Der Nahost-Konflikt verschärft auch in Deutschland die innenpolitische Lage. Antisemitismus und antiemetisch motivierte Straftaten nehmen seit dem 7. Oktober, dem neuerlichen Beginn des Krieges, wieder zu. Nun hat das Innenministerium in Sachsen-Anhalt Konsequenzen gezogen: Menschen, die in dem Bundesland eingebürgert werden möchten, sollen ab sofort ein schriftliches Israel-Bekenntnis unterschreiben, wie Ministerin Tamara Zieschang (CDU) am Dienstag in Magdeburg sagte. Und zwar unmittelbar vor der Einbürgerung.
Dieser "Hinweis" ging in einem Rundschreiben des Ministeriums bereits Ende November an die Kommunen. Wer die Unterschrift für das Bekenntnis verweigert, erhält demnach keine Einbürgerungsurkunde. Der Antrag werde also abgelehnt, heißt es weiter. Damit will Sachsen-Anhalt bundesweit eine Vorreiter-Rolle einnehmen. Die Ministerin erklärt nun, was es mit dem Bekenntnis auf sich hat und warum sie es – aller Kritik zum Trotz – für eine gute Idee hält.
Wer künftig eine Einbürgerungsurkunde erhalten will, muss sich in Sachsen-Anhalt zu Israel bekennen. Laut des Rundschreibens des Ministeriums müssen Menschen vor der Einbürgerung zusätzlich einen Absatz unterschreiben, der in etwa wie folgt lautet:
Der Wortlaut ist eine Empfehlung, doch dringt Zieschang auf ein klares Bekenntnis. Denn "das Existenzrecht des israelischen Staates ist deutsche Staatsräson", heißt es in dem Erlass.
Mit der Anweisung ist Sachsen-Anhalt wohl das erste Bundesland, das schriftlich ein solches Bekenntnis fordert. Zwar wird in einigen Bundesländern auch die Haltung zum jüdischen Staat abgefragt, allerdings nicht in dieser Deutlichkeit. Mit dem Erlass schafft die Landesregierung in Magdeburg also ein neues, abstrakt-generell gültiges Kriterium für die Ablehnung von Einbürgerungsanträgen. Juristisch betrachtet ist der Erlass fraglich, zumindest aber ungewöhnlich.
Kritiker:innen zweifelten nach Bekanntwerden des Erlasses an dem Nutzen. Eine Unterschrift könne antisemitische Bewerber:innen nicht aussortieren, heißt es etwa. In einem Interview mit dem "Tagesspiegel" reagiert die Ministerin nun auf dieses Argument. "Dieselbe Frage stellt sich schon heute beim Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Ohne gegenteilige Anhaltspunkte ist das Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zu akzeptieren", stellt sie klar.
Allerdings könne eine "arglistige Täuschung der Einbürgerungsbehörde" dazu führen, dass eine rechtswidrige Einbürgerung zurückgenommen werden könne. Heißt: Wer durch Antisemitismus auffällt, kann künftig demnach auch nachträglich die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.
Ein weiterer Kritikpunkt: Auch jetzt schon wird Antisemitismus bei der Einbürgerung bundesweit besonders hervorgehoben. Etwa bei den Straftaten: Über leichte Straftaten kann dort hinweggesehen werden, allerdings nicht, wenn im Urteil "antisemitische Beweggründe" festgestellt wurden. Dennoch sieht Zieschang den Vorstoß in Sachsen-Anhalt als gerechtfertigt.
Ihrer Meinung nach sind die allgemeinen Fragen zum Nationalsozialismus, die bei den Einbürgerungstests gestellt werden, nicht ausreichend: "Beim Einbürgerungstest wird gegenwärtig historisches Wissen abgefragt. Es wird nicht gefragt, welche besondere Verantwortung sich daraus für das Hier und Heute ergibt", sagt die Ministerin in dem Interview. Deutsche Staatsräson dürfe kein Lippenbekenntnis sein, sondern müsse mit Leben gefüllt werden. "Bei antisemitischen Einstellungen ist deshalb die Einbürgerung zu versagen. Nur so wird Integration in unserem Land gelingen", sagt sie weiter.
Auf diesen Erlass werden wohl noch Debatten folgen. Auch könnte es sein, dass Betroffene dagegen klagen. Denn juristisch betrachtet könnten Gerichte bemängeln, dass ein Kriterium per Verwaltungshandeln ergänzt wurde, obwohl es dafür derzeit keine hinreichende gesetzliche Grundlage gibt. Aber auch die gegenteilige Beurteilung könnte der Fall sein: nämlich die, dass die rechtliche Lage dafür ausreiche.
Auch die im Artikel fünf des Grundgesetzes geschützte Meinungsfreiheit könnte hier ebenfalls eine Rolle spielen. Denn: Zwar ist der Schutz Israels eine Staatsräson, allerdings nicht gesetzlich festgelegt. Vielmehr ist es eine politische Position, die hier von Sachsen-Anhalt verpflichtend gemacht wird. Am Ende müsste laut Befürworter:innen das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Aktuell berät der Bundestag eine Reform zum Staatsbürgerschaftsrecht. Politisch gesehen könnte es bei dem Vorhaben in Sachsen-Anhalt also auch darum gehen, Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Denn die Union hat einen eigenen Gesetzentwurf "zur Beendigung des Aufenthalts und Verhinderung der Einbürgerung antisemitischer Ausländer" eingebracht. Dieser enthält eine Regelung für ein ähnliches Bekenntnis, wie jetzt in dem Vorreiter-Bundesland. Bisher argumentierten die Ampelfraktionen, dass derartige Regelungen überflüssig seien und lehnten dies ab.