FDP-Chef Christian Linder will den Deutschen "Lust auf Überstunden" machen – und zwar durch steuerliche Vorteile. Dazu fordert seine Partei, die Steueranreize zum Leisten von Überstunden zu verbessern. Sprich, Überstunden sollen sich steuerlich lohnen, dann hätte man mehr Bock drauf, länger zu arbeiten, "weil man nicht alles abgibt beim Staat", wie es Lindner formuliert.
Die Idee konkret: Durch die Progression der Lohn- und Einkommensteuer verringere sich das Gehaltsplus für Überstunden derzeit oft, heißt es in einem am Montag vom Parteipräsidium verabschiedeten Fünf-Punkte-Papier zur Stärkung der Wirtschaft. "Um das zu verhindern, könnten sowohl eine begrenzte Zahl von Überstunden wie auch ausbezahlte Überstundenzuschläge steuerfrei gestellt werden", steht in dem Papier.
Ein Vorschlag, der auf kräftigen Gegenwind stößt.
SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katharina Barley, etwa lehnt die Vorschläge ab. "Überstunden sollen die Ausnahme sein, weil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Recht auf Gesundheit und auf Freizeit haben", sagt Barley. Die Mentalität in Deutschland sei hervorragend, die Leistungsbereitschaft hoch. "Aber daraus jetzt ein System zu machen, ist, wie einen Gummi auf Dauer zu überreizen", betont sie.
Besonders herbe Kritik an den FDP-Vorstoß zu Überstunden kommt von den Gewerkschaften. "Verrückte Ideen wie steuerfreie Überstunden laden gerade dazu ein, entweder Vollzeitarbeit zu verdrängen oder die geschlechterungleiche Verteilung von Arbeit noch weiter anzukurbeln", sagt die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Yasmin Fahimi, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Auf der Plattform X empfiehlt der Deutsche Gewerkschaftsbund dem Finanzminister Lindner einen Faktencheck. Das Problem sei nicht die Arbeitsmoral der Beschäftigten, sondern der Berg an unbezahlten Überstunden. Darüber müsste es einen Aufschrei geben, heißt es.
Für Fahimi sei es "vollkommen wirklichkeitsfremd", die Arbeitsmoral der Beschäftigten infrage zu stellen. Sie sagt weiter:
Lindner weist die Kritik zurück und bezeichnet den Blick von Fahimi auf das Arbeitsleben als "einseitig".
Auf X schreibt er, dass ihm zum Beispiel das Handwerk berichtet, dass gut bezahlte Mitarbeitende noch einen Minijob haben, weil sie den Traum von der eigenen Wohnung verfolgen. "An diese Menschen denke ich, wenn ich Überstunden begünstigen will. Davon profitieren alle, weil der Arbeitskräftemangel Wachstum kostet", schreibt der FDP-Politiker.
Auch im Gespräch mit der "Augsburger Allgemeinen" schießt Lindner gegen Fahimi: "Ich wundere mich mitunter über die DGB-Vorsitzende, mit der Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich werden wir unser wirtschaftliches Fundament nicht stärken."
Die Vorsitzende der Gruppe Die Linke, Heidi Reichinnek, hat derweil ein andere Idee. Auf X fordert sie: "Für's Erste könnte man ja mal damit anfangen, alle Überstunden auch zu bezahlen...".
(Mit Material der dpa/afp)