Einer. So viele AfD-Abgeordneten sitzen derzeit im EU-Parlament. Nach der Wahl Ende Mai wird sich das voraussichtlich drastisch ändern. Die AfD ist jedoch nicht die einzige deutsche Rechtsaußen-Partei, die zur Wahl antritt. Auch gewalttätige Neonazis werden auf den Stimmzetteln stehen. Chancen auf einen Sitz im Parlament haben sie kaum. Doch darum geht es ihnen gar nicht. Warum antidemokratische EU-Feinde an der Europawahl teilnehmen.
Die AfD und das europäische Rechtsaußen-Bündnis
Jörg Meuthen soll die AfD im Mai zum europäischen Erfolg führen. Er ist momentan der einzige Abgeordnete seiner Partei im EU-Parlament. Die AfD war 2014 mit sieben Abgeordneten eingezogen, sechs verließen die Partei seitdem. Nach der Wahl wird das wohl deutlich anders aus: Die letzten Wahlumfragen sehen die Partei bei zehn bis zwölf Prozent.
Die europäischen Rechtsaußen-Parteien machen derweil nicht nur Wahlkampf, sie bereiten auch schon ein neues Bündnis für die kommende Legislaturperiode vor. Unter der Federführung des italienischen Innenministers Matteo Salvini soll eine Fraktion entstehen, die Europas wichtigste Rechtsaußen-Parteien vereint. Salvinis Lega ist dabei, die österreichische FPÖ und der französische Rassemblement National (ehemals Front National). Und auch die AfD will mit ins Boot. Zu einem ersten öffentlichkeitswirksamen Treffen in Mailand im April hatte Salvini auch Meuthen eingeladen.
Der rechte Posterboy Salvini und sein deutscher Ansprechpartner Meuthen.Bild: www.imago-images.de
Diese Einladung zeige, welchen bedeutenden Faktor die AfD mittlerweile im Europa der Rechtsaußen darstellt, sagt der Düsseldorfer Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler.
Häusler erklärt:
"Das Abschneiden der AfD hat eine hohe Bedeutung für die anderen Rechtsaußen-Parteien in Europa. Deutschland ist ein wichtiger wirtschaftlicher und politischer Player. Bislang waren die rechten Parteien in unseren Nachbarländern wesentlich stärker, als hierzulande. Diese Parteien haben in Deutschland vergeblich nach einem Ansprechpartner gesucht. Mit der AfD gibt es nun so einen Ansprechpartner."
Die Rechtsaußen-Partei, die es geschafft hat
Das zu schaffen, haben in Deutschland viele versucht: Eine Partei weit rechts der Union zu etablieren, die nennenswerte Wahlerfolge erzielt, in Ländern, Bund und EU. Die NPD und die Republikaner schafften das lediglich mehrfach auf der Landesebene und jeweils einmal bei den Wahlen zum EU-Parlament. Mehrere rechtspopulistische Parteigründungen endeten in den letzten Jahrzehnten als Rohrkrepierer: Sie zerstritten sich, scheiterten an der eigenen Inkompetenz, oder schafften es nicht, sich vom Neonazi-Image zu lösen. Parteien wie die AfD "haben sich etwa in ihrem Sprachduktus modernisiert und treten im Unterschied zu den klassischen rechtsextremen Parteien pseudo-demokratischer auf", sagt Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler. Deswegen würden sie mehr Zuspruch bekommen.
Für rechtsextreme Parteien, die diesen Schritt nicht gemacht haben, bedeuten die Wahlerfolge der AfD einen weiteren Bedeutungsverlust. Zwar werden ihre Themen und Ansichten nun in Parlamenten und Fernseh-Talkshow verbreitet – aber eben nicht von ihnen. Die ohnehin geringen Aussichten auf Wahlerfolge etwa für die NPD werden kleiner und kleiner.
Gewalttätige Neonazis auf dem Stimmzettel
Das hält die Rechtsextremen jedoch nicht davon ab, sich zur Wahl zu stellen. Bei der Europawahl kandidieren in Deutschland gleich drei Parteien aus dem klassischen Neonazi-Spektrum.
Als einzige von ihnen ist die NPD bereits in Brüssel und Straßburg vertreten. Mit einem Prozent der Stimmen wurde Udo Voigt 2014 ins EU-Parlament gewählt. Dort ist er isoliert, nicht einmal die Rechtsaußen-Fraktionen wollen mit dem Neonazi etwas zu tun haben. Er kandidiert trotzdem erneut und will nach der Wahl im Mai zurück auf die europäische Bühne.
Rechts von ihm kommt im EU-Parlament nur noch die Wand: Udo Voigt.Bild: imago stock&people
Seine Chancen, das zu schaffen, stehen deutlich schlechter als vor fünf Jahren. Das liegt nicht nur am Aufstieg der AfD, die alteingesessene Neonazi-Partei NPD liegt bundesweit in Trümmern. Selbst in ihren ostdeutschen Hochburgen hat sie in den vergangenen Jahren massiv an Relevanz verloren.
Neben der NPD treten auch die Kleinstparteien Die Rechte und Der Dritte Weg zur Europawahl an. Einen Wahlerfolg werden sie nicht einfahren. Doch darum geht es ihnen gar nicht. Für sie ist die Wahlteilnahme nur der Teil einer Strategie. Beide stammen aus dem neonazistischen Kameradschafts-Spektrum. Dieser Teil des Rechtsextremismus' hat mit Parteien eigentlich nichts am Hut. Er organisiert sich auf lokaler und regionaler Ebene, ohne offiziell Teil einer großen übergeordneten Struktur zu sein. Das diente der Szene lange als Strategie, um dem Staat weniger Angriffsfläche für Organisationsverbote zu geben.
Eine Kundgebung der Kleinstpartei Die Rechte in Dortmund. In der Mitte: Der vielfach vorbestrafte Alt-Hooligan und Neonazi Siegfried "SS-Siggi" Borchardt.Bild: felix huesmann
In ganz Deutschland existieren solche rechtsextremen Kameradschaften. Sie organisieren Demonstrationen und Veranstaltungen, sind gewalttätig und orientieren sich an der Politik der Nationalsozialisten. Mancherorts gibt es dabei enge Zusammenarbeit mit der NPD, andernorts sind sich Kameradschaften und Partei spinnefeind.
Parteigründungen als Strategie gegen Verbote
Seit 2012 gibt es in dieser extrem gewaltbereiten Szene jedoch einen neuen Trend: Nachdem in Nordrhein-Westfalen mehrere Kameradschaften verboten wurden, organisierten sich die Neonazis neu. Das alte Modell der Partei wurde reaktiviert. Die Mitglieder der nun verbotenen Gruppen traten reihenweise in die bereits zuvor gegründete Neonazi-Partei Die Rechte ein. Die Hochburg der Kleinstpartei ist Dortmund, wo die Neonazis bereits seit Jahrzehnten ihr Unwesen treiben. Dort und im benachbarten Hamm sitzen sie seit 2014 sogar mit einem Vertreter im Stadtrat. Die rechtsextremen Strukturen haben sich durch die Neuorganisierung als Partei vor allem auf dem Papier verändert. Auf der Straße fallen sie noch immer durch volksverhetzende Demonstrationen und Gewalttaten auf.
Auch der Dritte Weg ist wenig mehr als ein legales Sammelbecken für die Mitglieder einer 2014 verbotenen Neonazi-Organisation. Die Kleinstpartei ist vor allem in Süd- und Ostdeutschland aktiv.
Warum treten rechtsextreme Gewalttäter, die nicht nur die EU, sondern die Demokratie abschaffen wollen, also zur Europawahl an?
Alexander Häusler erklärt:
"Die Teilnahme der Partei Die Rechte an der Wahl kann man als einen taktischen Zug interpretieren, um formal den Partei-Status zu behalten, und nicht verboten zu werden."
Diese Statuts-Frage ist wichtig: Verfassungsfeindliche rechtsextreme Kameradschaften und Vereine können die Innenminister der Länder verbieten. Ein Parteiverbot ist nur durch das Bundesverfassungsgericht möglich. Die Hürden dafür sind hoch. Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterten bereits zwei Mal – obwohl die Verfassungsrichter zuletzt keinen Zweifel daran ließen, dass sie die Partei für verfassungsfeindlich halten.
Ihren Wahlkampf eröffnete Die Rechte mit einer Demonstration in Wuppertal – am Geburtstag Adolf Hitlers.Bild: www.imago-images.de
Provokation durch Wahlplakate
Den Neonazis geht es bei der Teilnahme an Wahlen aber nicht nur um diese juristische Frage. Sie nutzen die Wahlkampfzeit auch zur Verbreitung rechtsextremer Propaganda und Provokationen. "Wir hängen nicht nur Plakate" druckt die Kleinstpartei Die Rechte etwa seit mehreren Jahren immer wieder auf ihre Wahlplakate. Die Plakate spielen darauf an, politische Gegner aufhängen zu wollen und sind dabei doch so formuliert, dass sie nur schwer juristisch zu beanstanden sind. Auf andere Plakate druckte Die Rechte für den Europawahlkampf den Satz "Israel ist unser Unglück". Die Anspielung auf die antisemitische Parole "Die Juden sind unser Unglück" liegt nahe.
Der Dritte Weg hat zur Europawahl in mehreren Bundesländern Plakate aufgehängt, auf denen vor einem Bild von Gitterstäben "Reserviert für Volksverräter" steht. In Chemnitz ließ die Stadt die Plakate abhängen, die Staatsanwaltschaft prüft, ob der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist. Durch solche Plakat würden die Grenzen des Sagbaren erweitert und die Grenzen des Erlaubten ausgelotet, sagt Rechtsextremismusforscher Häusler.
"Die Möglichkeiten, die eine parlamentarische Demokratie zur Mitbestimmung bietet, werden von dieser Seite ausgenutzt, um eine offen antidemokratische, rassistische und antisemitische Politik zu betreiben."
Alexander Häusler
Durch die Aufregung über die Wahlplakate erlangen die Kleinstparteien bundesweite Aufmerksameit. In der Berichterstattung darüber gerät eins oft in den Hintergrund: Wie irrelevant die Parteien politisch eigentlich sind. Die kalkulierte Provokation geht als Werbestrategie immer wieder auf.
Antisemitische Plakate der Partei Die Rechte.Bild: www.imago-images.de
Europäische Neonazi-Allianzen
Nachdem die großen europäischen Rechtsaußen-Parteien die Gründung einer neuen Fraktion nach der Europawahl angekündigt haben, haben auch mehrere europäische Neonazi-Organisationen am Osterwochenende ein Bündnis ins Leben gerufen. Neonazis aus mehreren Ländern trafen sich in der bulgarischen Hauptstadt Sofia und gründeten das Bündnis "Festung Europa". Neben Rechtsextremisten aus Ungarn, Bulgarien, Polen, Frankreich und Tschechien waren auch Vertreter von Die Rechte an der Gründung beteiligt.
Ein solches Bündnis zur Wahlkampfzeit ist neu, die europaweite Vernetzung deutscher Neonazis jedoch nicht. "Die Kader dieser Neonazi-Kleinstparteien sind eng vernetzt mit anderen neonazistischen und faschistischen Gruppen aus dem Ausland", berichtet Alexander Häusler. "Die reisen regelmäßig nach Polen, Ungarn, in die Ukraine und andere Länder, um Kontakte im rechtsextremen Milieu zu knüpfen."
Erst im Februar nahmen Vertreter des Dritten Wegs und von Die Rechte an einem rechtsextremen Aufmarsch in Budapest teil. Der Dortmunder Neonazi Matthias Deyda (Die Rechte) zitierte dort in einem Redebeitrag Adolf Hitler.
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