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Deutschland
Eine "sehr konfrontative Auseinandersetzung mit der CDU" nennt Jens Spahn das Video des Youtubers Rezo. Der Bundesgesundheitsminister der CDU saß am Donnerstagabend im Studio von ZDF-Moderator Markus Lanz. Spahn sollte nicht nur das miese Abschneiden der Union bei der Europawahl erklären, sondern auch, was seine Partei im Umgang mit dem Youtube-Video falsch gemacht habe.
Dabei waren es genau Spahns Aussagen, die demonstrierten: So wirklich scheinen einige CDU-Politiker noch nicht verstanden zu haben, warum die öffentliche Empörung nach dem Rezo-Video immer größer wurde.
Jens Spahn gibt zu: Er hat sich mal durchgeklickt
"Haben Sie das Video gesehen?", fragte Moderator Markus Lanz direkt.
Spahns Antwort: "In Auszügen."
"Und wie viel davon?"
Da gab der CDU-Politiker zu: "20 Minütchen, ich hab mal so hin- und hergescrollt. Um mal ein Gefühl zu haben, worum es da geht."
Nun dauert das Video von Rezo fast eine Stunde. Mittlerweile hat es 13 Millionen Aufrufe, schon vor der Europawahl sahen es vermutlich Millionen von Menschen.
Aber Spahn gab nicht nur zu, dass er nicht das ganze Video geguckt habe. Er versuchte auch noch, die Aufrufzahlen etwas schönzureden. "Übrigens von denen, die da millionenfach geklickt haben, sind die meisten nach ein paar Sekunden wieder draußen." Spahn sagte das einfach so, Experten wüssten das. Einen Beleg für seine Behauptung gibt es aber nicht.
Markus Lanz zeigt Spahn einen Rezo-Clip
Lanz zeigte Spahn dann noch einen Ausschnitt aus dem Video. "Wir hören mal ganz kurz rein, die restlichen 20 Minuten, die Sie noch nicht gesehen haben", scherzte er.
Spahn fragte zurück: "Haben Sie denn die ganze Stunde geguckt?" Lanz bejahte, er nehme das "sehr ernst".
Die zentrale Aussage von Rezo in dem kurzen Clip:
"Seitdem die CDU an der Macht ist, ging die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Die ärmsten 50 Prozent haben immer weniger Geld und die reichsten zehn Prozent immer mehr Geld."
Spahn antwortete auf die Kritik von Rezo. Die Schere zwischen Arm und Reich gehe wieder zurück, seit die Arbeitslosigkeit gesunken sei, sagte er. "Steigende Löhne, steigende Renten, das sagen im Übrigen alle wissenschaftlichen Daten", so Spahn.
Kurzer Fakten-Check: Das stimmt so nicht. Zwar steigen die Löhne in Deutschland an. Aber die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer. Von 1991 bis 2016 sind die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte im Durchschnitt um 18 Prozent gestiegen, bei den Gut- und Spitzenverdienern war der Zuwachs aber deutlich stärker, berichtet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Auch das IW Köln schreibt in einem Faktencheck zu Rezo: "Das Einkommen der Reichen hat sich schneller erhöht als das der Ärmeren."
Lanz erklärt der CDU, wie er auf Rezo reagiert hätte
Wenig später stellte Spahn dem Moderator die Gegenfrage: "Wenn Sie jetzt wir gewesen wären, wie hätten Sie denn reagiert?"
Lanz antwortete: "Kann ich Ihnen genau sagen. Ich hätte mir dieses Ding genommen, ich hätte mehr als 20 Minuten angeguckt, ich hätte 55 Minuten angeguckt. Jeden einzelnen Punkt. Ich hätte ein Video gemacht und jeden einzelnen Punkt auseinander genommen..."
Spahn warf ein: "Das ist doch das, was ich sage."
Aber Lanz war noch nicht zu Ende: "Moment, ich hätte in den ersten zehn Minuten gesagt, um mich einzuschleimen: Da, da, da hast du überall recht. So wäre es psychologisch auch geschickt aufgebaut."
Spahn betonte nochmal, dass er doch genau diesen Ansatz auch verfolge. Lanz dazu: "Aber diese Attitüde... von oben herunter, lass das mal die Profis machen."
Attackiert Rezo die CDU zu hart?
Eine andere Sichtweise brachte dann noch Kristina Dunz, Korrespondentin bei der "Rheinischen Post", ein. Sie stört sich an der Sprache von Rezo. "Fucking Bundestag, fucking Bundesregierung", zitiert sie Rezo.
"Der Titel ist 'Die Zerstörung der CDU'", rief Dunz noch einmal in Erinnerung. "Mir ist dann gesagt worden: Das ist Jugendsprache und Zerstörung heißt nicht Zerstörung. Da kann ich nur sagen: Für mich heißt Zerstörung Zerstörung."
Sie habe das Video sehr ernst genommen. "Ich finde, das ist wirklich eine Gefahr, wenn wir mit der Sprache so umgehen und wenn das einer abkriegt. Da ist es mir auch egal, ob es die CDU ist."
Bild: Screenshot ZDF
Dunz störte sich auch noch an etwas: Die Medien würden seit Jahren über den Klimawandel berichten, aber erst Rezo habe für einen Aufschrei gesorgt. Sie empfahl den Youtuber-Zuschauern ein Zeitungsabo. Dunz sagte über das Youtube-Interview: "Wenn das unsere Informationsgrundlage ist, dann ist mir das ein bisschen bange."
Auch Spahn sah es ähnlich. "Es gibt so eine Unerbitterlichkeit in der eigenen Positionierung", sagte er. Spahn, der Mann, der mit seinen Aussagen über englischsprechende Kellner in Berlin einen Shitstorm auslöste, warb für mehr Empathie: "Dieses banale Ding, sich mal in den anderen hineinzuversetzen, findet immer weniger statt."
(ll)
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