Es ist eine sensible Frage, über die der Bundestag grundsätzlich diskutieren will: Wie weit soll man mit Gen-Untersuchungen zur Gesundheit ungeborener Kinder gehen?
Konkret geht es um Bluttests für Schwangere auf das sogenannte Down-Syndrom. Hintergrund sind Bestrebungen, die vorgeburtlichen Bluttests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen. Bisher sind die rund 130 Euro teuren Bluttests meist selbst zu zahlen.
Kritiker befürchten, dass die Bluttests auf das Down-Syndrom den Druck auf werdende Eltern erhöhen, ein "gesundes" Kind zur Welt zu bringen. Behinderte Kinder würden aussortiert, Abtreibungen zunehmen. Außerdem gebe es kein Anrecht auf ein gesundes Kind.
Am Donnerstag will nun der Bundestag darüber debattieren – ohne Fraktionsvorgaben will man sich mit den Tests befassen.
Zur Frage, ob Bluttests künftig von den Krankenkassen bezahlt werden sollen, wurden bereits unterschiedliche Positionen deutlich.
Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sollten Trisomie-Schnelltests zur Kassenleistung werden. "Wenn jetzt ein Test kommt, der quasi kein Risiko mehr hat, dann müssen die Kassen das zahlen", sagte Spahn der "Bild". Er verwies auf höhere Risiken bei ebenfalls möglichen Fruchtwasseruntersuchungen, die bereits Kassenleistung sind. Dies entscheide aber nicht die Politik, sondern der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken. Hierzu läuft derzeit ein Verfahren.
Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte, er persönlich sei für eine Kassenfinanzierung. Zugleich betonte er nach einer Diskussion über das Thema im CDU-Präsidium, Beratung und Betreuung von Eltern, die diesen Test machen, müssten "immer Ja sagen zu Leben". Jedes Leben sei gleich viel Wert und besitze die gleiche Würde, "egal ob mit Down-Syndrom oder mit einer anderen Beeinträchtigung". Kanzlerin Angela Merkel und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hätten in der Sitzung nicht zu erkennen gegeben, zu welcher Option sie tendierten, sagte Ziemiak. Die CDU wolle in ihrer Debatte über ein neues Grundsatzprogramm darüber weiter offen diskutieren – eine Parteivorgabe solle es nicht geben.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Bundesvize Armin Laschet sagte:
Er sprach aber von einer "sehr persönlichen Gewissensentscheidung", die jeder Bundestagsabgeordnete fällen müsse. Es sei gut, diese Debatte nun öffentlich zu führen.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) begrüßten ebenfalls eine gesellschaftliche Diskussion über die Bluttests. "Diese grundlegende ethische Debatte gehört in den Deutschen Bundestag, dort muss entschieden werden", sagte die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer.
Mehr als 100 Bundestagsabgeordnete haben sich für eine Klärung grundlegender ethischer Fragen stark gemacht. Sie verweisen auch auf weitere Fortschritte von Gendiagnosen - deswegen sei in der Gesellschaft zu klären, wie mit solchen Erkenntnissen umzugehen sei. Menschen mit Down-Syndrom würden mit ihrer Sicht auf ihr Leben und die Tests bisher zu wenig in die Diskussion einbezogen, hieß es in einem Papier, das Parlamentarier von Union, SPD, Grünen, Linken und FDP im Oktober vorgelegt hatten.
SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Schmidt, die selbst einen Sohn mit Down-Syndrom hat, hat sich für ein "Recht auf Nichtwissen" ausgesprochen. "Es darf kein Druck auf werdende Eltern aufgebaut werden, sich einem Test zu unterziehen", sagte sie dem "Tagesspiegel".
"Mit den neuen Methoden der Pränataldiagnostik geraten Eltern von Kindern mit Behinderung immer stärker unter Rechtfertigungsdruck", erklärte die Bundesvereinigung Lebenshilfe und mehrere Downsyndrom-Verbände am Freitag. Bei Menschen mit Behinderung verstärke sich zudem die Angst, in dieser Gesellschaft nicht gewollt zu sein.
Harsche Kritik musste die FDP einstecken. Auf ihrem Twitter-Account postete die Fraktion ein Foto von einer Frau mit Kind, das offenbar das sogenannte Down-Syndrom hat. In das Foto hinein schrieb die FDP die Forderung: "Trisomie-21-Test muss Kassenleistung werden" und verlinkte mehrere FDP-Abgeordnete.
Auf den Post folgte ein Shitstorm. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner twitterte dazu: "Ich kann gar nicht glauben, dass dieser FDP-Post echt sein soll! Mit diesem Kind im Bild zu verdeutlichen, bei einem Trisomie-21-Test wäre es vielleicht nicht auf der Welt, wenn der Test Kassenleistung wäre ..."
Der Tweet wurde wieder gelöscht, die FDP-Fraktion entschuldigte sich für die Darstellung. Sie schrieb am Montagabend auf Twitter: "Unser Posting zu #Trisomie21 war missverständlich – das tut uns sehr leid. Wir wollen, dass nicht Geldbeutel entscheidet, ob Schwangere Klarheit bekommen. Für uns ist Perspektive eines Kind mit Trisomie 21 nichts Negatives. Da Fehleindruck entstand, haben wir sofort gelöscht."
Anlässlich der Bundestagsdebatte über die Bluttests zur Diagnose von Trisomien sind für Mittwoch Demonstrationen unter dem Motto #INKLUSIONstattSelektion in Berlin geplant.
(ts/dpa/afp)