen", sagte der Vorstand
der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen
Presse-Agentur. Alle Heime und Einrichtungen der ambulanten Pflege
bräuchten unter anderem sicheren Infektionsgrundschutz, Corona-Tests
zweimal pro Woche und tägliche Schnelltests. Es gelte, nicht nur über
Weihnachten, sondern durch eine noch Monate dauernde Krise zu
kommen.
(hau/dpa)
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