An diesem Mittwoch wird Bundeskanzlerin Angela Merkel 65 Jahre alt – am Dienstag zeichnete das ZDF in "Mensch Merkel!" die lange Karriere der Angela Merkel nach.
Seit 14 Jahren sitzt Merkel im Bundeskanzleramt, und dennoch sei bis zuletzt vielen eine rätselhafte Sphinx geblieben, so die Ausgangsposition der Doku. Auch Merkels frühere Weggefährten kommen in der Sendung zu Wort, und keiner findet eine Antwort auf die Frage: Wie tickt Angela Merkel eigentlich?
Der Film von Bernd Reufels benennt als prägenden Moment ihrer Kanzlerschaft den Umgang mit der Flüchtlingskrise im Sommer 2015. Der "Welt"-Journalist Robin Alexander meint, Merkel habe damals nicht aus eigener Überzeugung die Flüchtlinge ins Land gelassen – vielmehr habe sie der öffentlichen Meinung nachgegeben. Und die sei, so Alexander, damals "für die Aufnahme von Flüchtlinge gewesen".
Merkels bekanntester Satz über die damalige Situation – "Wir schaffen das" – sei ihr, so ihr damaliger Vertrauter de Maizière, mittlerweile auf die Füße gefallen. Ein Fehler sei das gewesen.
Er sagt: "Wenn sie gesagt hätte 'Es wird verdammt schwer, und es stellt uns vor die größten Herausforderungen' – dann wäre das im Nachhinein besser gewesen." Merkels nächster Fehler: das Verhindern einer Bundestagsdebatte über die Migrationsfrage.
Für den früheren SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann wäre das die "wichtigste Bundestagsdebatte in der Ära der Angela Merkel" geblieben.
Die Geschehnisse der Silvesternacht in Köln zum Jahreswechsel 2015/2016 verschärften die Lage für Merkel dann weiter: Gerade im Osten, ihrer eigentlichen Heimat, sei Merkel zur Gejagten geworden, heißt es in der Doku.
Wolfgang Thierse, früherer Präsident des Bundestags und SPD-Mitglied, erklärt Merkels schlechte Beliebtsheitswerte im Osten so: "Das hat wohl auch damit zutun, dass sie am Anfang versucht hat, möglich westdeutsch zu sein, um diese westdeutsche CDU zu erobern. Da hat sie alles verdrängt und verwischt, was sie als ostdeutsch hat wirken lassen."
Die Zurückhaltung habe Merkel in der DDR gelernt, ohne selbst Sympathien für die DDR-Regierung gehabt zu haben, heißt es in der ZDF-Dokumentation. Ein früherer Studienfreund meint, sie hätte eine "notwendige Distanz" zur damaligen Regierung gewahrt.
Merkel lernt schnell, wie Macht funktioniert – und erreicht nach nur zwei Jahren politischer Karriere in der Bundesrepublik das Amt der Bundesministerin für Frauen und Jugend unter Helmut Kohl mit der Kabinettsbildung im Jahr 1991. "Weich, ostdeutsch und Frau" – so stellte sich Helmut Kohl Merkels Auftreten dort vor. Norbert Blüm, selbst damals Arbeitsminister, beschreibt Merkels Weg zur Macht als ruhig und präzise. Und er meint: "Darauf war die Männer-Konkurrenz offenbar nicht eingestellt.
Abfällig anfangs als "Kohls Mädchen" betitelt, steigt Merkel immer weiter auf. Die heutige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer meint dazu: "Wie viele andere Frauen ist sie unterschätzt worden, und das ist ein Vorteil, den man nutzen kann." Merkel wird nach Kohls Wahlniederlage 1998 Generalsekretärin – und entmachtet im Zuge der CDU-Spendenaffäre ihren einstigen politischen Ziehvater Kohl .
Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering: "Das war absolut souverän. Sie hatte eine Chance, und die hat sie genutzt." Am 18. September 2005 gewinnt Merkel die Bundestagswahl, und kann in langen Koalitionsverhandelungen mit der SPD schließlich Kanzlerin werden. Als erste Frau in der deutschen Geschichte.
Über die Jahre tauscht Merkel die konservativen Positionen der CDU gegen liberalere Standpunkte aus. Der Journalist Jakob Augstein, ein Kritiker der Kanzlerin, behauptet: "Insofern ist sie auf eine merkwürdige, traurige Art gleich zweimal die Mutter der AfD. Einmal, weil sie die CDU in die Mitte geführt hat und weil sie dann diesem rechten Raum, der da offen geblieben ist, mit dieser Migrationsfrage auch noch ein richtiges Thema gegeben hat."
Aber: Auch vier Jahre nach dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise ist Angela Merkel immer noch im Kanzleramt. Und sie ist in manchen Umfragen so beliebt wie nie.
Manchen, die in der ZDF-Doku zu Wort kommen, mag Merkel ein Rätsel bleiben mit ihren politischen 180-Grad-Wenden. Vielen Deutschen ist sie nach 14 Jahren aber so vertraut, dass sie sie immer noch "Mutti" oder einfach nur "Angie" nennen.
(pb)