Bild: imago/Ralph Peters/watson-montage
Deutschland
Die Biokette "Biomare" aus Leipzig hat bestimmte Hirseprodukte aus dem Sortiment genommen. Die Begründung ist hoch politisch: Der Bioladen macht das, weil der Geschäftsführer des Hirseherstellers Mitglied der AfD ist. "Auslistung" nennt die Biokette das.
Über das harte Vorgehen der Biokette kann sich der Biomarktkunde auf einem Aushang im Leipziger Biomarkt informieren. Darin heißt es zusammengefasst: Die AfD leugnet den Klimawandel, der Inhaber der Hirseprodukte ist AfD-Funktionär, die Produkte widersprechen daher dem Prinzip der Nachhaltigkeit und haben deshalb keinen Platz im Biomarkt.
Mit diesem Warnhinweis erklärt die Biokette ihren Vorstoß:
Bild: screenshot bio-mare.com
Briefwechsel zwischen Biomarkt und AfD-Mann – mit bitteren Folgen für AfDler
Der öffentlichen Verkündung des Biomarktes ging ein Briefwechsel zwischen dem Hersteller und AfD-Mitglied und dem Biounternehmen voraus. Der Inhaber und Geschäftsführer der Biokette hat diesen E-Mail-Verkehr nun veröffentlicht.
Bereits im Juli dieses Jahres schrieb der Biomarktchef dem AfD-Politiker und Hirseproduzenten eine E-Mail – mit ziemlich bitteren Folgen für den AfD-Mann. Der Biomarktchef begründet darin die "Auslistung" damit, dass die Kunden des Marktes erwarten, dass dieser das Sortiment nach den Kriterien der Nachhaltigkeit auswähle. Die AfD aber leugne den Klimawandel und bekämpfe eine aktive Klimaschutzpolitik.
Er schreibt:
"Mit Ihrer Mitgliedschaft in der AfD geben Sie ein klares politisches und menschliches Statement ab. Sie stellen sich damit gegen die wichtigsten Ziele von Biomare. Sie machen sich selbst als ökologischer Unternehmer höchst unglaubwürdig. Dies macht uns eine weitere Zusammenarbeit mit Ihnen unmöglich. Wir listen daher Ihre Produkte aus unserem Sortiment aus."
16-07-2019: E-Mail von Biomare an Spreewälder Hirsemühle
In der Antwort bringt der Hirseproduzent zunächst sein Erstaunen über die "Auslistung" zum Ausdruck und unterstellt dem Biomarkt-Geschäftsführer eine "linksradikale Einstellung". Außerdem weist er auf einen geringen Anteil Deutschlands zum weltweiten CO2-Ausstoß hin – gefolgt von einem langen Schreiben, in dem der Absender grundsätzlich mit der Klima- und Flüchtlingspolitik abrechnet. Auch den Vorwurf, die AfD sei eine ausgrenzende Partei, will der Hirseproduzent nicht stehen lassen.
Er schreibt:
"In ihrer verqueren Ideologie unterliegen sie folgendem Irrglauben: der AfD geht es um die Herabsetzung anderer Menschen vulgo Rassismus. Darum geht es der AfD mitnichten, wozu auch? Es geht um eine absolut natürliche (Wieder-) Entdeckung, Förderung und Unterstützung der EIGENEN IDENTITÄT. Naheliegenderweise deutscher Identität."
25-07-2019: E-Mail von Spreewälder Hirsemühle an Biomare
Außerdem seien "linke Flüchtlings-Apologeten" die "nützlichen Idioten des Großkapitals".
Er schreibt:
"Ihren Worten entnehme ich, dass sie auch sogenannte Flüchtlinge angestellt haben; herzlichen Glückwunsch! Bestimmt ein tolles Gefühl. Sie sind ein Guter! Haben sie irgendwann mal darüber nachgedacht, dass diese Leute in ihrem Land fehlen?"
25-07-2019: E-Mail von Spreewälder Hirsemühle an Biomare
Das Antwortschreiben des Hirsemannes enthält auch einen kleinen Exkurs über "den" Islam. Dieser sei "frauenfeindlich, autoritär, antisemitisch, gewaltverliebt, intolerant". "Und ausgerechnet Menschen mit dieser Prägung und Sozialisation holen wir uns millionenfach ins Land. Das ist Selbstmord. Aber die Linke jubelt und sympathisiert", schreibt der Hirseproduzent.
In einer weiteren E-Mail verteidigt der Bioketten-Geschäftsführer sein Handeln dann erneut.
Er schreibt:
"Es ist selbstverständlich meine demokratische Freiheit, sich zu Ihrer politischen Aktivität zu verhalten. Und es ist doch logisch, dass sich ihre Haltung auch auf Ihr Handeln als Unternehmer und damit Ihre Produkte niederschlägt."
01-08-2019: E-Mail von Biomare an Spreewälder Hirsemühle
Auch zum Vorwurf des Linksradikalismus nimmt der Biomarktchef Stellung. Er erklärt, dass er selbst schon häufig Zielscheibe tatsächlicher linksradikaler Kräfte gewesen sei. Und der Duktus des Schreibens des AfD-Mannes unterscheide sich dabei ganz und gar nicht vom Auftreten der Gewalttäter von links: Wut, gewalttätige Sprache, Diffamierungen, eine hervortretende Kränkung und der Anspruch im Recht zu sein.
Er schreibt:
"Sie werfen mir 'Linksradikalismus' vor, weil ich die Inhalte Ihrer eigenen Rechtsaußen-Positionierung kritisiere. Dabei sind Sie in Ihrem Verhalten und Ihrer Sprache eine Blaupause der gewaltaffinen Linksradikalen – wer sich am heftigsten bekämpft, ist sich im Wesen am ähnlichsten."
01-08-2019: E-Mail von Biomare an Spreewälder Hirsemühle
Die Antwort des Hirseproduzenten im Anschluss fällt dann verhältnismäßig kurz aus – aber deutlich.
Der AfD-Mann beklagt bittere Folgen der Biomarkt-Entscheidung für ihn:
"Sie stellen mich an den öffentlichen Pranger, diffamieren mich und versuchen perfiderweise meine Lebensgrundlage zu zerstören. Ist Ihnen in ihrem totalitären Furor klar, dass außer meiner Existenz auch die meiner Kinder und die Existenzen meiner Mitarbeiter mit ihren Kindern zur Disposition stehen?"
14-08-2019: E-Mail von Spreewälder Hirsemühle an Biomare
Auch darauf reagiert der Biomarktchef wiederum mit einer E-Mail. Es ist das vorerst letzte Schreiben Mitte August. Den Vorwurf der Existenzgefährdung halte er für nicht nachvollziehbar – und er macht ein Angebot.
Er schreibt:
"Wenn Ihnen so viel liegt an der Listung in unserer Branche, dann müssen Sie gemeinsame Werte und Kern-Ziele teilen. Lassen Sie eine CO2-Bilanz für Ihr Unternehmen erstellen und setzen Sie sich ein verbindliches Ziel, bis wann Sie Ihr Unternehmen auf Klimaneutralität umgestellt haben. Beschäftigen und bilden Sie Flüchtlinge aus, unsere Wirtschaft und unser Rentensystem ist dringend auf deren Leistung angewiesen. Zeigen Sie der Branche ein menschliches und faires Gesicht und verhalten Sie sich erwachsen und respektvoll. Dann kann ich Sie auch wieder ernst nehmen."
19-08-2019: E-Mail von Biomare an Spreewälder Hirsemühle
(ts)
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Ab jetzt AfD-Osten? So ein Quatsch!
Video: watson
Bei so manchen Themen machen die meisten einfach dicht, zu trocken, zu öde, zu technisch. Manche von ihnen schmecken nach Aktenstaub, riechen vielleicht auch etwas nach Tweed-Sakkos und Mottenkugeln. Das gilt etwa für Steuerfragen, die durchaus wichtig, aber eben nur schwer zu verkaufen sind. In eine ähnliche Kerbe schlagen die Sozialabgaben.