Deutschland
09.05.2019, 07:0409.05.2019, 07:12
Das Anti-Folter-Komitee des Europarats
(CPT) hat kritisiert, dass Abschiebungen aus Deutschland den
Betroffenen häufig zu kurzfristig angekündigt werden. Es sei
unerlässlich, dass den Menschen rechtzeitig mitgeteilt werde, dass
sie Deutschland verlassen müssten, erklärte das CPT in einem am
Donnerstag veröffentlichten Bericht.
Nur so könnten sich die Menschen psychisch mit der Situation auseinandersetzen.
In dem Papier hieß es, deutsche Behörden benachrichtigten die
Betroffenen in Abschiebehaft erst spät oder in letzter Minute über
ihre bevorstehende Abschiebung. Auch in Fällen, bei welchen die
Betroffenen nicht in Haft waren, war die Benachrichtigung nach
Darstellung des Komitees nicht immer eine Woche vor dem
Ausweisungsdatum erfolgt.
Die CPT-Experten machten ihre Beobachtungen bei der Begleitung
einer Abschiebung von München in die afghanische Hauptstadt Kabul im
August vergangenen Jahres. Der Ablauf der Ausweisung sei generell gut
vorbereitet und professionell gewesen, erklärte das Komitee.
Das CPT
Das CPT besteht aus Experten des Europarats und hat seinen Sitz im französischen Straßburg. Die Berichte zu den Besuchen sind keine Ermittlungen gegen einen Staat. Sie dienen lediglich dazu, die Einhaltung der Menschenrechte in Gefängnissen in den 47 Mitgliedsstaaten des Europarats zu überprüfen.
Einige der Menschen gaben nach Darstellung im Bericht aber an,
dass ihnen nicht genügend Zeit gegeben wurde, um sich auf ihre
Abschiebung vorzubereiten. Sie seien erst kurz zuvor von der Polizei
abgeholt worden, teilweise nachts, und hätten auch nicht ausreichend
Zeit gehabt, alle ihre Habseligkeiten zusammenzupacken.
In dem Bericht schildert das Gremium zudem die Bedingungen, unter denen 46 Afghanen in der Nacht zum 15. August 2018 mit einem Charterflugzeug von München nach Kabul abgeschoben worden waren. Zur Überwachung der Migranten waren rund hundert Polizisten an Bord des Flugzeuges. Auch drei Mitglieder des Anti-Folter-Komitees nahmen an dem Flug teil.
Der Mann sei von sechs Polizisten festgehalten worden, heißt es in dem Bericht. Ein Beamter habe ihm einen Arm gegen den Hals gedrückt, was seine Atemfähigkeit eingeschränkt habe.
Ihrem Bericht zufolge wurden die Afghanen aus verschiedenen Bundesländern nach München gebracht. Viele von ihnen befanden sich zuvor in Gefängnissen in Abschiebehaft. Die meisten Migranten hätten sich auf dem Weg zum Flughafen und beim Besteigen des Flugzeuges ruhig verhalten, stellte die Delegation fest.
Zwei Männer hätten sich jedoch heftig zur Wehr gesetzt. Sie seien mit Hand- und Fußschellen sowie Klebeband gefesselt und von mehreren Polizisten gewaltsam in die Maschine befördert worden. Ein Migrant setzte demnach auch im Flugzeug seinen Widerstand fort – unter anderem, indem er seinen Kopf gegen den Sitz schlug.
"Diese Methode zielt eindeutig darauf ab, durch Zufügung starker Schmerzen kooperatives Verhalten zu erreichen."
Der Mann sei von sechs Polizisten festgehalten worden, heißt es in dem Bericht. Ein Beamter habe ihm einen Arm gegen den Hals gedrückt, was seine Atemfähigkeit eingeschränkt habe. Ein anderer Polizist habe dem am ganzen Körper mit Klebeband Gefesselten mehrmals für längere Zeit die Genitalien gequetscht.
Diese Methode "zielt eindeutig darauf ab, durch Zufügung starker Schmerzen kooperatives Verhalten zu erreichen", kritisierten die Experten des Europarates. Ein solches Vorgehen sei "unverhältnismäßig und unangemessen". Deutschland müsse "sofort Maßnahmen ergreifen", um die Anwendung dieser Techniken zu unterbinden.
Aus der
Antwort des Bundesjustizministeriums auf den Report ging hervor, dass
die Abschiebung in der Regel eine Woche vor dem Termin angekündigt
werden soll – auch den in Haft sitzenden Betroffenen.
Bayern vertrete jedoch die Auffassung, dass den Menschen in
Abschiebehaft nicht das genaue Datum genannt werden müsse. Da sie
sich in Abschiebehaft befänden, seien sie dadurch über ihre
anstehende Ausweisung bereits informiert, hieß es in der Antwort.
Das Anti-Folter-Komitee, das Haftbedingungen in Europa überprüft,
bemängelte zudem die Einrichtung des besuchten Abschiebegefängnisses
in Eichstätt. Das Wachpersonal dort sei nicht speziell geschult,
außerdem würden die dort untergebrachten Männer mehr wie
Strafgefangene behandelt.
- So dürften sie beispielsweise nicht ihre eigene Kleidung tragen und hätten nur eingeschränkten Zugang zu Mehrzweckräumen, um sich die Zeit zu vertreiben.
- Außerdem könnten die Insassen nicht direkt einen Arzt sprechen, sondern müssten einen Termin erst bei einem der Aufpasser anmelden, wie der Bericht bemängelte.
In ihrer Antwort erklärte das Ministerium, dass die Männer in
Abschiebehaft meist nicht genügend eigene Kleidung besäßen, um diese
regelmäßig zu wechseln – deshalb werde auf Kleidung der Haftanstalt
zurückgegriffen.
Die in Eichstätt eingerichtete Freizeithalle könne zudem erst
länger geöffnet werden, wenn es für die zusätzliche Zeit
Sicherheitspersonal gebe. Dass ein direkter Arztbesuch für die
Insassen nicht möglich sei, wies das Justizministerium zurück.
Die Delegation forderte in ihrem Bericht, dass an Abschiebungen
beteiligte Polizisten eine Kennzeichnung tragen müssen. Bei der
begleiteten Ausweisung aus Bayern sei das nicht der Fall
gewesen.
(hd/dpa)
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