Die Kanzlerin diskutierte am Dienstag mit Studenten.Bild: dpa / Tobias Schwarz
Deutschland
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat unvorsichtiges Verhalten angesichts der gegenwärtigen Ausbreitung von Corona als verheerend für die Gesellschaft bezeichnet. Einige Menschen würden jede Lücke ausnutzen, die die Politik nicht geregelt habe, sagte Merkel am Dienstag bei einem Online-Gespräch mit Studenten in Berlin.
"Das ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft auch nicht so schön." Manche forderten das Risiko heraus. Dies sei "verheerend."
Die Kanzlerin bedauerte, dass die Bereitschaft zu Einschränkungen im Vergleich zum Frühjahr gesunken sei. Dabei würden am Tag mindestens 400 Menschen an oder mit Covid-19 sterben.
Manche beruhigten sich damit, dass dies vor allem Ältere treffe. Merkel mahnte, sich Folgendes zu vergegenwärtigen: "Ob meine Eltern mit 80 oder mit 90 sterben, ist schon ein Unterschied."
Merkel: Corona-Einschränkungen dienen dem Schutz vulnerabler Gruppen
Die Kanzlerin stellte fest: "Die zweiten Wellen von Pandemien sind oft die gefährlichsten." Jetzt im Winter sei die Situation viel härter. Eindringlich mahnte Merkel die Menschen in Deutschland, sich den Ernst der Lage vor Augen zu führen.
Sie erinnerte daran, dass die Einschränkungen in der Corona-Pandemie dem Schutz vulnerabler Gruppen dienen. Menschen aus der Risikogruppe dürften nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, damit "wir unseren Einkaufsbummel machen können" und ungestört dem gewohnten Lebensrhythmus nachgehen könne.
Natürlich müssten Menschen mit Vorerkrankungen und Ältere mehr geschützt werden als andere. Das bedeute aber nicht, dass man sie wegsperre oder ihnen sage, dass sie «schön Zuhause» bleiben sollen. "Letztlich ist der Bogen vom Geborenwerden bis zum Sterben einer, der von der Gesellschaft ernst genommen werden muss", sagte sie. Da gelte es, klar Stellung zu beziehen.
Angela Merkel sitzt im Kanzleramt und redet während der Corona-Pandemie bei der digitalen Dialogreihe online mit Studentinnen und Studenten.Bild: dpa / Tobias Schwarz
Merkel: Verschwörungstheorien sind Angriff auf Gesellschaft
Sie rief zu einem konsequenten Kampf gegen sogenannte Verschwörungstheorien in Deutschland aufgerufen. "Das ist ja im Grunde ein Angriff auf unsere ganze Lebensweis"», sagte Merkel. "Seit der Aufklärung ist Europa den Weg gegangen, sich auf der Basis von Fakten sozusagen ein Weltbild zu verschaffen. Und wenn ein Weltbild plötzlich losgelöst oder antifaktisch ist, dann ist das natürlich mit unserer ganzen Art zu leben sehr schwer vereinbar."
Merkel sagte: "Das übliche Argumentieren, das hilft da nicht, deshalb ist das für uns schon eine besondere Herausforderung." Die Kanzlerin sagte: "Das wird vielleicht auch eine Aufgabe für Psychologen sein." Forschung zur Frage sei nötig: "Wie verabschiedet man sich eigentlich aus der Welt der Fakten und gerät in eine Welt, die sozusagen eine andere Sprache spricht und die wir mit unserer faktenbasierten Sprache gar nicht erreichen können?» Es gebe bei Anhängern solcher Denkmuster "eine richtige Diskussionsverweigerung".
"Trotzdem sind wir ein tolerantes Land", sagte Merkel. Auch diese Menschen seien seine Bürgerinnen und Bürger. Doch sie wieder in die Welt des gegenseitigen Zuhörens zu führen, werde sehr schwer. Dazu gehöre auch mehr Verständnis für die Rolle sozialer Medien. Hier gebe es Räume, in denen Betroffene nur bestätigt würden. Eine perfekte Antwort habe sie nicht, aber das Problem beschäftige die Politik sehr.
(hau/dpa)
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