Der Wirbel am Wahlabend war groß. Nicht nur wegen der starken AfD-Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg. Auch um die öffentlich-rechtlichen Sender gab es Aufregung.
Die Moderatorin der ARD-Wahlsendung erntete für mehrere Aussagen Kritik. Und auch die ARD bzw. der MDR, für den die Moderatorin arbeitet, mussten sich deutliche Gegenworte anhören. Sogar strukturelle Missstände prangerten Kritiker an.
Watson erklärt die einzelnen Aufreger – und zeigt, was die Beteiligten auf Anfrage unserer Redaktion dazu sagen.
Nach der Landtagswahl in Sachsen steht die MDR-Moderatorin Wiebke Binder wegen ihrer Wortwahl in einer ARD-Sendung am Sonntagabend in der Kritik. Sie hatte in einer Frage nach möglichen Koalitionen ein Bündnis von CDU und AfD als "bürgerlich" bezeichnet. Danach regte sich heftiger Ärger im Netz. Binder wurde vorgeworfen, sich der AfD anzubiedern und sie durch die Bezeichnung als "bürgerlich" zu verharmlosen.
Auch eine Bemerkung aus Binders Interview mit AfD-Politiker Jörg Urban sorgte für Kritik. Die Konversation verlief so:
MDR-Chefredakteur Torsten Peuker kündigte auf Anfrage von watson an, die Sendung mit allen Beteiligten auszuwerten – "entsprechend auch mit den Moderatorinnen und Moderatoren." Das sei üblich. Und weiter:
So habe Binder am Montag unter anderem den ARD-Brennpunkt aus Leipzig moderiert. Binder selbst hat sich auf Anfrage von watson bislang nicht geäußert.
Nicht nur Hunderte Zuschauer regten sich via Social Media auf. Sondern auch ein Kollege Binders vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Arnd Henze arbeitet für den WDR. Er kritisierte den für die Sendung verantwortlichen MDR und deutete gar strukturelle Probleme beim Sender an. "Beim MDR verwischen nicht zum ersten Mal die Grenzen nach ganz rechts!", twitterte er.
Was der MDR von der Anschuldigung des WDR-Kollegen hält? Der MDR teilt auf Anfrage von watson mit: "Es handelt sich nicht um eine Stellungnahme des Senderverbunds, sondern um eine Einzelmeinung, die wir hier nicht kommentieren."
Arnd Henze unterdessen erklärt seinen Tweet auf Anfrage von watson so:
Seine Kritik relativierte er ein Stück weit: "Es war nicht meine Absicht, den MDR, die Kolleginnen und Kollegen und deren Arbeit zu diskreditieren."
Worauf sich WDR-Mitarbeiter Henze bei seiner Kritik beruft, ist der Eklat um eine MDR-Diskussion. Anlässlich des Jahrestags der Chemnitz-Demonstrationen hatte der mitteldeutsche Rundfunk eine Dokumentation produziert. Am 22. August soll der Film Premiere feiern, im Anschluss war eine Podiumsdiskussion geplant. Einer der Teilnehmer, die der MDR eingeladen hatte, war der Rechtsextreme Arthur Oesterle, der bei den "Pro Chemnitz"-Demonstrationen sogenannter Chefordner war.
Es hagelte Kritik am MDR, der sein Vorgehen mit Verweis auf die Einordnung Oesterles in der Doku verteidigte. Nachdem Diskussionsteilnehmer reihenweise absagten, wurde das Podium dann doch gecancelt.
Die jetzigen Vorwürfe, die sich der Sender anhören muss, gehen in dieselbe Richtung wie kürzlich beim Chemnitz-Eklat. Die Frage, die in sozialen Netzwerken mitschwingt: Hat der Sender ein Problem im Umgang mit rechten und rechtsextremen Kräften?
Watson fragte beim MDR nach dem Wahl-Wirbel nach. Kann der Sender es verstehen, wenn ihm in sozialen Netzwerken eine Verharmlosung der AfD vorgeworfen wird? Die Antwort fällt kurz und doch deutlich aus: "Nein."
Auch ein Tweet der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" sorgte für Kritik. Der Tweet zeigte einen Ausschnitt aus der ARD-Wahlsendung am Sonntag. In dem 19-sekündigen Video spricht ausschließlich AfD-Chefin Alice Weidel. Sie sagt unter anderem: "Wir müssen festhalten, dass 60 Prozent der Menschen in Sachsen konservativ gewählt haben. Das einfach zu ignorieren, wäre zutiefst undemokratisch."
User kritisierten, dass die ARD diese Weidel-Aussage nicht eingeordnet habe, sondern ungefiltert und unkommentiert verbreitete.
Die ARD geht sogar noch weiter. Eine Diskussion auszulösen, sei genau das Ziel des Tweets gewesen:
Selbst wenn das im Fall der ARD alles so gewollt gewesen sein sollte, und auch wenn die Begründung des MDRs, die Pannen seien dem Stress einer Live-Sendung geschuldet, nachvollziehbar ist: Bei den nächsten Wahlen in Thüringen Ende Oktober dürften sich ARD und MDR wohl wünschen, dass es in der Debatte vor allem um Politisches geht – und nicht um die Art der Berichterstattung selbst.