Duell im ZDF: SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (l.) streitet mit FDP-Vize Wolfgang Kubicki.bild: Screenshot ZDF
Deutschland
Nützen sie oder sperren sie die Menschen unnötig zu Hause ein? Ausgangsbeschränkungen gehören zu den umstrittensten Maßnahmen, welche die Koalitionspartner Union und SPD ins Infektionsschutzgesetz aufnehmen wollen.
Im ZDF-"Morgenmagazin" lieferten sich am Dienstagmorgen die Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach von der SPD und Wolfgang Kubicki von der FDP einen Schlagabtausch über Sinn und Unsinn von Ausgangsbeschränkungen.
Lauterbach, Gesundheitspolitiker und selber Arzt, sei froh, dass der Bundestag voraussichtlich am Mittwoch und der Bundesrat am Donnerstag die Maßnahme beschließen werden. Sie wäre Teil der bundesweiten Notbremse, die automatisch greift, wenn drei Tage in Folge die Inzidenz pro 100.000 Einwohner höher als 100 ist. "Die Ausgangsbeschränkungen sind wichtig, aber allein nicht ausreichend", so Lauterbach.
Im Vorfeld entstanden Diskussionen über die Ausgestaltung der Beschränkung. Schließlich einigten sich Union und SPD darauf, die Ausgangssperre auf die Zeit zwischen 22.00 Uhr und 05.00 Uhr zu beschränken. Joggen und Spaziergänge sollen bis Mitternacht erlaubt sein.
"Wenn sie früher beginnen würden, zum Beispiel ab 20 Uhr, wären sie wirkungsvoller gewesen", gibt Lauterbach zu bedenken. "Aber es nützt auch so etwas. Deshalb stehe ich hinter dem Entwurf des Gesetzes."
Lauterbachs eigene Fraktion sorgte für Verkürzung der Ausgangsbeschränkung
Wolfgang Kubicki hält dagegen: Die Behauptungen von Lauterbach seien unzutreffend. Der FDP-Politiker behauptet, es gebe keine Evidenz dafür, dass Ausgangsbeschränkungen helfen, die Pandemie in den Griff zu kriegen. Er verweist auf Studien aus Frankreich und aus Stanford.
Dann holt Kubicki zu einem Seitenhieb gegen den SPD-Kollegen aus: "Wenn ich Karl Lauterbach wäre, würde ich mich fragen, wieso es mir nicht gelungen ist, meine eigene Fraktion zu überzeugen. Denn die war es ja, die eine Verkürzung der Ausgangssperre vorgenommen hat." Die Beschränkungen seien sinnlos, griffen massiv in Grundrechte ein und seien deshalb unverhältnismäßig. Dazu zitiert Kubicki auch Studien, die den Nutzen von Ausgangssperren so nicht sehen.
Kubicki kündigt Gang vors Bundesverfassungsgericht an
Mediziner Lauterbach lässt das nicht auf sich sitzen und erklärt, dass es immer sich widersprechende Studien gebe. Relevant seien Meta-Analysen, also Studien, die mehrere Studien zusammen analysierten. Und die zeigten, dass Ausgangsbeschränkungen wirkungsvoll seien. "Die Mehrheit der Wissenschaftler sagen, dass Ausgangsbeschränkungen den R-Wert um zwischen zehn und zwanzig Prozent absenken." Die Maßnahme würde ein Viertel dazu beitragen, den R-Wert unter eins zu bringen, so Lauterbach. Der R-Wert gibt an, wie viele Personen eine angesteckte Person im Schnitt ansteckt.
Das alles will der FDP-Abgeordnete nicht gelten lassen. Er kündigt an, dass eine Ausgangsbeschränkung nach Karlsruhe vors Bundesverfassungsgericht gezogen werde. Lauterbach zeigt sich unbeeindruckt. "Es ist selbstverständlich, dass eine so einschneidende Maßnahme verfassungsrechtlich geprüft wird. Davor haben wir keine Angst. Der Bundestag, die große Koalition, hat dies ja auch gemacht."
Lauterbach lässt durchblicken, dass Menschen, von denen keine Gefahr mehr ausgeht, also beispielsweise negativ Getestete oder Geimpfte, gebührend in Gesetzesverordnungen berücksichtigt würden. Was das im Detail bedeutet, wird sich noch zeigen.
Lauterbach reagiert auf watson-Artikel – Kubicki verteidigt sich
Nach dem TV-Interview geht die Diskussion weiter. Karl Lauterbach wirft der FDP auf Twitter vor, die Regeln so abzuschwächen, dass eine erfolgreiche Prävention unmöglich wird.
Gegenüber watson verteidigt sich Kubicki. Es sei wichtig, "über den besseren Weg zu streiten". Dass er und die FDP die Regeln in der Pandemie-Prävention verwässern wollten, bezeichnet er als "Unsinn". "Seine eigenen Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion haben offensichtlich darauf gedrängt, dass der Entwurf der Bundesregierung vor allem bei den Ausgangssperren noch einmal abgeschwächt wurde.“ Die FDP sei - im Gegensatz zu den Sozialdemokraten - nicht Teil der Koalition. Kubicki: „Ich wundere mich nur, dass der Kollege Lauterbach mich bzw. die FDP angreift und nicht innerhalb seiner eigenen Fraktion mit seinem ganzen politischen Gewicht dafür kämpft, dass die Regelungen so getroffen werden, dass sie seinen Vorstellungen entsprechen. Dort konnte er sich offensichtlich nicht durchsetzen. Dafür können aber die Freien Demokraten nichts.“
In der SPD tobt derzeit die K-Frage, die Diskussion über den nächsten Kanzlerkandidaten. Kanzler Olaf Scholz zeigt sich entschlossen, erneut anzutreten. Doch die Umfragen sprechen eine andere Sprache, zumindest zum aktuellen Zeitpunkt.