Innenminister Horst Seehofer (CSU) lässt sich Zeit. Für Montag hatte er eigentlich angekündigt, eine Strafanzeige gegen eine "Taz"-Journalistin wegen einer Kolumne stellen zu wollen. Bis jetzt ist das aber nicht passiert.
Ob Seehofer die Strafanzeige tatsächlich stellen wird, war zunächst offen. "Die Entscheidung ist noch nicht gefallen", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am späten Montagabend auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Einen öffentlichen Auftritt Seehofers für Dienstag sagte das Innenministerium am Abend ohne Begründung ab. Die für diesen Dienstagmorgen geplante Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2019 mit Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang entfällt demnach.
Bestätigte Informationen über einen Konflikt zwischen Merkel und Seehofer gibt es nicht. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet am Dienstag, durch "die Ritzen der verschlossenen Türen" dringe ein ähnlicher Geruch wie 2018 – damals hatten sich die Kanzlerin und ihr Minister erbittert wegen der Flüchtlingspolitik gestritten.
Auslöser des Konflikts ist eine Kolumne in der Tageszeitung "taz". Darin hatte die Autorin vor einer Woche ein Gedankenspiel angestellt, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht.
Am Ende hieß es: "Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, kritisierte das Vorgehen Seehofers. "Der Bundesinnenminister kippt mit der Ankündigung einer Strafanzeige gegen die "taz" weiter Öl ins Feuer einer völlig verkorksten Debatte", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Aus der Unionsfraktion erhielt Seehofer dagegen Rückendeckung. Es sei legitim, prüfen zu lassen, ob Grenzen überschritten worden seien, sagte Fraktionsvize Frei der "Welt". Und es sei richtig, dass sich Seehofer als oberster Dienstherr schützend vor die Polizei stelle.
Die CDU-Medienpolitikerin Elisabeth Motschmann meinte: "Selbst wenn der Artikel unter die Pressefreiheit, die ich immer verteidigen werde, fallen sollte, ist es wichtig, dass der Bundesinnenminister versucht, uns für die fortschreitende Verrohung in unserer Gesellschaft zu sensibilisieren." Beim Lesen der "taz"-Kolumne sei ihr "übel" geworden.
(lau/mit Material der dpa)