Friedrich Merz: Expertin rät ihm zu Strategien von Trump und Merkel
Kommen Donald Trump, Angela Merkel und Friedrich Merz in eine Bar. Alle drei versuchen, auf ihre Weise die Menge für sich zu vereinnahmen. Trump kaut Interessierten mit einer unendlichen Anreihung falscher und wahrer Geschichten ein Ohr ab, verteilt Grinse-Selfies und Handschläge en masse.
Merkel hingegen gibt sich gewohnt professionell, macht hier und da mal eine ironische Anmerkung und überzeugt durch ihre freundlich-zurückhaltende Art. Auch Merz versucht es mit der Trump-Art. Doch statt den Zuhörer:innen mit seinem leidenschaftlichen Redeschwall keine Zeit zum Atmen zu geben, stolpert er durch unbedachte Sätze von Streit zu Streit mit ihnen. Dann versucht er, ein Machtwort zu besprechen, aber auch das klappt nicht und am Ende sind alle wütend.
Das reale Leben ist natürlich komplizierter als ein Barwitz, doch Kritik an seiner Kommunikationsart hat Bundeskanzler Merz in den vergangenen Jahren schon häufiger bekommen.
Nun rät ihm eine Expertin, den Strategien zweier sehr spezieller und unterschiedlicher Personen im Leben von Merz zu folgen: Ex-Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump.
Friedrich Merz "hat ein Problem mit der Impulskontrolle"
Andrea Römmele, Professorin für politische Kommunikation an der Hertie School in Berlin, hat im Gespräch mit dem "Spiegel" die Kommunikationsstrategie von Friedrich Merz kritisch beleuchtet. Ihrer Meinung nach liegt eins der Hauptprobleme des CDU-Vorsitzenden in einer fehlenden Impulskontrolle. "Damit hat er ein Problem."
Eine mangelnde Fehlerkultur sieht sie hingegen nicht, Merz könne lediglich bei der Menge an impulsiv getroffenen Aussagen, nicht zu häufig zurückrudern. "Das kann man einmal machen und auch ein zweites Mal. Aber nicht jeden Monat", erklärte Römmele gegenüber dem "Spiegel" mit Blick auf die wiederholten verbalen Ausrutscher von Merz, wie etwa seine Aussagen über das „Stadtbild“ oder "kleine Paschas".
Ein weiteres Problem sieht die Kommunikationsexpertin in der Häufigkeit von Merz’ öffentlichen Auftritten. Im Vergleich zu seinen Vorgängern Olaf Scholz und Angela Merkel mache Merz "extrem viel TV".
"Ich frage mich: Wer in seinem Umfeld berät ihn eigentlich? Wer schützt ihn?", so Römmele. Sie zieht einen Vergleich zu Angela Merkel, deren Beraterstab sehr kontrolliert agiert habe, sodass kaum etwas nach außen gedrungen sei. Merz hingegen fehle anscheinend ein solches schützendes Umfeld. Römmele:
Stattdessen solle er sich stärker auf die interne Kommunikation konzentrieren, um Kompromisse innerhalb der Partei und der Fraktion zu finden. Diese Strategie habe sich bereits bei Angela Merkel bewährt.
Merz wie Trump? Was der Kanzler vom US-Präsidenten lernen könnte
Römmele zufolge "muss es Merz ja wichtig sein, die öffentliche Debatte zu bestimmen" und mehr "über zentrale Probleme wie Rente, Wehrdienst, Klima" zu sprechen statt "über Brasilien, über das Stadtbild, über Paschas". Das könne ein Kanzler nicht wollen.
Dementsprechend müsse Merz eigenes Agenda-Setting, aber auch Agenda-Cutting beherrschen, sprich: "Sie müssen schauen, welches andere Thema sich aufbauen lässt, welches andere Thema Menschen interessiert. Ablenken auf einen anderen Diskussionsschauplatz."
Ein Beispiel für diese Strategie ist ausgerechnet US-Präsident Donald Trump, der diese Strategie seit Jahren radikal fährt. "Bei ihm sind diese Ausrutscher Strategie, wie bei allen Populisten: 'Flooding the Zone with Shit'", so Römmele. Während die Öffentlichkeit über seine kontroversen Aussagen diskutiere, treibe Trump im Hintergrund seine politischen Ziele voran.
Im Gegensatz dazu seien die verbalen Ausrutscher von Friedrich Merz jedoch keine bewusste Strategie, sondern vielmehr das Ergebnis seiner impulsiven Art.
Trump: Ukraine und Venezuela als Ablenkung von Epstein-Akten?
Auch zuletzt wendete Trump diese Strategie tatsächlich mehrfach an. Derzeit stößt etwa sein neuer Friedensplan für den Krieg zwischen Russland und der Ukraine auf starke Kritik, da er in vielen Punkten zum Nachteil der Ukraine ist und das angegriffene Land massiv unter Druck setzt.
Mit dieser Aktion und zudem mit zunehmend aggressivem Verhalten in der Karibik, wo US-Flugzeuge seit Wochen vor der venezolanischen Küste angebliche Drogenschiffe abschießen, könnte Trump mal wieder Agenda-Cutting betreiben, um von seiner Rolle im Epstein-Skandal abzulenken.
Diese Vermutung äußerte gegenüber der "Bild" zuletzt der US-amerikanische Politologe Jonathan Cristol: "Das Ganze kommt verdächtig zeitnah zu den Epstein-Akten." Mittlerweile musste Trump auf Druck auch aus der eigenen Partei einer Veröffentlichung der Epstein-Akten zustimmen. Der mittlerweile verstorbene Epstein hatte zu Lebzeiten einen Menschenhandel- und Missbrauchsring betrieben. Trump galt lange Zeit als Freund des Geschäftsmannes.
