Deutschland
Es ist eine sensible Frage, über die der Bundestag grundsätzlich
diskutieren will: Wie weit soll man mit Gen-Untersuchungen zur
Gesundheit ungeborener Kinder gehen?
Konkret geht es um Bluttests für Schwangere auf das sogenannte Down-Syndrom. Hintergrund sind Bestrebungen, die vorgeburtlichen Bluttests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen. Bisher sind die rund 130 Euro teuren Bluttests meist selbst zu zahlen.
Das ist bereits möglich:
Seit 2012 werden Schwangeren vorgeburtliche Bluttests angeboten, die unter anderem untersuchen, ob das Kind mit Down-Syndrom auf die Welt kommen würde. Lange hatte sich dies zuvor während der Schwangerschaft nur mit einer Fruchtwasseruntersuchung abschätzen lassen.
Derzeit entscheiden nach Expertenangaben etwa zehn Prozent der Frauen, die mit einem Kind mit Down-Syndrom (Trisomie 21) schwanger sind, für das Baby. 90 Prozent der Kinder kommen nicht zur Welt.
Voraussichtlich im Spätsommer will der gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken, das höchste Entscheidungsgremium im Gesundheitswesen, entscheiden, ob die Leistung in den Katalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden soll.
Kritiker befürchten, dass die Bluttests auf das Down-Syndrom den Druck auf werdende Eltern erhöhen, ein "gesundes" Kind zur Welt zu bringen. Behinderte Kinder würden aussortiert, Abtreibungen zunehmen. Außerdem gebe es kein Anrecht auf ein gesundes Kind.
Am Donnerstag will nun der Bundestag darüber debattieren – ohne Fraktionsvorgaben will man sich mit den Tests befassen.
Für und Wider des Bluttests: Das sind die Positionen
Zur Frage, ob Bluttests künftig von den Krankenkassen bezahlt werden
sollen, wurden bereits unterschiedliche Positionen deutlich.
Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sollten Trisomie-Schnelltests zur Kassenleistung werden. "Wenn jetzt ein Test kommt, der quasi kein Risiko mehr hat, dann müssen die Kassen das zahlen", sagte Spahn der "Bild". Er verwies auf höhere Risiken bei ebenfalls
möglichen Fruchtwasseruntersuchungen, die bereits Kassenleistung
sind. Dies entscheide aber nicht die
Politik, sondern der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten,
Krankenkassen und Kliniken. Hierzu läuft derzeit ein Verfahren.
Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte, er persönlich sei für
eine Kassenfinanzierung. Zugleich betonte er nach einer Diskussion
über das Thema im CDU-Präsidium, Beratung und Betreuung von Eltern,
die diesen Test machen, müssten "immer Ja sagen zu Leben". Jedes
Leben sei gleich viel Wert und besitze die gleiche Würde, "egal ob
mit Down-Syndrom oder mit einer anderen Beeinträchtigung". Kanzlerin
Angela Merkel und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hätten in der
Sitzung nicht zu erkennen gegeben, zu welcher Option sie tendierten,
sagte Ziemiak. Die CDU wolle in ihrer Debatte über ein neues
Grundsatzprogramm darüber weiter offen diskutieren – eine
Parteivorgabe solle es nicht geben.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Bundesvize Armin
Laschet sagte:
"Ich finde, die Kassen sollten das nicht finanzieren. Das Signal, dass man im Vorfeld über die Wertigkeit von Leben urteilt, halte ich für falsch."
Er sprach aber von einer "sehr
persönlichen Gewissensentscheidung", die jeder Bundestagsabgeordnete
fällen müsse. Es sei gut, diese Debatte nun öffentlich zu führen.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) begrüßten ebenfalls eine
gesellschaftliche Diskussion über die Bluttests. "Diese grundlegende
ethische Debatte gehört in den Deutschen Bundestag, dort muss
entschieden werden", sagte die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris
Pfeiffer.
Mehr als 100 Bundestagsabgeordnete haben sich für eine Klärung
grundlegender ethischer Fragen stark gemacht. Sie verweisen auch auf
weitere Fortschritte von Gendiagnosen - deswegen sei in der
Gesellschaft zu klären, wie mit solchen Erkenntnissen umzugehen sei.
Menschen mit Down-Syndrom würden mit ihrer Sicht auf ihr Leben und
die Tests bisher zu wenig in die Diskussion einbezogen, hieß es in
einem Papier, das Parlamentarier von Union, SPD, Grünen, Linken und
FDP im Oktober vorgelegt hatten.
SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Schmidt, die selbst einen Sohn mit Down-Syndrom hat, hat sich für ein "Recht auf Nichtwissen" ausgesprochen. "Es darf kein Druck auf werdende Eltern aufgebaut werden, sich einem Test zu unterziehen", sagte sie dem "Tagesspiegel".
"Mit den neuen Methoden der Pränataldiagnostik geraten Eltern von Kindern mit Behinderung immer stärker unter Rechtfertigungsdruck", erklärte die Bundesvereinigung Lebenshilfe und mehrere Downsyndrom-Verbände am Freitag. Bei Menschen mit Behinderung verstärke sich zudem die Angst, in dieser Gesellschaft nicht gewollt zu sein.
Was ist eigentlich Trisomie 21?
Bei einem Down-Syndrom haben Menschen in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere Menschen. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden, daher auch die Bezeichnung Trisomie 21. Folgen sind körperliche Auffälligkeiten und eine verlangsamte motorische, geistige und sprachliche Entwicklung. Die Ausprägungen sind aber sehr unterschiedlich.
Harsche Kritik musste die FDP einstecken. Auf ihrem Twitter-Account postete die Fraktion ein Foto von einer Frau mit Kind, das offenbar das sogenannte Down-Syndrom hat. In das Foto hinein schrieb die FDP die Forderung: "Trisomie-21-Test muss Kassenleistung werden" und verlinkte mehrere FDP-Abgeordnete.
Auf den Post folgte ein Shitstorm. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner twitterte dazu: "Ich kann gar nicht glauben, dass dieser FDP-Post echt sein soll! Mit diesem Kind im Bild zu verdeutlichen, bei einem Trisomie-21-Test wäre es vielleicht nicht auf der Welt, wenn der Test Kassenleistung wäre ..."
Der Tweet wurde wieder gelöscht, die FDP-Fraktion entschuldigte sich für die Darstellung. Sie schrieb am Montagabend auf Twitter: "Unser Posting zu #Trisomie21 war missverständlich – das tut uns sehr leid. Wir wollen, dass nicht Geldbeutel entscheidet, ob Schwangere Klarheit bekommen. Für uns ist Perspektive eines Kind mit Trisomie 21 nichts Negatives. Da Fehleindruck entstand, haben wir sofort gelöscht."
Anlässlich der Bundestagsdebatte über die Bluttests zur Diagnose von Trisomien sind für Mittwoch Demonstrationen unter dem Motto #INKLUSIONstattSelektion in Berlin geplant.
(ts/dpa/afp)
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