Brandenburg, Sachsen, Thüringen – im Osten stehen drei Landtagswahlen an. Der Rechtsaußen Björn Höcke ruft zur "friedlichen Revolution an der Wahlurne" auf. Derweil fliegen in der Partei vielerorts die Fetzen. Zwar dominiert der rechtsnationale "Flügel", den der Verfassungsschutz als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen einstuft, weite Teile des Ostens. Aber in vielen Westländern toben erbitterte Machtkämpfe zwischen gemäßigten Kräften und "Flügel"-Anhängern.
AfD-Vize Kay Gottschalk spricht von einer "Schneise der Verwüstung" in den West-Ländern. Am Freitag kommt gar der Vorschlag einer Arbeitsteilung der AfD in Ost und West auf, der den Konflikt entschärfen könnte. Doch die Parteispitze tut ihn rasch ab. Parteichef Jörg Meuthen spricht von einer "Schnapsidee". Ein Überblick über die Lage in den westdeutschen Ländern:
Der "Flügel" ist stark vertreten im Südwesten. Durch den Landesverband geht schon lange ein Riss. Es geht um den Umgang mit flügelnahen Mitgliedern wie den Abgeordneten Stefan Räpple, der mit Rechtsextremen in Chemnitz marschiert oder sich nach Zwischenrufen von der Polizei aus dem Landtag führen lässt. Der Landesvorstand will ihn loswerden, aber er genießt noch Rückhalt in der Fraktion. Oder um Wolfgang Gedeon – Antisemitismusvorwürfe gegen ihn hatten 2016 vorübergehend zur Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag geführt. Die AfD-Splittergruppe "Stuttgarter Aufruf" um die flügelaffine Abgeordnete Christina Baum forderte 2018 trotz der drohenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz einen radikaleren Kurs. Im Vorstand liefern sich indes Landeschef Bernd Gögel, der als gemäßigt gilt, und Co-Sprecher Dirk Spaniel eine Schlammschlacht. Im Herbst dürfte es auf einem Sonderparteitag zur Machtprobe kommen.
Beim Landesparteitag Ende Juni wurde überraschend Doris von Sayn-Wittgenstein in einer Kampfkandidatur erneut zur Landesvorsitzenden gewählt – obwohl gegen sie ein Parteiausschlussverfahren des Bundesvorstands läuft. Die 64-Jährige hatte einen rechtsextremen Verein unterstützt, der auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht. Sayn-Wittgenstein gilt als politisch weit rechts und dem "Flügel" zumindest nahestehend – mehrfach besuchte sie das "Kyffhäusertreffen". Die AfD-Landtagsfraktion in Kiel schloss sie im vergangenen Dezember aus. Seitdem ist sie fraktionslose Abgeordnete. Die verbliebene vierköpfige Landtagsfraktion lehnt jede Zusammenarbeit mit ihr ab. Der Landesverband hat nach eigenen Angaben etwa 1100 Mitglieder. Beim jüngsten Landesparteitag, zu dem etwa 250 Mitglieder kamen, setzten sich bei mehreren Abstimmungen die Anhänger Sayn-Wittgensteins durch.
Bei einem Chaos-Parteitag Anfang Juli in Warburg an der Grenze zu Hessen hatte sich die Doppelspitze der NRW-AfD mitsamt Vorstandsmitgliedern buchstäblich zerlegt. Übrig blieben zunächst die Rechtsnationalen um den Co-Landeschef Thomas Röckemann, der als Sympathisant Höckes gilt. Der als gemäßigt eingeschätzte Vorsitzende Helmut Seifen trat mit acht Vorstandsmitgliedern zurück. Nun kommt es im größten AfD-Landesverband zur Machtprobe. Röckemann und zwei seiner Anhänger weigern sich bislang, auch zurückzutreten, um den Weg für einen Neuanfang an der Landesspitze frei zu machen. Bis zum 6. Oktober muss auf einem Parteitag der Vorstand neu gewählt werden. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass Röckemann dann keine Chance mehr haben wird. In der AfD-Landtagsfraktion gilt Röckemann außerdem isoliert und ist in Plenardebatten kaum präsent.
Die bayerische AfD ist tief gespalten: zwischen Anhängern des "Flügels", darunter Landtagsfraktionschefin Katrin Ebner-Steiner, und eher gemäßigten Kräften. Und diese tiefen Gräben ziehen sich auch durch den Landesvorstand und die Landtagsfraktion. In der Fraktion gibt es quasi ein Patt zwischen beiden Gruppen. Ebner-Steiner hat nur noch die Hälfte der Fraktion hinter sich, zwei Abgeordnete sind aus Protest gegen ihren Rechtskurs ausgetreten. Für eine Abwahl haben ihre Gegner, die zuletzt sogar eine Anzeige gegen sie wegen der Veröffentlichung privater E-Mails ankündigten, aber nicht die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. Im Herbst aber muss neu gewählt werden - sowohl der Landesvorstand als auch die Spitze der Fraktion. Dann wird sich jeweils zeigen, welche Gruppe die Oberhand hat.
Um den Landesvorsitzenden Josef Dörr schwelt seit längerem ein innerparteilicher Konflikt. Im Mittelpunkt steht der Führungsstil des 81-Jährigen, der seit vier Jahren im Amt ist und im Februar als Parteichef bestätigt wurde. Der Vorwurf der Kritiker: Die Demokratie im Landesverband werde ausgehebelt. So blieben bei einem Parteitag im Juni Delegierte von drei Kreisverbänden nach einem Boykottaufruf fern. Deren Kreisvorstände hatten den Rücktritt Dörrs und des Landesvorstandes gefordert. Dörr, der Landtagsabgeordneter ist, hat auch vorherige Rücktrittsforderungen stets zurückgewiesen. Er habe die große Mehrheit der Partei hinter sich, sagt er. Vorwürfe wegen Kontakten zur rechtsextremen NPD hat Dörr immer bestritten.
Der AfD-Landesvorsitzende und Fraktionschef Uwe Junge macht wiederholt mit scharfen Äußerungen über Geflüchtete auf sich aufmerksam, hat sich aber gegen den "Flügel" positioniert. Nach Berichten über Kontakte des AfD-Landtagsabgeordneten Jens Ahnemüller mit der rechtsextremen Szene führte Junge im September 2018 den Ausschluss von Ahnemüller aus der Fraktion herbei und strebt auch einen Parteiausschluss an. Einen tiefen Zwist gibt es mit der Landtagsabgeordneten Gabriele Bublies-Leifert, die als Vorsitzende des Kreisverbands Birkenfeld des Amts enthoben wurde. Nach einer Twitter-Äußerung Junges über einen "Aufstand der Generale" forderte Bublies-Leifert dessen Rücktritt vom Fraktionsvorsitz.
(mbi/dpa)