Wie wird es in Deutschland angesichts der Pandemie weitergehen? Können wir in Kürze mit Lockerungen rechnen oder werden die Beschränkungen verlängert? All das sind Fragen, die aktuell überall diskutiert werden. Auch bei Markus Lanz ging es am Dienstagabend um das Thema.
Neben Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, Philosoph Richard David Precht und Medizinethikerin Christiane Woopen war auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer per Video zugeschaltet. Sie wurde von Moderator Lanz zu Beginn der Sendung immer wieder mit einer Frage gelöchert: Wie steht sie zu der Wiederaufnahme des Schulbetriebs und der Öffnung der Kitas?
Doch so richtig wollte die Politikerin zunächst mit einer Antwort nicht rausrücken. Immer wieder schaffte sie es, die Frage nach den Schulen zu umgehen. Berichtete stattdessen von neuen Höflichkeitsformeln, neuen Formen des Respekts und den Hygienemaßnahmen.
Drei Mal hakt Lanz zum Thema Schulen nach – ohne Erfolg. Aber er ließ nicht locker. Beim vierten Mal nagelte er sie fest und ließ ihr keine Möglichkeit, der Frage weiter auszuweichen.
Dreyer präsentierte dann eine klare Meinung zum Thema Schulen und Kitas – und wich in einem Punkt erheblich von den Aussagen des kürzlich vorgepreschten NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet ab. Dass Schüler, für die Prüfungen anstehen, wieder in den Unterricht gelassen werden, hält sie für denkbar. "Ich finde es wichtig, dass wir ihnen nicht die Zukunft verbauen und gleichzeitig ist es keine Kunst, das auch in kleineren Gruppen zu machen und Abstand einzuhalten und alle Dinge, die wichtig sind", sagte sie.
Das Thema Kitas sah sie hingegen ganz kritisch. Dass Kitas in absehbarer Zeit in einen Normalbetrieb zurückkehren, hält sie für unrealistisch. Sie setzt eher auf ein möglicherweise erweitertes Notbetreuungssystem. "Zurück in die offenen Kitas direkt übernächste Woche, das halte ich für einen Schritt zu viel", erklärte sie. In NRW sollen die Kitas ab dem 27. April wieder öffnen.
Ob sie in Schulen auch das Tragen von Schutzmasken, wie von den Leopoldina-Forschern empfohlen, für sinnvoll halte, wollte Markus Lanz noch von ihr wissen. Beim Thema Maskenpflicht sei sie generell offen, sagte Malu Dreyer. Aber es müsse richtig eingeordnet werden, mahnte sie. Die Leute sollten nicht denken, dass sie nur durch eine Maske geschützt seien und keinen Abstand mehr wahren müssten. Wenn jedoch die öffentlichen Verkehrsmittel wieder voller würden, könne eine Maske sinnvoll sein, genau wie auf Schulhöfen, falls die Pausen nicht so organisiert werden könnten, dass nur wenige Schüler auf dem Hof seien.
Das Thema Masken wollte Lanz dann auch gar nicht weiter ausführen, darüber sei mittlerweile ausführlich gesprochen worden. Einen letzten Kommentar zum Thema hatte er dann aber noch.
Zahlreiche Kliniken und Praxen in Deutschland hatten zu Beginn des Ausbruchs über fehlende Schutzkleidung geklagt.
Aber nicht nur Masken und mögliche Schulöffnungen waren am Dienstag Thema. Es ging auch um die Heinsberg-Studie von Virologe Hendrik Streeck und seinen Kollegen. Denn die sorgt noch immer für Diskussionen.
Streeck hatte im schwer von Corona getroffenen Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen untersucht, wie viele Menschen dort bereits mit dem Virus infiziert waren. Die Zahl fiel erheblich höher aus, als die Zahlen der Gesundheitsämter angezeigt hatten.
Während Medizinethikerin Woopen den Zeitpunkt der Studienveröffentlichung für ungünstig hielt und Streecks Vorgehen kritisierte, nahm Virologe Schmidt-Chanasit seinen Kollegen etwas in Schutz.
Woopen meinte, "es geht nicht nur um einen Streit unter Virologen", denn man könne aktuell auch als Wissenschaftler noch gar nicht so über die Ergebnisse diskutieren, da man noch viel zu wenig wisse. Es seien nur Zwischenergebnisse. "Und dann muss man sich fragen: Was hat die Politik von den Zwischenergebnissen. Ja, es ist interessant, aber wir können daraus noch keine bundesdeutschen Ergebnisse herleiten", sagte sie. Auch der Bürger sei angesichts der kommunizierten Ergebnisse etwas verloren. Man wisse nicht, was man glauben solle und höre nur diesen Streit, kritisierte sie.
Schmidt-Chanasit sah das anders. Die Heinsberg-Studie sei klar als Zwischenergebnis kommuniziert worden. Auch wenn es nur ein Zwischenergebnis sei: Die Zahlen, vor allem zur Sterblichkeit, seien sehr interessant. Die Heinsberg-Studie stellte eine Letalität von 0,37 Prozent fest, während nach aktuellen Zahlen im Durchschnitt in Deutschland ein Prozent der Corona-Kranken stirbt.
Woopen hingegen mahnte zur Vorsicht. Gerade mit diesen Daten bewege man sich in einem extrem sensiblen Bereich. Man hätte warten sollen, bis man "klare, begrenzte Aussagen" hätte machen können. Schmidt-Chanasit ist da etwas anderer Meinung: "Dass man da zumindest schon, wenn die Basis stimmt, eine Grundlage schafft, halte ich für okay", sagte er.
Man könne daraus schon jetzt ableiten, dass die Sterblichkeit geringer sei, als bisher angenommen wird, weil viele Menschen still die Infektion durchgemacht hätten, erklärte er. "Ich finde das okay und auch wichtig, dass die Studie stattgefunden hat", sagte er. Einen Kritikpunkt hatte er dennoch: Eine solche Studie hätte noch viel früher begonnen werden müssen.
(jei)